Lokale, nationale, kriminelle und geopolitische Interessen stehen in Irans östlicher Unruheprovinz Belutschistan auf dem Spiel
von Birgit Cerha
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht im „Gottesstaat“ erlitten die Revolutionsgarden Sonntag einen schweren Schlag. Ein Selbstmordattentäter sprengte ein strategisch offenbar äußerst wichtiges Treffen führender Kommandanten der Garden mit Stammes-Oberhäuptern in Pischin, nahe der Grenze zu Pakistan, in der bitterarmen Unruheprovinz Sistan-Belutschistan. Der Attentäter riss nach offiziellen Angaben in Teheran mindestens 29 Personen mit sich in den Tod, 28 weitere erlitten Verletzungen. Laut amtlicher Nachrichtenagentur Fars starben „in diesem Terrorakt, General Nur-Ali Schuschtari, stellvertretender Kommandant der Bodentruppen der Revolutionsgarden, General Mohammad-Zadeh, Kommandant der Sistan-Balutschistan-Provinz, der Kommandant der Stadt Iranshahr, sowie jener von Amir al-Momenin.“ Drei Kommandanten der angrenzenden Provinz Kerman seien ebenfalls ums Leben gekommen.
Das offiziell Teheran war sich Sonntag rasch einig über die Identität der Täter und deren Hintermänner. Die sunnitische Terrorgruppe „Dschundallah“ (Soldaten Gottes) habe die Tat verübt. Offizielle Medien, allen voran aber Parlamentssprecher Ali Laridschani beschuldigten jedoch vor allem die USA als Drahtzieher. „Wir betrachten diesen Terroranschlag als das Ergebnis amerikanischer Aktion. Das ist ein Zeichen der Feindseligkeit gegenüber unserem Land.“
Die Revolutionsgarden, direkt dem „Geistlichen Führer“ Khamenei unterstellt, sind im Zuge der blutigen Turbulenzen nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni zu den wahren Machthabern der „Islamischen Republik“ aufgestiegen. Durch strukturelle Reformen und personelle Veränderungen an der Spitze geben nun äußerst radikale Kräfte den Ton an. In ihrem Hass auf die Garden stehen viele Iraner zweifellos auf der Seite der „Dschundallah“, deren bewaffnete Extremisten seit Jahren eine Rebellion insbesondere gegen die Sicherheitskräfte in Belutschistan führen. Doch darin erschöpfen sich auch schon die Gemeinsamkeiten. „Dschundallahs“ Terrormotivationen sind vielfältig.
Die Organisation nennt als ihr Hauptziel ihrer blutigen Kampagne gegen das schiitische Regime in Teheran, das die überwiegend von der sunnitischen Minderheit des Irans bewohnte Provinz Belutschistan ökonomisch vernachlässigt und politisch diskriminiert. Doch in diesen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Repression mischen sich viele andere Motive, kriminelle (insbesondere Drogenschmuggel aus Afghanistan), aber auch geostrategische Interessen anderer, von denen sich „Dschundallah“ benutzen lässt.
Sollten diese Extremisten tatsächlich hinter dem jüngsten Anschlag stehen, so ließen sie sich zweifellos auch von Rachegefühlen treiben. Bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Zahedan, der Hauptstadt Sistan-Belutschistans, waren am 29. Mai 30 Menschen ums Leben gekommen. Schon wenige Tage später wurden in einem Gefängnis der Stadt 13 Angehörige der „Dschundallah“, darunter der Bruder des Anführers, Abdul Hamid Rigi, gehängt.
„Dschundallah“, die sich in der Vergangenheit weitgehend auf Attacken gegen die den regen Waffen- und Drogenschmuggel bekämpfenden staatlichen Sicherheitskräfte konzentriert hatte, konnte jüngst ihre Schlagkraft wesentlich verstärken. Terrorexperten vertreten die Überzeugung, „Dschundallah“ habe durch wechselnde – weniger von Ideologie, als von Opportunismus getriebene - Allianzen mit verschiedenen Parteien in Nachbarstaaten – etwa den Glaubensbrüdern der Taliban und Al-Kaida in Afghanistan, aber auch dem pakistanischen Geheimdienst „ISI“ an Stärke gewonnen. „ISI“ - sah die Gruppe stets als wertvolles Druckmittel gegen den Iran.
Teheran beschuldigt Pakistan seit Jahren, Dschundallah“ von seinem Territorium aus operieren zu lassen. Tatsächlich weigert sich Pakistan bis heute, „Dschundallah“s Führer, Abdolmalek Rigi, an den Iran auszuliefern. Das iranische Regime wittert dahinter eine große, von den USA angezettelte Verschwörung. Immerhin unterhält Washington seit langem enge Beziehungen zu „ISI“ und Ex-Präsident Bush hatte bei seinen Versuchen, die „Islamische Republik“ durch Unterstützung von Oppositionellen und Minderheiten zu Fall zu bringen, auch tatsächlich „Dschundallah“ unterstützt. Auch ist Irans regionaler Erz-Rivale, das durch das iranische Atomprojekt zutiefst verängstigte Saudi-Arabien, enger Freund Pakistans und unterstützt vermutlich auch die Rigi-Bande. Besonders beunruhigt Teheran auch die Möglichkeit, dass Rigi den Taliban und Al-Kaida – ideologische Erzfeinde der schiitischen Geistlichen - in iranischem Territorium neue Stützpunkte ermöglicht.
In Teheran ist man zudem auch davon überzeugt, dass Washington großes Interesse an einer weiteren Destabilisierung Sistan-Belutschistans hegt, soll doch eine 2000 km lange Gas-Pipeline vom südiranischen Pars-Feld nach Pakistan durch diese Provinz laufen. Darauf hatten sich beide Staaten im Juni geeinigt und sie könnten damit amerikanischer Strategie, den Iran durch Sanktionen ökonomisch in die Knie und damit zu entscheidenden Konzession in der Atomfrage zu zwingen, untergraben.
Sonntag, 18. Oktober 2009
IRAN: Terror trifft Irans mächtige Revolutionsgarden
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