Montag, 9. November 2009

IRAN: Wilde Stürme gefährden Irans Atomdeal

Tiefsitzendes Misstrauen der Iraner gegenüber dem Westen und interne Machtkämpfe stehen einem Kompromiss im Streit um das Nuklearprogramm im Wege
Nein, Amerikas „maskiertes Lächeln“ könne eine „solch große Nation mit ihren erfahrenen, (vom Volk) gewählten Führern nicht täuschen“. Nur Naive könnten nicht erkennen, dass US-Präsident Obama von „imperialistischem Geist“ getrieben werde und einen gezückten Dolch hinter seinem Rücken verberge. Die Verhandlungen mit den USA und den vier anderen Ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates, sowie Deutschland (P5+1) über einen Ausweg aus der Atomkrise seien schlicht „naiv und pervers“. Kaum schärfer hätte der jüngste Kommentar des „Geistlichen Führers“ Ali Khamenei zu den internationalen Bemühungen ausfallen können, eine Lösung des Streits über das iranische Atomprogramm zu finden. Solche Worte verheißen nichts Gutes, zumal sie unter anderen iranischen Führern lautes Echo finden.

Dennoch dringt Widersprüchliches aus dem „Gottesstaat“. Die am 1. Oktober so hoffnungsvoll begonnenen Gespräche seien keineswegs gescheitert, beteuert der sich sonst so radikal präsentierende Präsident Ahmadinedschad. Teheran strebe lediglich Änderungen im Schlichtungsvorschlag der Internationalen Atomenergiebhörde (IAEA) an.
Einflußreiche Parlamentsabgeordnete, wie Alaeddin Borudscherdi bekräftigten allerdings ihre Entschlossenheit, unser bereits angereichertes Uran nicht“ abzugeben. Nach dem von IAEA-Cherf Baradei präsentierten Schlichtungsvorschlag soll der Iran bis zum Jahresende 1200 von den insgesamt 1500 kg leicht angereicherten Urans zur weiteren Anreicherung nach Frankreich oder Russland unter der Auflage liefern, dass es den Iranern für einen medizinischen Forschungsreaktor wieder zur Verfügung steht. Damit soll verhindert werden, dass der Iran das Uran selbst weiter anreichert und sich damit die Basis für die Entwicklung von Atomwaffen verschafft.

Während die „P5+1“ Baradeis Ideen längst zugestimmt haben, ließ der Iran die gesetzte Frist für eine Antwort verstreichen. Die Taktik ist altbekannt. Seit Beginn der Atomkrise vor sieben Jahren immer wieder das selbe Muster: zunächst generelles Ja zu Vorschlägen, dann Nein, dann vielleicht Ja zu einigen Punkten, jedoch wieder Nein, gefolgt von Drängen auf mehr Zeit zum Nachdenken, schließlich ein Gegenvorschlag, dann Beteuerung der Kooperationsbereitschaft, kurz darauf Bekräftigung der „nationalen Rechte“, die der „Gottesstaat“ „niemals“ aufzugeben gedenke und schließlich wieder ein paar „Brosamen“ für den großen Mächte, um einen Krach abzuwenden und das Verhandlungstor offen zu halten.

Der Verzögerungen überdrüssig, verschärfen Irans Kontrahenten nun den Druck. Mitte November wird die IAEA entscheiden, ob der Iran durch den Bau der geheimen Atomanlage „Fordo“ nahe der „heiligen Stadt“ Qom internationale Verpflichtungen verletzt habe und der Weltsicherheitsrat deshalb über Sanktionen entscheiden solle. Baradei allerdings beschwichtigt: Seine Inspektoren hätten bei der ersten Besichtigung „nichts Beunruhigendes“, feststellen können. „Fordo“ dürfte als „Bunker“ dienen, um „Dinge“ gegen möglich Angriffe (etwa der Israelis) zu schützen. Laut oppositionellen Mudschaheddin besteht die von westlichen Geheimagenten bereits vor drei Jahren entdeckte Anlage in einem hügeligen Gelände aus einer Serie miteinander verbundenen Tunnels, die zur Produktion von Sprengköpfen dienten. Westliche Experten halten jedoch die Tunnels für zu klein, um ein Atomkraftwerk zu betreiben, doch groß genug, um dort spaltbares Material für ein oder zwei Atomsprengköpfe pro Jahr zu lagern.

Die Bedeutung von „Fordo“ liegt vor allem darin, dass der Iran damit seine ungebrochene Entschlossenheit beweise, geheime Einrichtungen zu schaffen, die für die Produktion von Atomwaffen genützt werden könnten. Ebenso sind brisante Details zu werten, die jetzt aus dem IAEA-Bericht Möglichkeiten militärischer Dimensionen des iranischen Atomprogramms“ bekannt wurden. Danach gäbe es Hinweise, dass der Iran an einer Technologie für fortgeschrittene Atomsprengköpfe experimentiert hätte. Die sogenannte „Zweipunkt-Implosion“ ermöglicht die Produktion kleinerer, einfacherer Sprengköpfe, die an Bord einer Rakete ins Ziel gebracht werden könnten. Zugleich tauchen Berichte über eine starke Ausweitung der Uran.Förderung in der iranischen Gachin-Mine auf. Die produzierte Menge übersteige den Bedarf für ein ziviles Atomprogramm bei weitem.

