Donnerstag, 11. Februar 2010

IRAN: Die Selbstzerfleischung der Islamischen Republik


Der „Geistliche Führer“ findet keinen Ausweg aus seinem Dilemma – Für die Opposition gibt es kein Zurück mehr


von Birgit Cerha

Ob sich der 31. Jahrestag des größten Triumphes der „Islamischen Revolution“ als Schicksalstag für ihren Untergang erweist, wird erst die Zukunft zeigen. So manches deutet darauf hin. Noch nie war das Jubiläum der Republikgründung mit derartiger Hochspannung und Nervosität erwartet worden, wie diesmal. Noch nie hatten die Herrscher des „Gottesstaates“ ein derart gigantisches Aufgebot an Sicherheitskräften eingesetzt und noch nie zählten zu ihren Opfern so viele Revolutionäre der ersten Stunde, deren Kinder oder Enkel.

Alle, selbst die brutalsten Versuche (etwa Exekutionen) der sich vollends zu Despoten gewandelten Theokraten, das sich nach Freiheit sehnende Volk so einzuschüchtern, dass es sich nicht mehr und vor allem nicht an diesem historischen 22. Bahman des persischen Kalenders (dem 11. Februar) zu Protesten in die Straßen wagt, sind gescheitert. Eine grobe Schätzung der Zahl der Demonstranten, der von den Sicherheitskräften Verletzten und der Festgenommenen wird noch auf sich warten lassen. Fest steht jedoch, dass es dem Regime nicht gelungen ist, an diesem großen Revolutionstag, wie erhofft, den Sieg über seine internen Herausforderer zu feiern. Die Kraftprobe ist nicht entschieden, sie wird sich fortsetzen und die „Islamische Republik“ politisch immer stärker lähmen. Und dies gerade in einer Phase eskalierender Spannungen mit der Weltgemeinschaft wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms.

Was sich vor acht Monaten als Folge der manipulierten Präsidentschaftswahlen spontan mit dem Ruf „Wo ist meine Stimme?“ gebildet hatte, entwickelte sich seither zur größten Bürgerrechtsbewegung in der jüngeren Geschichte des Irans, die – im Grunde führerlos – alle sozialen Schichten und Altersgruppen, apolitische Religiöse ebenso mit einschließt, wie Demokraten, Kommunisten, Monarchisten, Anhänger eines islamischen Systems, wie Laizisten. Und sie hat Gewaltlosigkeit zu ihrer unantastbaren Strategie erhoben, nicht zuletzt auch, um dem repressiven Regime jeden Vorwand für Repressionen zu verwehren. Ging es anfänglich nur um eine Wiederholung der Wahlen, so erschallen nun – angesichts unzähliger Morde in den Straßen und Gefängnissen durch die Sicherheitskräfte, Verhaftungen, Verurteilungen, Exekutionen und massiven Einschüchterungen - die Rufe nach Systemveränderung immer lauter.

Die „Grüne (Demokratie-)Bewegung“ hat in den vergangenen acht Monaten eine erstaunliche Widerstands- und Überlebenskraft bewiesen. Sie hat damit den „Geistlichen Führer“ Khamenei in ein schier auswegloses Dilemma gestürzt. Durch seinen seit zwei Jahrzehnten praktizierten Stil der vollen Autoritätsausübung ohne zugleich klare Entscheidungen zu treffen (mit Ausnahme jener der Wahlmanipulation und des Paktes mit Ahmadinedschad), sowie Verantwortung für Entwicklungen zu übernehmen, trägt er daran die Hauptschuld. Fest davon überzeugt, dass die anfängliche Kompromissbereitschaft gegenüber Demonstranten dem Schah 1979 schließlich den Thron gekostet hatte, zieht Khamenei entschlossen aus der Geschichte seine Lehre – und er vergrämt – fast – alle. Immer größer wird die Zahl selbst der regimetreuen Konservativen, darunter so prominente Persönlichkeiten wie der Parlamentspräsident Laridschani, der Teheraner Bürgermeister Qalibaf oder ehemals führende und immer noch einflussreiche Ex-Kommandanten der Revolutionsgarden, die Khamenei zu Kompromissen gegenüber den „Grünen“ drängen. Vor allem droht der „Führer“ vollend den Rückhalt der hohen Geistlichkeit zu verlieren, die – von kleinen Ausnahmen abgesehen – Diktatur und Brutalität im Namen des Islams aus Gewissensgründen nicht mehr dulden können. Damit wird der Ruf eines einzigartigen islamisch-politischen Modells für die gesamte Welt der Muslime, das die iranischen Gottesmänner drei Jahrzehnte lang mit Stolz erfüllt hatte, vollends ruiniert.

Doch Khamenei – von Eingeweihten seit langem als paranoid charakterisiert – erscheint davon überzeugt, dass auch ein Kompromiss mit der Opposition, der nach Meinung vieler die „Islamische Republik“ zumindest kurzfristig ein wenig vom Rand des Abgrund zerren könnte, seine politischen Rivalen (etwa Rafsandschani) stärken und damit seinen eigenen Untergang besiegeln könnte. Immerhin hatte der einstige „Königmacher“ Rafsandschani, dem Khamenei seine Position verdankt, im Vorjahr intensiv, bisher vergeblich, versucht einen Weg zur Absetzung dieses umstrittenen „Führers“ zu ebnen.

Khamenei schöpft seine Kraft aus dem Bund mit Ahmadinedschad und den allmächtigen Revolutionsgarden. Dass die Regierung nun die an die Garden angegliederte Bassidsch-Miliz, aeifrig für Geld friedliche Demonstranten und deren Familien terrorisiert und auch einige ermordet hat, entscheidend aufwertet, ihr eine ökonomische, vor allem auch eine politische Rolle und viel mehr Geld verspricht, verheißt den freiheitshungrigen Iranern nichts Gutes. Der Kampf zwischen Despotie und Demokratie geht in die nächste Runde.

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