Ministerpräsident Maliki sieht das Ergebnis der Parlamentswahlen als „bei weitem nicht endgültig“
von Birgit Cerha
Sie lagen tagelang Kopf an Kopf. Dass das Wahlbündnis des Ex-Premiers Iyad Allawi nun doch bei den Parlamentswahlen am 7. März zwei Mandate mehr gewann als sein Hauptrivale, Ministerpräsident Nouri al Maliki überraschte viele ungeduldig wartende Iraker. Nach dem Freitag abend von der unabhängigen Wahlkommission verkündeten vorläufigen Endergebnis gewann Allawis „Irakiya“ 91, Malikis „Rechtsstaat“-Bündnis 89, die vom Iran unterstützte religiös orientierte „Irakische National-Allianz“ (INA) 70 Sitze und die Kurdistan-Allianz 43. Doch auch Allawi verfehlte bei weitem die für die Bildung einer Regierung nötige Mandatszahl von 163. Während Allawis Team schon eine Stunde vor Veröffentlichung der Ergebnisse ihren Sieg feierte, erschien ein bitter enttäuschter Maliki im staatlichen Fernsehen und verkündete, dass er das Resultat als „bei weitem nicht endgültig“ betrachte. Seit Tagen wiederholte Maliki seinen Standpunkt, er werde das Wahlergebnis nur anerkennen, wenn in einigen Wahlbezirken die Stimmen händisch neu ausgezählt würden. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, ließ er mehrmals Anhänger in den Straßen demonstrieren. Auch die Führer von zehn Provinzräten in Zentral- und Südirak, darunter auch Bagdad, die dem „Rechtsstaat“-Bündnis angehören, warnten düster vor einer „größeren Eskalation“, sollte Malikis Forderung nicht erfüllt werden. Was sie damit meinen, bleibt allerdings offen.
Die Wahlkommission lehnte wiederholt Malikis Verlangen ab, sieht keinerlei Anzeichen systematischer Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung und weist darauf hin, dass eine händische Nachzählung viele Wochen harter Arbeit erfordern würde. Dass dadurch verlängerte Machtvakuum könnten radikale Kräfte für Gewaltakte nutzen.
Auch der Chef der „UN-Assistance Mission for Iraq“, Ad Melkert, der die Iraker entscheidend bei der Organisation der Wahlen unterstützte, hält den Wahlausgang für „glaubwürdig“, gratuliert den Irakern zu ihrer „historischen Errungenschaft“ und ruft alle Politiker auf, die Ergebnisse zu akzeptieren. Doch Maliki drohte unterdessen an, sollte die Wahlkommission weiterhin eine Nachzählung ablehnen, werde er die höchsten Gerichte des Landes anrufen. Eine Neuzählung sei nötig „um die politische Stabilität zu wahren und eine Rückkehr zur Gewalt zu verhindern“.
Die politische Unsicherheit wird noch verschärft durch eine Entscheidung, die der Oberste Bundesgerichtshof Donnerstag traf. Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass die Definition „größter Block im Parlament“ (der mit der Bildung der nächsten Regierung beauftragt wird) sich auch auf eine nach den Wahlen zustande gekommene Formation beziehen kann. Damit bietet sich für Maliki die Möglichkeit eines erneuten Bundes mit INA, die ihn schon vor den Wahlen umworben hatte. Doch siegessicher hatte der Premier es vorgezogen, den Kampf allein zu gewinnen. Nun aber ließ er schon in den vergangenen Tagen Anzeichen eines Umdenkens erkennen.
Das Gesicht der neuen Regierung läßt sich noch nicht erahnen, Klar ist nur, dass nun ein hartes Feilschen begonnen hat.
Erschienen in der "Frankfurter Rundschau" am 27.03.2010
Freitag, 26. März 2010
IRAK: Knapper Sieg für Allawis Wahlbündnis
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