Mit seiner mutigen und klaren Botschaft an die islamische Welt nährt der US-Präsident viele Hoffnungen
Die Vision einer neuen Ära des friedlichen Zusammenlebens im gegenseitigen Respekt und Vertrauen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen, die US-Präsident Obama Donnerstag vor der Würdenträgern der angesehenen Al-Azhar Universität in Kairo, Studenten, Vertretern der Bürgergesellschaft und der ägyptischen Opposition unter teils emphatischen Applaus dargelegt hat, wird Kommentatoren der Region noch lange beschäftigen. Kein Zweifel, viele Menschen in der Region werden den Ton von Obamas Rede, seine versöhnlichen und klaren Worten als Bruch mit der Vergangenheit werten, insbesondere mit Jahren der Bush-Administration. In ersten Reaktionen heben arabische Kommentatoren die Demut dieses Führers der Supermacht hervor, der der islamischen Welt nicht eine Lektion erteilte, sondern eher als Freund auftrat, der Fehler – etwa im Irak oder durch Folter im Anti-Terror-Krieg – eingestand und dem Islam höchsten Respekt erwies. Die Erinnerung an die großen Kulturleistungen des Islams auch in Europa wird Obama in der islamischen Welt noch mehr Herzen geöffnet haben. Er wird vielen Muslimen, die im Westen all zu oft nur negative Darstellung erfahren, das Gefühl eines berechtigten Stolz auf ihrer Vergangenheit vermitteln. Es war eine Rede, die sich gegen Stereotype und Vorurteile von allen Seiten wandte und versuchte, Brücken zu schlagen.
Von den sieben Problemkreisen, die Obama ansprach, besitzt der „gewaltsame Extremismus“ (wie ihn Osama Bin Ladens Al Kaida oder die Taliban und deren Sympathisanten betreiben) zentrale Bedeutung. Er forderte klar die islamische Welt auf, diese extremistischen Randgruppen nicht zu tolerieren. Für eine wirkungsvolle Isolation dieser Militanten ist jedoch die Lösung des palästinensisch-israelischen Kernproblems entscheidende Voraussetzung. Und hier zeigen bereits erste vorsichtige Reaktionen aus radikalen Palästinenserkreisen, dass Obama den richtigen Weg eingeschlagen hat: Bei allem Respekt für die Rechte der Juden und Israelis und des unverbrüchlichen Bundes mit den USA, machte Obama deutlich, dass Israel seine Siedlungspolitik in besetztem Palästinensergebiet stoppen müsse. Dass er „den richtigen und nicht den einfachen Weg“ gehen wolle, vor offenen Worten auch gegenüber Freunden nicht zurückscheuen werde, gibt Arabern Hoffnung Obama werde als „ehrlicher Makler“ den Friedensprozess vorantreiben. Damit steigt auch die Chance, dass sich Hamas allmählich zum Gewaltverzicht überreden lässt.
Auf weithin positives Echo stoßen auch Obamas Worte zum Irak. Ohne seinen Vorgänger offen zu kritisieren, stellte er klar, dass er diesen Krieg nicht befürwortet hatte und legte seine außenpolitische Linie fest: Diplomatie und internationaler Konsens. Diese Abkehr vom teils gewaltsamen Interventionismus seines Vorgängers wird in der Region höchst befriedigt aufgenommen. Die Taten zu diesen Worten sollen schon bald folgen, wenn sich die US-Truppen bis Ende 2011 aus dem Irak zurückziehen. Obama bekannte sich erneut zu dem von ihm festgelegten Zeitplan und betonte unter freudigem Applaus, dass die USA keinerlei Anspruch auf irakisches Territorium oder irakische Bodenschätze erheben und auch keine militärischen Stützpunkte errichten würden. Er versuchte damit eine in der Region weit verbreitete Sorge zu zerstreuen.
Arabische Kommentatoren stellen befriedigt fest, dass Obama nicht ein einziges Mal das Wort „Terror“ oder „Terroristen“ verwendete, sondern immer wieder zum gemeinsamen Gespräch drängte. Auch durch sein Bekenntnis zu demokratischen Werten, die er jedoch – im Gegensatz zu Bush – der Region nicht aufzwingen wolle, seine Bereitschaft Bürgerrechtsgruppen zu unterstützen, wird Obama Ängste von Oppositionellen in dieser von Autokraten beherrschten Region zerstreut haben, Ängste, sie könnten von diesem US-Präsidenten im Stich gelassen werden.
Auch in der Frage des iranischen Atomprogramms wird Obama viele Gemüter beruhigt haben. Während er sich erneut klar gegen Atomwaffen für den Iran aussprach, setzte er sich für eine weltweite atomare Abrüstung ein. „Kein einziger Staat darf darüber bestimmen, wer Atomwaffen besitzt.“ Damit gab er eine Antwort auf die in der arabischen Welt weit verbreitete Kritik an der westlichen Doppelmoral, die dem Iran Atomwaffen verbietet und über Israels schweigt.
Die Tatsache, dass Bin Laden und Irans „Geistlicher Führer“ schon vor Obamas Rede gegen die Botschaft der Versöhnung wetterten, lässt erkennen, wie sehr diese Extremisten den neuen Kurs der verhaßten Supermacht fürchten. Auch wenn sich in den nächsten Wochen in der Region Skeptiker und Kritiker Gehör verschaffen werden, die Grundaussage der Botschaft Obamas wird zweifellos die Stimmen der Radikalen ertränken. Nun aber sind die Muslime am Zug.