Wie Ahmadinedschad die Genfer Gespräche zur Stärkung seiner angeschlagenen Position nützen will
Inmitten aufgeheizter Spannungen als Folge der Enthüllung einer zweiten Atomanlage im iranischen Qom und im Westen als provokativ empfundener Raketentests durch die iranischen Revolutionsgarden, bekräftigte Irans Chefunterhändler in Atomfragen, Said Jalili, die „guten Absichten“ seines Landes für die heute, Donnerstag, beginnenden Genfer Gespräche mit den „P-5 + 1“ (den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats und Deutschland). Zugleich warnten aber Irans Parlamentarier die Weltmächte davor, „vergangene Fehler“ zu wiederholen, sondern den Atomkonflikt vielmehr aus der Sackgasse zu führen. Doch die Hoffnungen, dass dies bei den ersten Verhandlungen seit drei Jahrzehnten, an denen auch die USA als direkt engagierter Gesprächspartner teilnimmt, gelingen könnte, sind durch Irans militärisches Muskelspiel und die Entlarvung der Anlage von Qom nahezu zerstoben.
Während die Sechs den Iran zu Transparenz zwingen wollen und eine verbindliche Zusage zum Stopp der Urananreicherung anstreben, um dann über ein „Anreizpaket“ zu diskutieren, bekräftigt etwa Außenminister Mottaki Irans Entschlossenheit, in Genf lediglich über Irans jüngst den Amerikanern präsentierte Gegenvorschläge zu sprechen, über ein vage gehaltenes Konvolut internationaler Probleme und genereller Abrüstungsfragen. Das Qom-Zentrum soll gar nicht erst auf den Verhandlungstisch und an Irans nationalem Recht auf atomare Technologie und Entwicklung sei absolut nicht zu rütteln.
Präsident Ahmadinedschad beginnt diese neue Phase der Diplomatie intern durch Wahlmanipulation empfindlich geschwächt und durch die Qom-Affäre mit empörten und entschlossenen Verhandlungspartnern konfrontiert. Nach Einschätzung westlicher Diplomaten wird er versuchen, mit der Grauzone des internationalen Rechts zu spielen, darauf zu beharren, dass der Iran durch seinen Enthüllungsbrief über Qom an die UN-Atombehörde IAEA die Minimum-Erfordernisse der Organisation erfüllt hätte.
Für US-Präsident Obama dürfte sich nicht ein kriegerischer Iran am Verhandlungstisch als größte Herausforderung erweisen, sondern ein hinterlistiger. Denn Ahmadinedschad dürfte alles versuchen, um mit Hilfe der Genfer Gespräche seinen verlorenen Glanz in der Heimat wieder zu gewinnen. Und zu diesem Zweck zeigt er auch gewisse Flexibilität. Er verspricht der IAEA vollen Zugang zu Qom. Amerikanischen und anderen westlichen Wissenschaftern bietet er Mitarbeit bei dem heimischen Atomprogramm an und schlug gar vor, angereichertes Uran für medizinische Zwecke in den USA zu kaufen. Sollten die Amerikaner dies ablehnen, wäre dies nur ein zusätzlicher Beweis dafür, dass der Iran das Uran selbst anreichern müsste.. „Es ist eine humanitäre Frage …. und ein sehr seriöser Vorschlag, der eine gute Basis für den Beginn eines vertrauensbildenden Prozesses zwischen den USA und dem Iran schaffen würde“.
Der Iran könnte in Genf so manche kleine Zugeständnisse machen, wie etwa das Versprechen, die IAEA schon im Planungsstadium über Atomprojekte zu informieren. Doch die wichtigsten Forderungen der Sechs wird Ahmadinedschad weiter ablehnen, hat er doch das Atomprogramm mit iranischem Nationalismus eng verwoben und Reformer wegen deren größerer Flexibilität in dieser Frage beschimpft.
Über dem Gesprächen hängt das Damoklesschwert eines ganzen Pakets verschärfter Sanktionen, über deren schmerzhafteste – Stopp der Exporte von Ölprodukten in den Iran – allerdings unter den Sechs keine Einigkeit herrscht. Der Führer der oppositionellen „Grünen Bewegung“, Mussawi, appelliert an den Westen, doch zu bedenken, dass sich „Sanktionen gegen den Iran nicht gegen die Regierung richten, sondern gegen ein Volk, das bereits durch seine wahnsinnige Regierung zu leiden hat“.
Tatsächlich dürften Ahmadinedschad und seine Hardliners durch eine neue Sanktionsrunde, insbesondere im Bereich der Ölprodukte, enorm profitieren. So machte der Präsident jüngst gegenüber Anhängern in Teheran eine erstaunliche Aussage: „Wir sollten einen Weg finden, dass sie (neue) Sanktionen gegen uns verhängen.“ Der Iran muss 40 Prozent seines Bedarfs an Raffinerieprodukten importieren. Nach Schätzungen muss die Regierung allein für Treibstoffimporte jährlich zwei Mrd. Dollar ausgeben, und damit ein Subventionssystem aufrecht erhalten, das der großen Mehrheit der Bevölkerung erschwingliche Preise ermöglicht - eine enorme Belastung für das öffentliche Budget, die die Regierung in große Schwierigkeiten bringt, wenn der Ölpreis fällt. Ahmadinedschad präsentierte sich stets als Präsident der Armen und kann das Subventionssystem nicht drastisch kürzen oder gar abschaffen, ohne vollends das Gesicht zu verlieren. Sanktionen könnten ihn aus einer fatalen Patsche helfen, da er der Bevölkerung neue ökonomische Härten aufbürden und dafür eine feindselige internationale Gemeinschaft verantwortlich machen könnte. Das Gesicht wäre nicht nur nicht verloren, sondern iranischer Nationalismus geschürt und in Zeiten verschärfter Krise könnte er das Volk weit williger hinter sich scharen.
Mittwoch, 30. September 2009
Birgit Cerha: Irans „gute Absichten“
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