Regime versucht mit brutaler Gewalt am Revolutionstag seine Stärke zu demonstrieren und gewinnt die Medienschlacht – Doch die Opposition gibt nicht auf
von Birgit Cerha
Teheran glich Donnerstag, dem seit vielen Wochen vom islamischen Regime so gefürchteten Jahrestag der Gründung der „Islamischen Republik“ vor 31 Jahren , einer Metropole unter Kriegsrecht. Aus dem ganzen Land wurden Sicherheitskräfte und paramilitärische Bassidsch angekarrt, um mit aller Gewalt eine durch die Opposition ungestörte Revolutionsfeier zu garantieren. Präsident Ahmadinedschad hatte mit großem Erfolg in den vergangenen Tagen den Tenor für dieses Fest bereitet: Atompolitik und Feindschaft gegenüber dem Westen. Diese Themen dominierten denn auch seine eineinhalbstündige Rede vor Zehntausenden Menschen, die sich auf dem riesigen Azadi-Platz in Teheran versammelt hatten. Sie wurden aus allen Landesteilen nach Teheran gebracht, viele Schüler waren darunter, staatliche Angestellte und Tausende vom Staat abhängige oder bezahlte Menschen. Ihnen allen, vor allem aber der internationalen Gemeinschaft verkündete der heftig umstrittene Präsident frohlockend, dass der Iran nun zwei Tage nach Beginn des Prozesses Uran auf 20 Prozent angereichert hätte und deshalb nun effektiv zu einer Atommacht aufgestiegen sei. Zugleich fanden auch Attacken auf den „teuflischen Westen“, allen voran die USA breiten Raum. Die das System in seinen Grundfesten erschütternden internen Probleme erwähnte Ahmadinedschad mit keinem Wort, in der Hoffnung, der Westen werde sich nur auf die Frage der angeblich neu errungen militärischen Stärke des Iran konzentrieren.
Unterdessen steht fest, dass das Regime eine in vollem Einsatz geführte Medienschlacht gewonnen hat. Ausländische Journalisten, die man nach längerem Einreiseverbot zu diesem Fest geladen hatte, durften nur den Azadi-Platz besuchen und erhielten den strengen Auftrag, über keinerlei oppositionelle Aktivitäten zu berichten. An dieses Schema halten sich auch die offiziellen iranischen Medien.
Ein Bild über das wahre Geschehen an diesem kritischen Tag, zu dem die Führer der „Grünen (Demokratie-)Bewegung, Mussawi, Karrubi und Khatami ihre breite Anhängerschicht zu – friedlichen – Protestkundgebungen aufgerufen hatten, wird sich erst allmählich durch verifizierte Berichte, die Iraner über ihr soziales Netzwerk ins Ausland senden, erkennen lassen. Fest steht jedoch, dass ein gigantisches Aufgebot an Sicherheitskräften im Zentrum Teherans Protestierende gewaltsam vom Vormarsch zum Azadi-Platz abhielt, ebenso zum Evin-Gefängnis, in dem Hunderte friedliche Demonstranten schmachten, sowie zum staatlichen Rundfunk- und Fernsehgebäude. An die hundert Bassidschis stürmten zu Karrubis Auto, als sich dieser den Demonstranten anschließen wollten und fügten ihm leichte Verletzungen zu. Kurzfristig wurde sein Sohn, ebenso wie der Bruder Khatamis und dessen Frau, die Enkelin von Revolutionsführer Khomeini, festgenommen. Auch Khatamis Auto wurde attackiert, ebenso die Frau Mussawis. Karrubi stellte anschließend fest, dass die Brutalitäten der Bassidsch an diesem Tag einen Höhepunkt erreicht hatten.
Bemerkenswerter Weise hatte sich auch Ex-Präsident Rafsandschani Demonstrierenden angeschlossen, was eine gravierende Entfremdung zwischen diesem immer noch sehr einflussreichen Politiker und Khamenei erkennen lässt.
Auch in anderen Städten des Landes, in Schiraz und Isfahan u.a. kam es zu Zusammenstößen. In Maschhad schlossen sich, wie schon bei ähnlichen Demonstrationen, zahlreiche Geistliche den Protesten an. In Tabriz rief die Menge: „Das ist der Monat des Blutes, Khamenei wird gestürzt.“ Zahlreiche Demonstranten brüllten „Tod Russland“, „Verräter-Führer, du hast die iranische Jugend getötet“ und „Panzer, Bomben und Bassidsch erzielen keine Wirkung“. Laut ertönte auch die Forderung nach Freilassung aller Gewissensgefangenen. Mussawis „Grüne Bewegung“ hatte für diesen Tag den Slogan ausgegeben: „Tod für niemandem. Lange leben alle.“
Nach Berichten aus Oppositionskreisen hat der iranische Geheimdienst in den vergangenen Tagen Organisatoren der „Grünen Bewegung“ die Nachricht übermittelt, dass der 11. Februar der letzte Tag ihrer Demonstrationen sei, zugleich halten sich Gerüchte, Mussawi und Karrubi würden in den kommenden Tagen festgenommen.
Das Regime versuchte nach Kräften Internetkontakte mit der Außenwelt zu blockieren, um den Anschein einer „glorreichen Kundgebung“ zu sichern. Im Laufe des Donnerstag zirkulierten Berichte, dass mindestens zwei Personen in Teheran und eine in Shiraz vermutlich von Bassidsch getötet worden seien.
Donnerstag, 11. Februar 2010
IRAN: Ahmadinedschad feiert Irans Aufstieg zur Atommacht
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