Solche Informationen dienen zweifellos dazu, Teheran zu einer klaren Position zu zwingen. Während die Führer der „Islamischen Republik“ mit ihrer Hinhaltetaktik in der Vergangenheit internationalen Druck und Strafsanktionen abzuschwächen suchten, gleichzeitig aber – wie auch jetzt - von der Grundposition ihres souveränen Rechtes auf atomare Forschung, keinen Iota abrückten, handelt es sich diesmal nicht ausschließlich um altbewährte Verzögerungsstrategie. Vielmehr entspringt Irans Verwirrspiel der schweren innenpolitischen Krise, die auch fünf Monate nach den Turbulenzen um die manipulierten Präsidentschaftswahlen der Führung schwer zu schaffen macht. Die Krise innerhalb der herrschenden Elite hat sich sogar noch verschärft und jede der miteinander rivalisierenden Gruppierungen versucht den Streit um das Atomprogramm zur Stärkung und Konsolidierung ihrer eigenen Position zu nutzen.

Und dabei scheinen sich die Fronten erstaunlich zu verschieben. Mit einem Schlag hat sich der Präsident, „Irans Gesicht der Konfrontation“, zum Vorreiter des Dialogs gewandelt, in der Hoffnung, dass seine schwer angeschlagene Macht durch ein Atom-Abkommen neue Stärke gewinne. Zugleich sehen Ahmadinedschad und seine Clique Neoradikaler in der heftigen Diskussion über das Atomprogramm die Chance, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Glücklich über Washingtons Beharren auf Verhandlungen mit dem Iran, präsentiert sich der Präsident als geschickter Diplomat, der durch seine Härte der vergangenen Jahre die „P5+1“ zu Zugeständnissen zwingen konnte.

Ahmadinedschad hat fast die gesamte Intelligenz, die Studenten gegen sich. Gelingt ihm ein Durchbruch im Atomstreit, der Beginn einer Annäherung an die USA, dann bestünde durchaus die Chance, viele seiner Kritiker auf seine Seite zu ziehen. Genau dies aber wollen die politischen Rivalen und Gegner unter allen Umständen verhindern. Und hier stehen die pragmatischen Konservativen, allen voran der mächtige Parlamentspräsident Ali Laridschani und dessen Bruder und Justizchef Sadegh Laridschani mit den Reformern auf einer Seite. Sie alle kritisieren Baradeis Kompromissvorschlag, warnen vor den „Täuschungsmanövern“ der großen Mächte, „um in den Besitz des vom Iran angereicherten Urans zu gelangen“ (so Ali Laridschani). Der Führer der oppositionellen „Grünen Bewegung“, Mussawi, wirft Ahmadinedschad mangelnden Nationalismus vor.

Zugleich aber droht unter den Studenten, den nach Reformen drängenden Massen, die sich seit langem nach Versöhnung mit den USA sehnen, ein Stimmungsumschwung einzusetzen. Gewährt nicht Washington diesem umstrittenen Präsidenten, die so dringend benötigte Anerkennung, die ihm daheim so viele verwehren und schwächt damit zugleich die oppositionelle Strömung? „Obama, Obama, entweder du bist mit ihnen (der Ahmadinedschad-Clique) oder mit uns“, brüllten Demonstranten in der Vorwoche. Viele, darunter auch prominente Menschenrechtsaktivisten, befürchten, die Ideale von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten würden durch amerikanischen „Verhandlungs-Übereifer“ katastrophal auf der Strecke bleiben. Sollten die „P-5+1“ weiterhin die „nackte Gewalt“ ignorieren, die das Regime gegen die demokratische Bewegung einsetze, könnte die USA das ihnen am freundlichsten gesinnte Volk im gesamten Mittleren Osten vollends verlieren, warnen Oppositionelle.

Solche Aspekte freilich kümmern die Führer des „Gottesstaates“ wenig. Khamenei, der das letzte Wort in schicksalhaften Fragen hat, konzentriert sich derzeit voll auf die Wiederherstellung seiner schwer angeschlagenen Glaubwürdigkeit. In dieser Situation hat er keinerlei Interesse, sich für einen Kompromiss einzusetzen, der weithin als „Schädigung nationaler Würde“ interpretiert wird.

So droht die Schwäche des Regimes eine „einzigartige Chance“ (so Baradei) für den Iran, für den Mittleren Osten, für die internationale Gemeinschaft zu Fall zu bringen.

Erschienen am 12.11.2009 im Rheinischen Merkur.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen