Massiver Druck und ein fehlgeschlagenes Attentat bewog einen der beiden Oppositionsführer zum Einlenken – Bereitet das Regime einen „Deal“ vor?
von Birgit Cerha
Das Eingeständnis kam überraschend – und doch nicht. In einem Gespräch mit der offiziellen iranischen Nachrichteagentur Fars setzte Mehdi Karrubi einen deutlich neuen Akzent. Auf die Frage, ob er Ahmadinedschad als den legalen und gewählten Präsidenten des Landes anerkenne, antwortete der bei den Wahlen im Juni unterlegene Kandidat erstmals, wiewohl mit äußerst vorsichtig gewählten Worte: Ich würde Ja sagen. Weil der (Höchste) Führer (Ali Khamenei Ahmadinedschads Sieg) anerkannte, glaube ich, dass er der Chef der Regierung ist, das bedeutet, er ist Präsident.“
Bisher hatte Karrubi, gemeinsam mit dem ebenfalls offiziell unterlegenen Kandidaten Mussawi, entschieden die Legalität der Wahlen bestritten, sie seien massiv manipuliert worden und müssten deshalb wiederholt werden. Nach Aussagen seines Sohnes ist Karrubi unverändert „davon überzeugt, dass die Wahlen ungesund gewesen waren und das Ergebnis massiv gefälscht wurde.
Welche Auswirkungen der Rückzug dieses mutigsten der drei symbolischen Führer der inzwischen zu einer Massenströmung angewachsenen oppositionellen „Grünen Bewegung“ nach sich zieht, lässt sich vorerst noch nicht voll abschätzen. Nach Aussagen seines Sohnes war Karrubi, der sich noch weit energischer als Mussawi oder Ex-Präsident Khatami gegen die ungeheuerlichen Brutalitäten, Folterungen, Vergewaltigungen und Morde an friedlichen Demonstranten durch die Sicherheitskräfte engagiert hatte, von seinen Anhängern seit Monaten stark bedrängt worden, seinen Widerstand nicht aufzugeben. Doch der massive Druck des Regimes zeigte nun offensichtlich seine Wirkung. Mehrmals war Karrubi physischen Attacken durch paramilitärische Bassidsch ausgesetzt gewesen. Vor etwa zehn Tagen aber entging er nur ganz knapp einem offensichtlich gezielt geplanten Mordanschlag. Hinzu kamen die verschärften Verbaldrohungen durch radikale Geistliche, die die Führer der „Grünen Bewegung“ als „Mohareb“ klassifizierten, als Personen, die nach schiitischem Glauben im Krieg mit Gott stehen und deshalb mit dem Tode bestraft werden müssten. Justizsprecher schlugen in die selbe Kerbe und forderten, dass solche „Verbrecher“ sogar binnen weniger Tage exekutiert werden müssten.
Allerdings läßt einiges darauf schließen, dass Karrubi nicht nur den persönlichen Mut zum weiteren Widerstand verlor, sondern vielleicht auch durch andere Entwicklungen zu seiner Haltungsänderung motivert wurde. Wie Mussawi und Khatami strebte Karrubi nie eine neue Revolution, keineswegs den Sturz des Regimes an, bekennt sich entschieden zu den Grundsätzen der Islamischen Republik, zur Verfassung, der er lediglich ein menschlicheres Gesicht geben will. Alle drei kritisieren die de-facto Machtübernahme der „Revolutionsgarden“, die den Iran mehr und mehr auf den Weg in eine – äußerst brutale – Militärdiktatur drängen, in der der „Geistliche Führer“ nicht mehr als eine Gallionsfigur sein würde.
Die Tatsache, dass sich die „Grüne Bewegung“ auch durch brutalste Methoden nicht einschüchtern läßt, rüttelt immer mehr an den Grundfesten des Systems, spaltet zunehmend auch das konservative Lager im Establishment und vor allem auch die Geistlichkeit, die sich mehr und mehr vom System distanziert. Eine solche Entwicklung haben weder Karrubi, noch Mussawi und auch nicht Khatami angestrebt. Manches deutet darauf hin, dass in dieser kritischen Situation Khamenei nun hinter den Kulissen versucht, die Führer der Opposition zum Einlenken zu bewegen, zu einem Deal, der das System retten soll. Um noch Schlimmeres zu vermeiden, könnte sich Karrubi sich vielleicht nun zu Verhandlungen bereit finden, zumal er, wie seine Mitstreiter ja fürchten muß, dass sie bald gar keine Rolle mehr zu spielen haben.
Denn in Wahrheit führt weder Mussawi, noch Karrubi diese Bewegung, die in erstaunlichem Maße in den vergangenen Monaten angewachsen ist und sich spontan zu Kundgebungen zusammenfindet, Tausende Menschen, die aus Überdruß mit dem System, aus Zorn und Verzweiflung, aus Trauer um ermordete oder verwundete Angehörige auf den Straßen ihre Freiheit und ihr Leben riskieren. Längst meinen so manche iranische Aktivisten, ein Ausscheiden der drei symbolischen Führer, würde keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Eigengesetzlichkeit haben, die diese derzeit weltweit größte Bewegung zivilen Ungehorsams unterdessen erreicht hat. Massenverhaftungen haben in den vergangenen Tagen angehalten, während sich Zehntausende Iraner auf den Tag der Gründung der Republik, den 11. Februar vorbereiten. Werden sie sich durch Karrubis Einschwenken entmutigen lassene?
Erschienen am 26.1.2010 in der "Frankfurter Rundschau"
Montag, 25. Januar 2010
IRAN: Mehdi Karrubi anerkennt Irans Präsidenten
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