Das krisengeschüttelte Dubai eröffnet den höchsten Turm der Erde – Ein Ort der Superlative für die Superreichen
von Birgit Cerha
„Die Erde hat ein neues Zentrum“, frohlockt die PR-Fanfare des Glitzerreiches Dubai. Und wieder ist es Scheich Mohammed Bin Rashid al Maktoum gelungen, den Blick der ganzen Welt auf sein winziges Emirat zu ziehen, wo er, zum vierten Jahrestag seiner Machtübernahme, am 4. Januar vor Tausenden Besuchern den Burdsch al Dubai, den höchsten Turm des Globus, eröffnen wird. Ein Fest der Superlative ist geplant, um „den goldenen Augenblick“ (so die offizielle Propaganda), „den Beginn einer neuen Ära“ zu feiern, so als hätte das von einer schweren Schuldenkrise geschüttelte Dubai nicht eben erst um seinen Glanz fürchten müssen.
Mit dem Burdsch al Dubai hat Scheich Mohammed Weltrekord um Weltrekord gebrochen. Noch nie hatten Menschen derart kühn in den Himmel gebaut. Die tatsächliche Höhe dieses modernen „Turms von Babel“ ist strengstens gehütetes Staatsgeheimnis, das Dubais Herrscher, gemeinsam mit dem Inneren des Giganten und einigen anderen Informationen erst zur Eröffnung zu lüften gedenkt. Ist der Burdsch nun 808, 818 oder gar 825 Meter hoch? Erstreckt er sich über 160 Stockwerke oder gar mehr? In jedem Fall überragt er das bisher höchste Gebäude, das 508 Meter hohe Taipei 101. Die wahren Kosten dieses Projekts des Größenwahns wird die Welt wohl nie erfahren. Vermutungen reichen von 1,5 Mrd. bis fast drei Mrd. Euro.
Als das Projekt 2004 in Angriff genommen wurde, stellte der zu einem Drittel der Regierung des Emirats gehörende Bauträger „Emaar“, den amerikanischen Architekten Adrian Smith und ein großes Team internationaler Experten vor einzigartige Herausforderungen, die eindrucksvoller Erfindungsgabe bedurften. Ein Fundament in der Form eines Y wurde gegossen, auf dem der Gigant nun auf 850 gewaltigen Betonpfählen in 50 Metern Tiefe von je 1,5 Metern Durchmesser steht. Über diese Pfähle wurden mehrere Meter dicke Stahlbetonplatten gelegt. Diese weltweit einzigartige Stahlkonstruktion reicht bis zum 155. Stockwerk.
In schwindelerregender Höhe haben die asiatischen Bauarbeiter Stahlstäbe zu einem Gitter geflochten, brachten an den Seiten Schalungen an, füllten die Höhlräume mit Beton. Dabei galt es das Problem der in Dubai extrem hohen Temperaturen von bis zu 50 Grad zu überwinden. Die Arbeiten mussten überwiegend in der Nacht durchgeführt werden und häufig half man sich, riesige Mengen von Eiswürfeln in den Beton zu mischen.
Ein großes Team von Statikern sicherte die Standfestigkeit des Turms bei allen nur erdenklichen Naturereignissen. Der Burdsch al Dubai steht nicht fest gemauert in der Erde, sondern trägt sich durch sein Eigengewicht. Er schwankt bei heftigem Sturm im oberen Teil um bis zu 1,4 Meter.
Im Inneren des Turms, an dessen Fertigstellung 12.000 Arbeiter aus 30 Ländern gewerkt hatten, findet eine ganze Kleinstadt Platz. Neben den 37 Stockwerken für Büros stehen 900 Apartments und 144 exklusive, betreute Wohnungen zur Verfügung, sowie ein Armani-Hotel mit 160 äußerst luxuriösen Suiten. Auf der 124. Etage wurde die höchste frei zugängliche Außenterrasse der Welt eingerichtet. Die obersten Etagen sind nur 120 cm breit und beherbergen ausschließlich Einrichtungen für die Antennen an der Spitze. 57 Aufzüge legen fast 20 Meter in der Sekunde zurück.
