IAEA-Experten beginnen mit der Inspektion der zweiten Anlage zur Anreicherung von Uran
Eine Delegation der Atomenergiebehörde (IAEA) begann Sonntag mit der Inspektion der zweiten iranischen Anlage zur Anreicherung von Uran, zu deren Existenz sich Teheran jüngst bekannt hatte, nachdem Informationen über den Bau dieser Anlage 30 km von der „heiligen Stadt“ Qom entfernt, an westliche Geheimdienste durchgesickert waren. Es ist der erste Besuch, den Teheran den internationalen Atomexperten in der in einem Berg versteckten Anlage gestattet, in der bis zu 4.000 Zentrifugen untergebracht werden sollen. Die Inspektoren prüfen, ob die Einrichtung tatsächlich nur zur friedlichen Nutzung der Kernenergie dienen werde, wie Teheran behauptet. Eine endgültiges Urteil wird sich jedoch nur schwer bilden lassen, da das Werk aber erst in etwa eineinhalb Jahren fertig gestellt sein wird, bisher dort wohl noch keine technischen Geräte aufgestellt sind und Teheran zudem einige Wochen Zeit hatte, um möglicherweise verdächtiges Material zu entfernen.
Eine reibungslose Inspektion besitzt für Iran, wie die internationale Gemeinschaft besondere Bedeutung, da sie die gegenwärtige Suche nach einem Kompromiss in dem jahrelangen schweren Konflikt zwischen der internationalen Gemeinschaft unter Führung der USA und der „Islamischen Republik“ über das iranische Atomprogramm stark beeinflussen könnte.
Auf diplomatischer Ebene spielen die Iraner nach altbewährter Methode aber auf Zeit und ließen eine von IAEA-Chef al-Baradei für vergangenen Freitag gesetzte Frist verstreichen. Während Russland, Frankreich und die USA bei Verhandlungen in Wien vergangenen Donnerstag einem Schlichtungsvorschlag Baradeis zugestimmt hatten, will Teheran erst Mitte dieser Woche Stellung beziehen. Man dürfe in dieser entscheidenden Frage nichts überstürzen, hieß es aus Regierungskreisen.
Der Kompromißentwurf sieht vor, dass der Iran den Großteil (1.200 kg) des in seinen Atomanlagen schwach angereicherten Urans zur weiteren Anreicherung nach Russland sendet, damit auch für die internationale Gemeinschaft klargestellt werden könnte, dass der Iran keine Atomwaffen bauen kann. Teheran argumentiert, dass es höher angereichertes Uran für medizinische Zwecke benötige. Der Deal könnte als wichtiger vertrauensbildende Maßnahme die festgefahrenen Atomverhandlungen wieder beleben.
Während die iranische Delegation in Wien in der Vorwoche positiv zu Baradeis Vorschlag reagiert hatte, mehren sich im Iran nun die Stimmen der Hardliner. Prominentester unter ihnen ist der ehemalige Atomunterhändler und derzeitige Parlamentspräsident, ein enger Vertrauter des „Geistlichen Führers“ Khamenei, Ali Laridschani, der nun ungewöhnlich scharfe Töne hören ließ: „Der Westen besteht auf der Fortsetzung seiner Strategie der Täuschung und will uns weiterhin seinen Willen aufzwingen.“ Zahlreiche Parlamentsabgeordnete sprachen sich offen gegen den Atom-Deal aus. Der Iran müsse bedenken, „dass die Länder, die vorgeschlagen haben, uns den nötigen Brennstoff für den Teheraner Reaktor zu liefern, die Durchführung eines diesbezüglichen Vertrages verzögern oder diesen gar annullieren könnten“, mahnt Alaeddin Boroujerdi, enger Verbündeter Präsident Ahmadinedschads und Vorsitzender des parlamentarischen Komitees für nationale Sicherheit.
Kritik iranischer Politiker richtet sich insbesondere gegen die große Menge des Urans (etwa 80 Prozent der Gesamtmenge), das an Russland weitergeleitet werden soll. Man verweist auf bittere Erfahrungen aus der Vergangenheit, als internationale Verträge nicht seriös eingehalten oder gar gebrochen worden seien. Dies hätte gravierende humanitäre Auswirkungen, da der Teheraner Reaktor entscheidende Bedeutung für die Behandlung von Krebs und anderen schweren Krankheiten besitzt. „Vergessen wir nicht, dass die letzte Lieferung von nuklearem Brennstoff für diesen Reaktor fünf Jahre dauerte. Die IAEA hatte sie 1988 gebilligt und sie wurde erst 1993 durchgeführt“, erinnert ein Teheraner Politologie-Professor. Der Fünf-Megawatt Reaktor arbeitet mit nur 60 Prozent seiner Kapazität, da der Vorrat an Brennstoff so niedrig ist und bereits in etwa einem Jahr erschöpft ist. Deshalb auch betont man in Teheran, man müsse selbst das Uran anreichern, wenn nicht rasch eine Entscheidung mit der internationalen Gemeinschaft gefunden wird, die auch iranisches Misstrauen zerstreuen könne.
Sonntag, 25. Oktober 2009
Birgit Cerha: In Teheran wächst das Misstrauen gegen einen Atomdeal
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