Mittwoch, 3. März 2010

IRAK: Iraks politische Landschaft

Ein Überblick über die wichtigsten politischen Gruppierungen und Kandidaten, die sich bei den Wahlen am 7. März um einen Sitz im Parlament bewerben

von Birgit Cerha

Mehr als 6.000 Kandidaten und rund 300 politische Bewegungen präsentieren sich den Irakern bei den zweiten Parlamentswahlen seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein am 7. März. Während die Vielfalt des Angebots die Bürger, die jahrzehntelang keine politischen Vertreter wählen konnten, in höchste Verwirrung stürzen muss, werten so manche unabhängige Beobachter diesen eifrigen politischen Aktivismus als Beweis für ein wachsendes demokratisches Bewusstsein.

Objektive und verlässliche Meinungsumfragen gibt es bisher im Zweistromland nicht. So bleiben Analysten auf Vermutungen angewiesen und die lassen darauf schließen, dass keine der größeren politischen Allianzen eine klare Mehrheit erhalten dürfte. Damit müssen die Iraker mit monatelangem Feilschen um die Bildung einer neuen Regierung rechnen. Je länger das Machtvakuum währte, desto größer die Gefahr wachsender Instabilität.

„Koalition des Rechtsstaates“
Diese Allianz wurde vergangenen Herbst vom schiitischen Premierminister Nuri al Maliki mit dem deklarierten Ziel gebildet, sich den Wählern als irakisch-nationalistische Gruppierung zu präsentieren, die religiöse und stammesbedingte Grenzen sprengt. Dominierende Partei ist Malikis Dawa-Partei, die starke islamistische Wurzeln hat, wiewohl sich Maliki selbst unterdessen als säkular zu präsentieren sucht und einen starken, vereinten, zentralistischen Irak mit wesentlich verbesserten öffentlichen Dienstleistungen verspricht. Maliki gewann zwar arabisch-sunnitische Stammesführer ebenso als Mitglieder, wie schiitische Kurden, Christen und einige Unabhängige, doch die Koalition wird so stark von Schiiten dominiert, dass sich viele Sunniten durch sie nicht repräsentiert fühlen dürften. Bei den Provinzwahlen vor einem Jahr gewann sie außerhalb der schiitischen Provinzen des Süd-Iraks nur wenige Stimmen. Maliki selbst hat sich durch sein aufbrausendes Temperament und seinen polarisierenden Charakter enge, mächtige Mitstreiter zu Feinden gemacht und die schiitische Mehrheit des Iraks noch tiefer gespalten.



„Irakische Nationale Allianz“ (INA)
INA gilt als eine der zwei größten Rivalen der „Koalition des Rechtsstaates“. Sie vereint fast ausschließlich schiitische Gruppierungen, darunter den „Höchsten Rat für einen islamischen Irak“ (IISC), Mitglied von Malikis bisheriger Koalitionsregierung, Anhänger des anti-amerikanischen Schiitengeistlichen Moqtada el Sadr, dessen Unterstützung 2006 entscheidend Malikis Aufstieg ins höchste Regierungsamt ermöglicht hatte, die in Basra stationierte Fadila-Partei und neben einigen wenigen sunnitischen Politikern auch den Ex-Premier und Führer einer von der Dawa abgespaltenen kleinen Partei, Ibrahim Jafari, sowie vor allem den heute eng mit dem Iran verbündeten Ahmed Chalabi, der im amerikanischen Exil als enger Vertrauter des Pentagon eine entscheidende Rolle bei der US-Kriegsplanung 2003 gespielt hatte. Heute gilt Chalabi als einer der wichtigsten Verbündeten des Irans, der mit Hilfe der INA seinen Einfluß im Nachbarstaat zu sichern hofft. IISC und Sadr hoffen, dass sie am Sonntag viele Stimmen, die sie bei den Provinzwahlen an Maliki verloren hatten, wieder auf sich vereinen können. In Bagdad halten sich Vermutungen, dass Maliki, sollte er nicht genug Stimmen für eine Regierungsbildung erhalten, eine Koalition mit INA bilden würde.


„Kurdische Allianz“
Eine Koalition der beiden im semi-autonomen Kurdistan regierenden Parteien, der „Demokratischen Partei Kurdistans“ unter Regionalpräsident Massoud Barzani und der „Patriotischen Union Kurdistans“ (PUK) unter Iraks Präsidenten Jalal Talabani. Die beiden, säkular orientierten Parteien und einst engste Verbündete der Amerikaner, erfahren eine schmerzliche Herausforderung durch eine von der PUK abgespaltene Gruppierung, die sich für Reformen einsetzt, bei den regionalen Parlamentswahlen im Vorjahr ein Viertel der Sitze eroberte und auch am 7. März als unabhängige Partei kandidiert. Dennoch dürfte die „Kurdische Allianz“ genügend Stimmen erhalten, um wieder, wie die Rolle des, „Königmachers“ zu spielen.


„Al-Iraqiyya“ (Irakische Nationalbewegung)
Die Siegeschancen dieser Allianz, der unter Führung des säkularen schiitischen Ex-Premiers Iyad Allawi säkulare schiitische und sunnitische Persönlichkeiten angehören, wurden durch die Entscheidung einer Kommission unter Vorsitz Chalabis geschmälert, den Führer der größten Sunniten-Partei, Saleh al-Mutlaq von den Wahlen auszuschließen.

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