Durch Enthüllung einer geheimen Atomanlage in die Defensive gedrängt, lässt der Iran seine militärischen Muskeln spielen
Die Islamische Republik setzt im Atomstreit mit dem Westen nun voll auf Konfrontation. Nur zwei Tage, nachdem bekannt geworden war, dass der Iran eine zweite, bisher geheimgehaltene Anlage zur Anreicherung von Uran baut, demonstriert das Regime der Gottesmänner, dass es sich auch von heftiger Empörung im Westen und verschärften Drohungen nicht einschüchtern läßt. Doch wie so oft, dringen auch widersprüchliche Signale aus Teheran.
Um die Entschlossenheit, das als souverän empfundene Recht auf Entwicklung eines eigenen Atomprogramms (für friedliche Zwecke, wie das Regime stets behauptet), wenn nötig auch militärisch zu verteidigen, begannen die Revolutionsgarden Sonntag mit einer Serie von Raketentests. Die unter dem Titel „Der Große Prophet IV“ abgehaltenen Manöver sollen „die Verteidigungskapazität der Streitkräfte“ verbessern, heißt es dazu offiziell. Zwei Kurzstrecken-Raketen, Tondar und Fateh, mit einer Reichweite von 170 km wurden Sonntag getestet und Test mit Langstreckenraketen Schahab-3, die auch Israel erreichen können, sollen heute, Montag, folgen. Der Iran hatte im Vorjahr bereits neun Raketen, darunter auch Schahab-3 getestet und dies mit einer „Warnung“ an seine Feinde begründet.
Ungeachtet der großen Aufmerksamkeit die derartige Manöver international auslösen, weisen Militärexperten darauf hin, dass der Iran in seiner Raketenproduktion noch weit zurückliegt. Mit den ihnen derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln und Technologien könnten die Iraner nach Einschätzung des Think Tanks „East-West-Institute“ zwar „hypothetisch Raketen mit einer Reichweite von 3000 km und mehr bauen“, doch sie würden noch zehn bis 15 Jahre benötigen, um moderne ballistische Mittelstreckenraketen zu entwickeln, die Atomsprengköpfe tragen können.
Das Muskelspiel soll zweifellos dem durch die heftig umstrittene Präsidentschaftswahl im Juni schwer angeschlagenen Ahmadinedschad im Inneren, wie auch nach außen helfen, seine Legitimität zu stärken, die Iraner gegenüber den das Land verbal attackierenden Westen zu einen. In dieses Horn bläst auch der „Geistliche Führer“ Khamenei, dessen enger Berater Mohammadi-Golpayegani die nun bekannt gewordene Atomanlage in Qom als Zeichen dafür preist, dass der „Gottesstaat“ den „Höhepunkt seiner Macht“ erreicht habe. „Diese neue Anlage wird, so Gott will, schon bald im Einsatz stehen und wird die Feinde erblinden lassen.“
Der Iran hatte in einem erst Freitag bekannt gewordenen Brief an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) vergangenen Montag zugegeben, dass er auf einem Stützpunkt der Revolutionsgarden in Qom eine zweite Atomanlage neben Natans baue und kam damit nach Einschätzung westlicher Diplomaten einer Bekanntgabe dieser Information durch die USA zuvor, die diesbezügliche Berichte ihrer Geheimdienste noch überprüfen wollten. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe, nur wenige Tage vor der für 1. Oktober angesetzten Genfer Gespräche zwischen dem Iran und den fünf Mitgliedern des Weltsicherheitsrats plus Deutschland, verschärft das Gesprächsklima erheblich. So versuchen nun Ahmadinedschad und seine Atomunterhändler die Bedeutung der Anlage herunterzuspielen. Sie sei lediglich ein Pilotprojekt, noch längst nicht fertiggestellt und der Iran habe den Atomsperrvertrag keineswegs gebrochen, da er die IAEA mehr als 180 Tage vor Fertigstellung der Anlage darüber informiert habe. Doch laut IAEA ist Teheran nach einem 2003 vereinbarten Zusatzprotokoll verpflichtet, die Behörde bereits im Stadium der Planung derartiger Anlagen zu informieren.
Das Regime zeigt sich nun über die heftigen Reaktionen des Westen, die verschärfte Drohung von weitreichenden Sanktionen, die größere Bereitschaft Russlands, einer diesbezüglichen UN-Resolution zuzustimmen, überrascht und versucht, die Wogen durch Einladung internationaler Inspekteure zu glätten. Doch konkreten Termin für einen solchen Besuch nennen die Iraner nicht.
Was Teheran durch den Bau der Atomfabrik von Qom bezweckt, bleibt zunächst unklar. Sie könnte als Reserveanlage dienen, sollte Natans etwa durch einen israelischen Militärschlag zerstört werden. Westliche Experten befürchten jedoch, dass die Urananreicherung dort geheim bis zum Grad einer Nuklearexplosion vorangetrieben werden sollte.
Erschienen in der "Frankfurter Rundschau" am 28.09.2009
Montag, 28. September 2009
Birgit Cerha: Teheran heizt Spannungen auf
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