Mittwoch, 24. März 2010

Afghanistan und Pakistan heute

(einleitende Zusammenfassung eines geplanten Vortragszyklus)
von Dr. Arnold Hottinger


Die Taleban sind ursprünglich, in den Jahren 1994 bis 1996 von den Amerikanern, den Pakistanern und den Saudis gemeinsam ins Leben gerufen worden. Doch heute stellen sie in zwei Gruppen geteilt eine gefährliche Kraft für alle drei Staaten dar, und sie werden von ihnen bekämpft. Wir versuchen, die komplexe Kombination von Kräften und Entwicklungen aufzuzeigen, die zu der Machtentfaltung beider Gruppen geführt haben. Eine Einschätzung der heutigen Lage und der Erfolgschancen der Amerikaner sowie der Pakistani in dem gegenwärtigen Ringen, soll daraus hervorgehen.
Es gibt heute afghanische und pakistanische Taleban. Sie haben eine gemeinsme Ideologie aber unterschiedliche Ziele, weil die einen auf Sturz der afghanischen Regierung ausgehen, die anderen auf Erschütterung der pakistanischen. Auch der Kampf gegen sie wird von den beiden prmär betroffenen Staaten, den USA und Pakistan, auf unterschiedliche Weise geführt. Pakistan versucht, der pakistanischen Taleban soweit Herr zu werden, dass die Mordaktionen innerhalb Pakistans – meist durch Selbstmordanschläge - aufhören. Doch gleichzeitig gibt es Kräfte in der pakistanischen Armee, die sich für die Zukunft eine Zusammenarbeit mit den afghanischen Taleban offen halten möchten, in der Hoffnung diese könnte ihnen zur Einflussnahme auf die Politik des nördlichen Nachbarlandes verhelfen und zugleich befürchtete indische Einflüsse auf Afghanistan drosseln.Die amerikanischen und verbündeten Nato Truppen versuchen, die afghanischen Taleban zu besiegen oder zum Ueberlaufen auf ihre Seite zu bewegen, mit dem Ziel eine auf eigener Kraft beruhende, womöglich demokratische Regierung in Kabul unter der Präsidentschaft Karzais aufzurichten und abzusichern. Gleichzeitig liefern sie Waffen und Hilfsgelder an Pakistan, um die dortige Armee in ihrem Kampf gegen die Taleban zu unterstützen.

Da diese Hilfen für Pakistan lebensnotwendig sind, ist die Armee darauf angewiesen, ihren Willen, sich für die Zukunft eine Zusammenarbeit mit den afghanischen Taleban offen zu halten, zunächst einmal nach Kräften zu verbergen. Den Amerikanern ist die zweideutige Haltung Pakistans bekannt. Sie nehmen sie hin, weil sie auf die Hilfe der pakistanischen Armee angewiesen sind.

Die weiten Grenzgebiete mit etwa 15 Millionen bewaffneten Stammesleuten paschtunischer Bevölkerung, in denen sich wahrscheinlich auch die letzen Reste der Qa’ida Führung unter Osama Ben Laden und Zawahiri aufhalten, stehen nur nominell unter pakistanischer Herrschaft. In Wirklichkeit ist ihre Strammesbevölkerung seit der englischen Zeit bewaffnet und regiert sich selbst nach den pashtunischen Stammesgesetzen. Die amerikanischen Truppen sind ungenügend, um auch nur Afghanistan gegen die afghanischen Taleban dauerhaft abzusichern. Sie sind daher gezwungen, die Bekämpfung der Taleban auf der pakistanischen Seite der Grenze und die Unterwerfung der Stämme, bei denen sie Unterschlupf finden, der pakistanischen Armee zu überlassen und diese dabei mit Geld und Waffen zu unterstützen.

Es besteht so ein zweideutiges Verhältnis zwischen den verbündeten Amerikanern und Pakistanis: sie sind beide aufeinander angewiesen und können nicht aufeinander verzichten. Doch sie verfolgen beide unterschiedliche Endziele in Afghanistan.
Die Lage ist zusätzlich flüssig, weil sowohl die Amerikaner wie die Pakistaner neben den kriegerischen auch diplomatisch-politische Mittel gegen die Taleban einsetzen. Beide versuchen, Teile der Kämpfer, die auf Seiten der Taleban stehen, für ihre politischen Zwecke zu gewinnen. Die Amerikaner möchten Kämpfer der afghanischen Taleban dazu bewegen, auf die Seite der Karzai Regierung überzulaufen. Bisher ohne grossen Erfolg. Doch sie hoffen, dass mehr solche Ueberläufer in Erscheinung treten, falls es ihnen gelingt, den Taleban einige drastische Niederlagen beizubringen.

Die pakistanische Armee hat mehrfach versucht, sich mit den pakistanischen Taleban zu verständigen. In der Vergangenheit bestand eine gewisse Zusammenarbeit. Zur Zeit ist sie in Frage gestellt, weil die pakistanischen Taleban hoffen mit Bombenanschlägen tief im Inneren Pakistans, auch in Peshawar, Lahore und Karachi, den pakistanischen Staat zu erschüttern und das heutige Regime zu Fall zu bringen. Doch die pakistanische Armee ist sich sicher, dass ihnen dies nicht gelingen wird. Sie weiss ihrerseits, dass sie schwerlich alle Stammesgebiete an der afghanischen Mark permanent unter ihrer Kontrolle zu halten vermag. Sie hofft in Zukunft, wie die Amerikaner auf der afghanischen Seite der Grenze, Teile der heutigen Taleban auf ihre Seite zu ziehen, nachdem sie ihnen einige schmerzliche militärische Niederlagen beigebracht haben wird.

Die Pakistaner haben jüngst ihren Willen gezeigt, aus Kontakten der Amerikaner mit Vertretern der afganischenTaleban nicht ausgeschlossen zu werden. Sie nahmen Vertreter der afghanischen Taleban, die sich in Pakistan aufhielten und von dort aus Gespräche mit den Amerikanern begonnen hatten, gefangen und weigerten sich, sie den Amerikanern auszuliefern, Dies war der Fall des Mullah Beradar, der sich zur Zeit in pakistanischer Gefangenschaft befindet. Beradar gilt als der wichtigste diplomatische Vertreter der afghanischen Taleban. Ob er auf Auftrag des obersten Chefs der afghanischen Taleban, des Mullah Omar, handelte, oder gegen dessen Willen, ist ungewiss. Es gibt widersprüchliche Berichte darüber, und die Geheimdienste beider Seiten, das heisst ISI und CIA, geben natürlich keinerlei Auskunft.

Wie es zu dieser komplexen und schwer zu handhabenden Gesamtlage gekommen ist, kann man nur verstehen, wenn man die Entwicklungen und Verwicklungen kennt, die sich seit der Entstehung Pakistans im Jahr 1948 zwischen Pakistan und Afghanistan abgespielt haben, wie auch seit der Bildung des Pufferstaates Aghanistan durch die Engländer im Verlauf des 19. Jahrhunderts - und zusätzlich die Anliegen der amerikanischen Politik in Afghanistan und Pakistan seit dem Kampf gegen die russischen Invasionstruppen in Afghanistan einbezieht, der 1979 begann und 1989 endete, sowie die Irren und Wirren der späteren amerikanischen „Präventivpolitik“ seit dem Grossanschlag vom 11. September 2001 in New York und Washington, welche - ohne echte Notwendigkeit - verheerende Kriege in Afghanistan und im Irak entfesselte.

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