Massive Einschüchterungsversuche der Sicherheitskräfte am „Jerusalem-Tag“ – Regime zu fortgesetzter Repression entschlossen
Ungeachtet scharfer Drohungen des „Geistlichen Führers“ Khamenei und der mächtigen Revolutionsgarden an Irans „grüne“ Oppositionsbewegung, den „Al-Quds“-(Jerusalem)Tag nicht zu erneuten Massenprotesten gegen Präsident Ahmadinedschad zu nutzen, wagten sich Tausende, vielleicht Zehntausende Anhänger der beiden bei den Präsidentschaftswahlen im Juni unterlegenen Kandidaten, Mussawi und Karrubi, in die Straßen Teherans und anderer iranischer Städte, um erneut gegen die manipulierte Wahl Ahmadinedschads zu protestieren. Sie riefen „Nieder mit dem Diktator“ (gemeint ist Khamenei) und „Ahmadinedschad tritt zurück“.
Wie in den vergangenen Wochen verhinderte das Regime unabhängige Berichterstattung, wodurch ein vollständiges Bild der Ereignisse nur schwer möglich ist. Laut offizieller Nachrichtenagentur Irna wurde Mussawi durch eine Attacke von Anhängern Ahmadinedschads auf sein Auto gezwungen, sich von der Demonstration zurückzuziehen. Ebenso erging es Khatami, der in seinem Auto tätlich angegriffen, jedoch nicht verletzt wurde. Auch Karrubi wurde attackiert und musste die Demonstration verlassen. Mehrfach kam es offenbar auch zu Zusammenstößen zwischen Bassidsch-Milizen und Demonstranten.
Seit Gründung der „Islamischen Republik“ 1979 wird der letzte Freitag im Fastenmonat Ramadan als „Al-Quds“-Tag zu Demonstrationen gegen Israels Besatzungspolitik begangen. Die Oppositionsbewegung wollte ihn diesmal zu einem „Grünen Tag“ umfunktionieren. Doch nach Augenzeugenberichten war das Aufgebot der Anhänger Ahmadinedschads und der Sicherheitskräfte weit stärker. Der Präsident leitete seine Rede zu diesem Tag mit der üblichen Attacke gegen Israel und der erneuten Leugnung des „Holocausts“ ein, während seine Anhänger brüllten: „Amerika, wir kennen deine Pläne. Amerika, Israel, das ist unsere letzte Botschaft an euch. Die Armee der Gerechtigkeit ist zum Einsatz bereit.“ Während der im Staatsfernsehen übertragenen Rede forderten Demonstranten laut den Rücktritt des Präsidenten.
Mussawi und Karrubi hatten gehofft, der durch massive Repression unterdrückten „Grünen“ Bewegung mit einer starken Kundgebung neue Lebenskraft einzuhauchen. Dabei hätte der lange so mächtige Ex-Präsident Rafsandschani, der seit drei Jahrzehnten das Freitagsgebet am Al-Quds Tag hielt, eine entscheidende Rolle spielen sollen. Doch Rafsandschani, der – vorsichtig – mit der Opposition sympathisiert hatte, trat nicht auf. An seiner Stelle sprach der Ahmadinedschad nahe stehende erzkonservative Ayatollah Ahmad Khatami. Dies ist der jüngste deutliche Hinweis darauf, dass es Khamenei und Ahmadinedschad – vorerst – gelungen ist, Rafsandschani in den Hintergrund zu drängen und damit der „Grünen“ Bewegung einen mächtigen Verbündeten zu rauben.
Unterdessen hängt über den drei Oppositionsführern weiterhin das Damoklesschwert. Während fast alle von Mussawis Mitstreitern im Gefängnis sitzen und auch Karrubi massiv unter Druck gerät, konnte sich Khamenei bis heute nicht zur Verhaftung dieser populären Reformer entschließen. So manche politische Kreise in Teheran sind davon überzeugt, dass das Regime einer Inhaftierung Mussawis, Khatamis und Karrubis nicht standhalten könnte. Radikale Kreise und insbesondere die Revolutionsgarden, haben in den vergangenen Wochen – vergeblich - versucht, den Dreien durch lautstarke Drohungen den Mund zu stopfen. Am Mittwoch warnte der neue Justizchef, Sadegh Laridschani: „Alle, die das System durch die jüngsten Unruhen und Gesetzesübertretungen unterminieren, müssen wissen, dass die Justiz nicht schweigend zusehen und die notwendigen Schritte gegen sie setzen wird, wo immer sie sich aufhalten.“ Zugleich warnte der stellvertretende Führer der Revolutionsgarden, Modschtaba Zolghadr, davor, die Oppositionsführer durch Verhaftung zu Helden zu machen. „Diese Leute“ müssten vielmehr politisch getötet werden. In der Vorwoche hatte Khamenei seine Drohungen gegen die Opposition wiederholt und „eine sehr harte Reaktion“ angekündigt, „wenn das Schwert gegen das Establishment’“ gerichtet werde.
Der Druck auf Andersdenkende macht auch vor den höchsten Geistlichen nicht Halt. So wurden nach einem Bericht der oppositionellen Taghir-Website drei Enkelkinder des hochangesehenen Großayatollah Montazeri, sowie Kinder des führenden Theologen in Qom, Hossein Mousavi Tabrizi, unter Hausarrest gestellt. Kurz zuvor hatte Montazeri in einem offenen Brief darüber geklagt, dass der Iran heute von einer „Militärregierung“ beherrscht werde und davor gewarnt, dass das Regime das Schweigen der Großayatollahs zu illegalen Aktionen nutze.
Freitag, 18. September 2009
Birgit Cerha: Irans Opposition wagt erneute Proteste
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