Besonnenheit und Aufruf zu demokratischer Aktion dominieren die Reaktionen auf das Minarettverbot in weiten Teilen der islamischen Welt
von Birgit Cerha Der wütende Aufschrei, den viele als Reaktion auf das Votum der Schweizer gegen Minarette befürchtet hatten, ist – zunächst zumindest – ausgeblieben. Die großen Zeitungen und Fernsehstationen berichteten Sonntag Abend und Montag nüchtern und sachlich, vielfach ohne Kommentar über das überraschende Ergebnis der Volksabstimmung. Der Satellitensender Al-Jezira etwa hob anerkennend die gemäßigte Haltung und Reaktion der schweizer Muslime zu dem Ergebnis hervor. In zahlreichen Blogs äußern Schreiber ihre Sorge, was das Votum „nun für die Muslime in der Schweiz“ bedeuten würde, denn es ginge ja in Wahrheit keineswegs um Minarette, sondern vielmehr um die Sichtbarkeit des Islams in diesem Land, meint etwa eine Ärztin namens Sarah. „Wird als nächstes der Hedschab (das islamische Kopftuch) verboten und dann Halal-Fleisch? Werden unsere Glaubensbrüder alles verstecken müssen, was sie als Muslime kennzeichnet?“
Ein anderer Schreiber fragt, ob die schweizer Muslime nun für das schlimmste Szenario bereit seien? Manche Medien erläutern ihren Lesern, dass die Schweiz schon seit einiger Zeit ein angespanntes Verhältnis zu ihren muslimischen Mitbürgern habe. Als Beweis dafür werden Vandalakte gegen eine Genfer Moschee angeführt.
Während sich manche Blogger über die „Islamophobie“ der Mehrheit der Schweizer schockiert zeigen und gelegentlich auch zum Boykott schweizer Produkte aufgerufen wird, bleibt der Tenor der Kommentare bisher betont sachlich und gemäßigt. Zu den wenigen Ausnahmen zählt etwa der Chef der jordanischen Moslembrüder, Jamil Abu Baker, der von einer „krassen Verletzung der Religionsfreiheit spricht und das schweizer Votum als Teil einer weltweiten Anti-Islam-Kampagne sieht, die seit dem Terror vom 11. September 2001 anhalte. Maskuri Abdillah, Chef der größten islamischen Bewegung, der Nahdlatul Ulama Indonesiens, spricht vom „Hass der Schweizer gegen islamische Gemeinden. Sie wollen keine muslimische Präsenz in ihrem Land und diese intensive Abneigung hat sie intolerant gemacht.“ Doch, wie andere führende Geistliche appelliert auch Abdillah an seine Glaubensbrüder, sich für diese Entscheidung nicht „zu rächen“.
Ägyptens Mufti Ali Gomaa verurteilt das Minarettverbot als „Beleidigung“ aller Muslime in der Welt, eine „Attacke gegen die Religionsfreiheit“. Eindringlich fordert Gomaa aber seine Glaubensbrüder auf, sich nicht durch diesen Entscheid provozieren zu lassen. Er ermutigt die Muslime in der Schweiz, sich durch das Mittel des „Dialogs“ und auf legalem Wege gegen das Minarettverbot zur Wehr zu setzen und fügte hinzu, „Islam betrachtet die Menschheit als eine einzige große Familie.“ Auch der als radikal geltende Geistliche Yussuf Karadawi, Präsident der internationalen Vereinigung muslimischer Gelehrter, der durch seine regelmäßigen Fernsehauftritte insbesondere in Al-Jezira enormen Einfluß in der arabischen Welt genießt, befürchtet zwar, dass das schweizer Votum den Hass der Muslime schüren und die Treue muslimischer Bürger zu ihrem Gastland untergraben könnte, doch auch er drängt nach Dialog als Antwort und bemerkt versöhnlich, beten könnten die Muslime schließlich auch ohne Minarette.
Einig sind sich einige Kommentatoren allerdings darin, dass das Ansehen der Schweiz als liberales Land, Verfechter von Humanismus, Demokratie und Menschenrechten durch diese Entscheidung seiner Bevölkerungsmehrheit in der islamischen Welt beträchtlichen Schaden erlitten hätte.
Montag, 30. November 2009
ISLAM: „Was nun für die Muslime in der Schweiz?“
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