Freitag, 2. Oktober 2009

Birgit Cerha: Teheran feiert „großen Erfolg“ von Genf

TV: Geschick iranischer Unterhändler führte zu einem Einlenken westlicher Länder – Ermutigende Bilanz der ersten Runde der Atom-Gespräche

Irans staatliche Medien überschlagen sich in Euphorie. Derartiges, so meinen Beobachter, habe der „Gottesstaat“ seit drei Jahrzehnten nicht gehört. Die ersten direkten Verhandlungskontakte zwischen der „Islamischen Republik“ und dem „Großen Satan“ USA seit drei Jahrzehnten endeten nicht, wie viele Pessimisten weisgesagt hatten, in einem Fiasko, sondern in einem viele überraschenden Mini-Durchbruch. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Gespräche weitergeführt werden und zwar über Themen, an denen beide Seiten interessiert sind“, lautete die erste nüchterne Bilanz des iranischen Chefunterhändlers Said Dschalili über die siebeneinhalb stündigen Verhandlungen zwischen dem Iran, den fünf UN-Vetomächten und Deutschland (Fünf plus Eins) Donnerstag in Genf. Die gute Atmosphäre gäbe Hoffnung auf noch bessere Gespräche, fügte Dschalili später optimistisch hinzu. Teheran, so bekräftigte auch der iranische Außenminister Mottaki in Washington, sei zu einer „Ausweitung des Dialogs über die Atomkraft und andere Themen auf Gipfelebene der Weltmächte“ bereit.
Derartig milde Töne hatten die Iraner angesichts der schweren Spannungen zwischen den großen Mächten und Teheran über den Bau einer weiteren Anreicherungsanlage und den demonstrativen Tests mit Mittelstreckenraketen kurz vor Verhandlungsbeginn gar nicht zu hoffen gewagt. Das iranische Staatsfernsehen wertete das Ergebnis von Genf als Folge einer geschickten Finte der Teheraner Führung, dass diese sich auf das Gesprächsangebot US-Präsident Obamas überhaupt eingelassen hatte. Radikale Medien schwelgten in der vermuteten „Enttäuschung einiger Länder“ über Irans konstruktive Position, die Bereitschaft Teherans zur Zusammenarbeit innerhalb eines für ihn akzeptablen Rahmens. Damit ist die Entschlossenheit gemeint, niemals“ (so Dschalili) auf das „nationale Recht“ auf atomare Forschung zu verzichten.

Besonders würdigen iranische Kommentatoren die Tatsache, dass es dank der Flexibilität Dschalilis gelungen sei, das Schreckgespenst verschärfter Sanktionen zunächst zu verjagen. Teherans Abkehr von seiner bisherigen totalen Unnachgiebigkeit in der Atomfrage hat den Ruf nach einem schmerzvollen Anziehen der Sanktionsschraube durch den Weltsicherheitsrat zunächst verstummen lassen. Auch andere Anzeichen dafür, dass die Eisblocks, die Teheran und Washington bis zur Gefährdung des Weltfriedens entzweien, allmählich schmelzen könnte, werden im Iran mit Genugtuung und Erleichterung aufgenommen: Die Tatsache, dass Außenminister Mottaki ein Visum für einen Besuch Washingtons erhielt und dort gerade zum Zeitpunkt der Genfer Gespräche zahlreichen amerikanischen Medienvertretern Interviews geben konnte, ist vor allem als symbolische Geste, als keineswegs unwichtiger Schritt zur Vertrauensbildung zwischen den beiden Erzfeinden zu werten. Irans Gegenleistung ist die Einladung an die Atombehörde, die Anreicherungsanlage in Qom zu inspizieren und die erstmalige Bereitschaft, einen alten Vorschlag der Russen zur Weiterverarbeitung des bereits im Iran angereicherten Urans anzunehmen.

Außenpolitische Experten präsentierten dies Donnerstag abend als großen Erfolg Präsident Ahmadinedschads: „Die ‚Fünf plus Eins’-Länder haben unser Vorschlagspaket als Grundlage der Gespräche akzeptiert. Bis vor kurzem hatten sie dafür die Aussetzung der Atomanreicherung als Bedingung gestellt.“

Der durch die Wahlmanipulationen vom Juni schwer angeschlagene Präsident hat zweifellos intern nun so manche Pluspunkte gewonnen. Die offizielle Propaganda tut freilich auch das ihre dazu. „Viele Menschen im Iran gratulieren heute der Regierung zu einer Reihe von geschickten Schachzügen, ohne die die ‚Fünf-plus-Eins’-Länder den Iran zweifellos in Genf bei lebendigem Leib verschlungen hätten, bemerkt ein Teheraner Politologe. Tatsächlich herrscht unter außenpolitischen Experten in Teheran die Überzeugung, dass das Regime durch eine Mischung von hartem militärischem Muskelspiel und sanfter Diplomatie in der internationalen Gemeinschaft an Ansehen gewonnen und „die andere Seite“ gezwungen habe, ihm mit größerer Achtung entgegen zu treten.

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