Irans Parlamentarier drängen Ahmadinedschad zu härterer Gangart – Interne Machtkämpfe stehen einem Kompromiss im Wege
von Birgit Cerha „Zwinge nicht, das Parlament und die iranische Nation einen anderen Weg zu wählen.“ Die Warnung des mächtigen Parlamentssprechers Ali Laridschani an Präsident Mahmut Ahmadinedschad könnte kaum schärfer sein. Er vertritt die große Mehrheit im Parlament, die nun eine „ernsthafte“ Einschränkung der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atombehörde (IAEA) fordert, sollten die USA und die anderen Mitglieder der so genannten „Sechsergruppe“ ihre Einstellung zum Iran im Atomstreit nicht ändern. Von „veralteten Spielchen“, „lächerlicher Zuckerbrot- und Peitsche-Politik“ ist die Rede. „Diese große Nation wird sich niemals beugen“, meint etwa Irans IAEA-Botschafter Ali Asghar Soltaneh. Mit solch scharfer Rhetorik reagieren iranische Politiker auf die Verurteilung der iranischen Hinhaltetaktik durch den Gouverneursrat der IAEA vergangenen Freitag. In einer mit großer Mehrheit gebilligten Resolution hatte die Behörde Teheran aufgefordert, den Bau seiner zweiten Uran-Anreicherungsanlage „Fordo“ bei Ghom „umgehend auszusetzen“. Da auch China und Russland für die Resolution stimmten wächst nun in Teheran die Sorge, die USA könnten eine Verschärfung der Strafsanktionen im Weltsicherheitsrat durchsetzen.
Offiziell allerdings zeigen sich iranische Politiker und Medien unverändert kompromisslos. Unter keinen Umständen werde man sich internationalem Druck beugen, lautet der allgemeine Tenor, während der radikale Geistliche, Ayatollah Ahmad Khatami in einer Rede in der Teheraner Universität vor laut akklamierendem Publikum die Entschlossenheit des „Gottesstaates“ bekräftigte, selbst hochgradig angereichertes Uran zu produzieren, sollte es keine Einigung mit der IAEA geben. Um dies und damit eine mögliche Entwicklung von Atomwaffen zu verhindern, hatte die IAEA vorgeschlagen, dass der Iran niedrig angereichertes Uran zur weiteren Anreicherung ins Ausland – nach Frankreich oder Russland – sendet. Der Iran benötigt das hoch angereicherte Uran dringend für ein medizinisches Forschungszentrum in Teheran.
Die Sanktionsuhr tickt. Bis zum Jahresende will US-Präsident Obama entscheiden, ob der Dialog mit dem Iran fortgesetzt werden kann oder ob verstärkter Druck ausgeübt werden sollte.
So manche Anzeichen sprechen dafür, dass ein so dringend erhoffter Durchbruch im jahrelangen Atomkonflikt an dem heftigen internen Machtkampf scheitern könnte, der den Iran auch fast ein halbes Jahr nach den Turbulenzen der manipulierten Präsidentschaftswahlen nicht zur Ruhe kommen lässt. Dabei haben sich in dieser Frage die Fronten erstaunlich verschoben. Nun nämlich ist es Ahmadinedschad, vier Jahre lang das „radikale Gesicht“ des „Gottesstaates“, der Ausgleich und Versöhnung sucht. Während aus dem Iran scharfe Töne drangen, zeigte sich der Präsident bei einer Pressekonferenz während eines Staatsbesuchs in Brasilien auffallend milde: „Wir haben die Möglichkeit, Uran auf 20 Prozent anzureichern und wir besitzen das Recht dazu. Doch um eine Atomosphäre der Kooperation zu schaffen, sind wir bereit, Kernbrennstoffe im Ausland zu kaufen.“ Seit IAEA-Chef Al-Baradei im Oktober seinen Kompromissvorschlag präsentierte, ist Ahmadinedschad um Einigung bemüht: „Heute“, so betonte er etwa, „sind die Bedingungen reif für eine atomare Kooperation auf internationaler Ebene“. Und: Baradeis Vorschläge würden das Land „in die richtige Richtung“ führen.
Der durch die Wahlmanipulationen angeschlagene Präsident wandelte sich zum „Vorreiter“ eines Dialogs mit dem Westen in der Hoffnung, durch ein Atomabkommen seine schwer angeschlagene Macht wieder zu stärken und interne Kritiker zum Schweigen zu bringen. Der Präsident hat fast die gesamte Intelligenz des Landes, die Studenten gegen sich. Gelänge ihm ein Durchbruch im Atomstreit, der in eine Annäherung an die USA münden würde, dann bestünde durchaus die Chance, viele Kritiker auf seine Seite zu ziehen. Genau dies aber wollen mächtige Fraktionen im Lande verhindern, allen voran die pragmatischen Konservativen und Laridschani und viele konservative Führer, denen Ahmadinedschads Machtgier und sein unberechenbarer Stil schon lange ein Dorn im Auge ist. So dürfte der interne Machtkampf eine Lösung der Atomfrage derzeit nicht zulassen.
Aber auch der Führer der oppositionellen „Grünen Bewegung“ Mir Hussein Mussawi, reiht sich ein in die Schar der Gegner eines Atomkompromisses und wirft vehement Ahmadinedschad mangelnden Nationalismus vor, da er auch nur erwägen könnte, iranisches Uran im Ausland höher anreichern zu lassen.
Die Entwicklungen der vergangenen Wochen haben auch viele sich nach Reformen und Versöhnung mit dem Westen sehnende Iraner bitter enttäuscht. Die Amerikaner, meint einer von ihnen, hätten eine vielleicht historische Chance durch einen schweren Fehler vertan. Viele Iraner sind tief empört, dass sich die USA in ihren ersten direkten Verhandlungen mit Teheran seit fast drei Jahrzehnten ausschließliche auf den Atomstreit konzentrierten und die ungeheuerlichen Brutalitäten des Regimes an friedlich für mehr Freiheit demonstrierenden Iranern, den Morden, Folterungen, Massenprozessen und massiven Einschüchterungen vollends ignorierten. Die wohl amerika-freundlichste Bevölkerung des Mittleren Osten fühlt sich kläglich im Stich gelassen, von westlichen Politikern, wie von einem Großteil der Medien. Und das Regime wütet weiter, bis das Volk nicht mehr aufzumucken wagt.
Sonntag, 29. November 2009
IRAN: Atomstreit spitzt sich wieder zu
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