Insgesamt wurden u.a. 142.000 m2 Glas in mehr als 22 Mio. Arbeitsstunden verbaut. Das Kühlsystem des Turms, der von mehr als hundert Kilometern entfernt zu erkennen ist, könnte 13.000 Tonnen Eis im Tag produzieren. Zu Projektbeginn, als am Golf und international ein ökonomisch weit zuversichtlicheres Klima herrschte als heute, wurden die Wohnungen im Burdsch in weniger als acht Stunden verkauft. Die Preise sind nach Stockwerk gestaffelt und liegen im Schnitt bei etwa 25.500 Euro pro Quadratmetern. Die teuersten Wohnungen werden auf etwa 2,7 Mio. Euro geschätzt. Seit den ersten Käufen haben sich die Preise fast verdoppelt.
Die ersten von etwa 12.000 Menschen, die in diesem Turm leben oder arbeiten werden, sollen im Februar in die Armani-Residenzen in die Stockwerke neun bis 16 einziehen. Im März folgt die Inbetriebnahme des Hotels.
Im Dubai-Lake zu Füßen des Luxusturms liegt ein weiterer Superlativ: der größte Springbrunnen der Welt. Auf einer Breite von 275 Metern tanzen Fontänen bis zu 150 Meter in die Höhe. 6.600 Lampen und Projektoren verwandeln den Brunnen in ein buntes Farbenspiel.
Der Burdsch soll das Zentrum einer 20-Mrd.-Dollar Luxus-Stadt werden, mit 30.000 Wohneinheiten, neun Hotels, riesigen Parks, 19 Wohntürmen, dem größten Einkaufszentrum der Welt und einem riesigen künstlichen See und den Nakheel-Turm, der, wenn wie geplant 2020 fertiggestellt mit etwa 1.140 Metern den Burdsch al Dubai noch überragen soll. Diese Projekte kamen durch die Finanzkrise vor Monaten zum Stillstand. Nun aber da Abu Dhabi mit einer Geldspritze von 10 Mrd.Dollar – zunächst - die Zahlungsunfähigkeit der hochverschuldeten
Staatsholding „Dubai World“ abgewendet hat, will man die Bauarbeiten an zumindest einigen der Projekten wieder aufnehmen.
Dubais Herrscher hofft der Burdsch werde Dubais Überlebenskraft beweisen, Investoren und Touriste wieder anzuziehen, den in den Keller gerutschten Wohnungspreise Auftrieb zu geben. Die heimische Bevölkerung beobachtet das Spektakel mit einer Mischung aus Stolz ( „Bis 1300 waren die Pyramiden von Giza das die höchsten Gebäude der Welt. Es ist ein Zeichen der Zeit, dass dieser Titel in die arabische Welt zurückkehrt“, meint ein Kommentator) und ein wenig Skepsis, ob all dieser Luxus einen Sinn erfülle. Nur wenige freilich erinnern daran, dass Scheich Mohammeds Exzesse mit dem Schweiß schwer unterbezahlter, in elenden Quartieren hausender asiatischer Arbeiter erkauft wird.
Erschienen am 3.1.2010 in der "Neuen Luzerner Zeitung"
Freitag, 1. Januar 2010
DUBAI: Scheich Mohammed bricht Weltrekord um Weltrekord
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Super-Artikel! Beim letzten Satz kam ich als Schweizer zwar noch kurz ins Schwitzen ;-)
AntwortenLöschen> ... mit dem Schweiz schwer unterbezahlter...
Ich frage mich allerdings wie lange die Bauten halten werden, wenn einmal das Geld definitiv ausgeht und die Karawanne der asiatischen, europäischen und amerikanischen Gastarbeiter in die nächste Oase weiterzieht.