Sonntag, 28. März 2010

PORTRÄT: Robust, eisern, kreativ

Die erstaunliche Wiederkehr Iyad Allawis, des einstigen Statthalters der USA im Irak
von Birgit Cerha
"Der Irak gehört keinem Einzelnen, nicht einer einzelnen Partei. Er gehört allen Irakern.“ Mit diesen Worten begleitete Iyad Allawi, der knappe Sieger der Parlamentswahlen vom 7. März, sein Angebot an alle politischen Fraktionen zur Zusammenarbeit, insbesondere auch an seinen erbitterten Gegenspieler, den bisherigen Premier Nuri al-Maliki. Er hoffe, so rasch wie möglich eine Regierung zu bilden, die „Sicherheit garantieren und dem Volk die Dienstleistungen anbieten wird, die es benötigt“.

Allawis Ton ist vielversprechend, versöhnlich gegenüber seinen Feinden im In- und Ausland. Denn nur wenn er diese besänftigen kann, wird er rasch eine Regierung bilden können und dem Land die Chance auf Stabilität öffnen. So verlor er auch keine Zeit, den im Irak so einflussreichen iranischen Nachbarn zu beruhigen. Denn der Sieg des einstigen Statthalters der Amerikaner im Irak (Allawi war 2004 bis -05 von den USA eingesetzter Übergangspremier), bedeutet eine empfindliche Niederlage für den Iran, die Teheran möglicherweise nicht tatenlos hinnehmen will. Um Sabotageplänen, die die Iraner nun möglicherweise entwerfen, entgegenzuwirken, versucht Allawi rasch, iranische Sorgen zu zerstreuen: „Stabilität des Iraks entspringt der Stabilität der Region (d.h. ein US-Schlag gegen den Nachbarn vom irakischen Boden würde nur Bagdads Interessen schaden), und: „Die Amerikaner können nicht für immer hier bleiben, um uns zu schützen.“

Doch Allawi wird viel mehr tun müssen, um das tiefe Misstrauen Teherans und dessen irakischen Verbündeten gegen diesen Mann des Westens zu zerstreuen. Viele Iraker aber, insbesondere arabische Sunniten, haben offensichtlich eine tiefe Abneigung überwunden, die sie diesem Politiker mit seinem autoritären Stil zum Abschluss seiner kaum einjährigen Amtsperiode als Übergangspremier entgegengebracht und ihn in die politische Versenkung geschickt hatten. Damals hätte Allawis Image kaum schlechter sein können. Selbst die liberale amerikanische Zeitschrift „Counterpunch“ betitelte 2004 ein Porträt „Iraks neuer Terror Premier“ mit den Worten „Allawi, unsere Marionette mit einer Pistole“.

Der 1945 von einer libanesischen Mutter geborene Sohn einer einflussreichen irakischen Schiitenfamilie erwarb sich im Laufe einer schillernden Karriere den Ruf als ein politisch höchst ehrgeiziger Mann, der in seinem Charakter eiserne, robuste und kreative Züge mit einem gerüttelten Maß an Skrupellosigkeit verbindet. Schon als Student (der Medizin) schloss er sich der irakischen Baath-Partei an, in der er als enger Weggefährte Saddam Husseins rasch Karriere machte. In den 70er Jahren begann er in London eine Ausbildung als Neurologe, setzte jedoch seine politische Tätigkeit fort. Er vertrat offiziell die Baath-Partei und pflegte enge Kontakte mit dem irakischen Geheimdienst. Eingeweihte wollen wissen, Allawi hätte damals selbst die Macht in der Partei angestrebt und einen Putsch gegen Saddam geplant. Er wurden nach Bagdad zurückbeordert, blieb jedoch in England und wäre 1978, gemeinsam mit seiner damaligen Frau, beinahe einem brutalen Mordanschlag durch Saddams Häscher erlegen. Schwer verwundet, verbrachte er ein Jahr lang in Spitalsbehandlung.

In den frühen 80er Jahren begann er seine Kontakte mit dem britischen, amerikanischen und laut arabischen Quellen auch mehreren anderen Geheimdiensten. Mit deren Hilfe gründete er 1991 die Exilpartei „Irakische Nationale Einheit“ (INA) und baute sie zu einem Sammelbecken abgesprungener Baathisten, Geheimagenten und Offiziere des irakischen Diktators aus. Einer seiner engen Mitarbeiter tischte dem britischen Geheimdienst die – falsche – Information auf, Saddam sei könne binnen 45 Minuten Raketen mit tödlichen Kampfstoffen abfeuern.

Auch als Übergangspremier von Washingtons Gnaden scheute er mitunter nicht vor Kritik an seinen Gönnern zurück. So versuchte er offen – doch vergeblich – sich der Entscheidung der USA zu widersetzen, die irakische Armee und Sicherheitskräfte aufzulösen und die Baath-Partei zu verbieten, was sich als eine der unerschöpflichsten Quellen der Gewalt im Nach-Saddam-Irak erweisen sollte. Der Ruf der Skrupellosigkeit haftet ihm u.a. wegen des bisher nicht entkräfteten Gerüchts an, er hätte 2004 eigenhändig in einer Polizeistation sechs Aufständische erschossen. Auch sonst erwies er sich in Sicherheitsfragen unerbittlich. Manche Iraker gaben ihm deshalb den Spitznamen: „Saddam ohne Schnurrbart“. Er erteilte den Amerikanern seinen Segen für die äußerst brutalen Schlachten gegen arabisch-sunnitische Jihadis in Falludscha und die anti-amerikanischen Miliz des Schiitengeistlichen Moktada Sadrs in Nadschaf. Unterdessen aber sehen viele Iraker diese Haltung als Beweis für Allawis überzeugende säkulare Einstellung, die ihm nun zu seinem erstaunlichen Wahlerfolg geholfen hatte.

Das Image eines starken, entschlossenen Mannes, das vielen Irakern in dieser kritischen Zeit der Instabilität Hoffnung gibt, wird allerdings getrübt durch Vorwürfe katastrophaler Korruption während seiner Amtszeit. Ganze Koffer mit Geld für Wiederaufbauhilfe sollen seine Minister damals ins Ausland gebracht haben.

Seit er im Vorjahr seine nationalistische Bewegung „Irakiya“ gründete und dafür auch führende Sunniten, wie Vizepräsident Tarik al Hashemi und Saleh al Mutlak gewann, konnte Allawi – im Gegensatz zu Maliki – gute Beziehungen zu arabischen Staaten aufbauen, die ihn – so meint man in Bagdad – auch im Wahlkampf kräftig unterstützt hätten. Denn er verspricht nicht nur den arabischen Sunniten im Land, um deren Position sich insbesondere die Saudis, Jordanier, aber auch andere arabische Regime sorgen, wieder verstärkten politischen Einfluss, sondern will auch Irans weiteren Vormarsch im Zweistromland einen Riegel vorschieben. Nicht ohne Grund hatte Teheran nach Aussagen eines abgesprungenen Geheimagenten 2005 einen Mordversuch an Allawi verübt.
Foto: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Allawi7.jpg

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