Mächtiger Ex.Präsident ermutigt die „grüne Bewegung“ unter Mussawi und entflammt die Debatte über die Legitimität der Präsidentschaftswahlen im Iran neu
Die Kluft in Irans höchster Führung klafft weiter. Die Hoffnung des „Geistlichen Führers Khamenei und der ihm ergebenen Hardliner, der mächtige Rivale, Ex-Präsident Rafsandschani, werde der Oppositionsströmung die Reste von Mut zum Widerstand gegen den höchst zweifelhaften Ausgang der Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni nehmen, erfüllte sich nicht. Bei dem mit Hochspannung erwarteten Freitagsgebet stellte sich Rafsandschani nicht, wie von den radikalen „Prinzipientreuen“ im Regime gedrängt, ausdrücklich hinter „eine Administration (gemeint ist jene Präsident Ahmadinedschads), die dem Willen des Volkes entsprang“. Er gratulierte dem umstrittenen Präsidenten nicht zu seiner Wiederwahl, sondern ignorierte den Befehl Khameneis, die Diskussion über den Wahlausgang, dieses „Geschenk Gottes, das über jeden Zweifel erhaben ist“, zu beenden. Vielmehr wies Rafsandschani auf die weit verbreiteten Zweifel am offiziellen Wahlsieg Ahmadinedschads hin und betonte die Notwendigkeit das Vertrauen der Bevölkerung wieder herzustellen. Er gab damit der durch die Repressionen der vergangenen Wochen massiv eingeschüchterten Oppositionsbewegung neuen Auftrieb.
Das allwöchentliche Freitagsgebet besitzt im politischen Leben der „Islamischen Republik“ zentrale Bedeutung. Es bietet meist den Ultras eine Plattform zur Darlegung ihrer Strategien, für Attacken gegen die „Weltarroganz“ (den Westen), Israel oder die USA, aber auch gegen interne Gegner. Khamenei hatte am 19. Juni das Freitagsgebet gewählt, um den Sicherheitskräften „grünes Licht“ zur hemmungslos brutalen Niederschlagung der Wahlproteste zu erteilen. Dass Rafsandschani, der sich im Wahlkampf hinter Mussawi gestellt hatte, nun wieder dort auftreten konnte, zeigt dass der von Khamenei und Ahmadinedschad in die Enge getriebene Ex-Präsident seine starke Position nicht verloren hat.
Die Tatsache, dass Rafsandschanis erste klare Stellungnahme zum dramatischen Konflikt um die Präsidentschaftswahlen nur vom staatlichen Radio, nicht jedoch vom Fernsehen direkt übertragen wurde, illustriert jedoch die enorme Nervosität, die dieser Auftritt unter den Ultras ausgelöst hat. Ahmadinedschad zog es vor, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen und stattete lieber dem weit im Osten gelegenen Pilgerzentrum Maschad einen Besuch ab.
Ein Großaufgebot an Sicherheitskräften und paramilitärischen Bassidsch hatte – offenbar weitgehend vergeblich – versucht, der „grünen Bewegung“ des offiziell unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mussawi die wichtige Plattform des Freitagsgebetes zu verwehren. Mussawi selbst zeigte sich dort zum erstenmal seit Wochen wieder öffentlic und Tausende seiner Anhänger hatten sich eingefunden und mit dem Ruf „Allah-u Akbar“ (Gott ist Groß) ihrem Widerstand gegen Khamenei kundgetan. Die Sicherheitskräfte versuchten vergeblich die Versammelten mit Tränengas und Schlagstöcken einzuschüchtern. Wie in den vergangenen Wochen, kam es auch Freitag wieder zu Festnahmen.
Energisch kritisierte Rafsandschani brutalen Repressionen gegen friedlich Demonstrierende, „In der gegenwärtigen Situation ist es nicht nötig, dass wir Menschen in Gefängnisse stecken….wir sollten ihnen die Rückkehr zu ihren Familien gestatten.“ Zugleich bekräftigte der Geistliche, der seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Säulen des islamischen Regimes ist, die dringende Notwendigkeit zur Einheit, um eben dieses Regime zu erhalten. Daran hegt Rafsandschani, der laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ in den drei Jahrzehnten der „Islamischen Republik“ zu einem der reichsten Männer der Welt aufgestiegen ist, auch höchstes persönliches Interesse.
Wiewohl die Herzen der Iraner diesem als korrupten Machtmenschen verschrienen Geistlichen keineswegs zufliegen, gilt er doch als der wohl einzige Politiker, der den Weg des „Gottesstaates“ zur blutrünstigen Diktatur bremsen, der Khamenei zu einem Kompromiss gegenüber den Wünschen solch breiter, sich nach Freiheit sehnenden Bevölkerungsschichten bewegen könnte. Er berief sich auf eine der Grundlehren seines Mentors, Revolutionsführer Khomeini: „Die Legitimität des Staates entspringt der Zustimmung durch die Bevölkerung. Wir müssen das Vertrauen der Menschen wieder gewinnen.“ Zugleich setzte sich Rafsandschani für eine „offene Gesellschaft“ ein, in der „die Menschen sagen können, was sie wollen.“
In ersten Reaktionen zeigten sich Anhänger Mussawis enttäuscht, dass Rafsandschani nicht noch entschiedener Partei für ihre Bewegung ergriffen hatte. Doch dieser Meister des komplizierten Ränkespiel iranischer Politik hat wohl eine noch härtere Konfrontation mit Khamenei vermieden, um sich damit eine Chance für einen „Deal“ hinter den Kulissen zu sichern. Dass Khamenei daran großes Interesse haben muß, zeigte sich erneut am Donnerstag, als der Chef des Atomenergieprogramms, der mit Mussawi befreundete Gholamreza Aghazadeh, überraschend zurücktrat. Zudem hat sich auch eine wachsende Zahl von hohen Geistlichen offen hinter Mussawi gestellt und Ahmadinedschad kämpft mit wachsenden Problemen eine ihm loyale Regierung zusammenzustellen, die sein radikales Programm auch durchsetzen könnte.
Höchste Priorität aber besitzt das Ende der blutigen Repression. Nach informierten Kreisen sind immer noch an die 4000 Menschen, darunter die meisten führenden Reformer, Menschenrechtsaktivisten, viele Intellektuelle und Journalisten, in Gefängnissen. Mehr als 80 Personen wurden von den Sicherheitskräften ermordet, Unzählige sind verschollen.
Freitag, 17. Juli 2009
Birgit Cerha: Rafsandschani bietet Khamenei die Stirn
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