Montag, 8. Juni 2009

Birgit Cerha: Libanesen verwehren Hisbollah den Sieg

Parlamentswahlen bestätigen bisherige Kräfteverhältnisse – Doch lässt sich das gespaltene Land zusammenhalten?
Saad Hariri schwelgt in Euphorie: „Es ist ein großer Tag in der Geschichte des demokratischen Libanon.“ Der Führer des pro-westlichen Blocks „14. März“ meint damit die Niederlage, die er seinen Gegnern des „8. März“ unter Führung der schiitischen Hisbollah bei den Parlamentswahlen im Libanon vergangenen Sonntag zugefügt hat. Tatsächlich verhindert Hariris Wahlerfolg, dass der Libanon vollends in den syrisch-iranischen Einflusskreis abdriftet, wie es die pro-westlichen Kräfte im Levantestaat und ihre westlichen und arabischen Freunde gefürchtet hatten. Das Schreckgespenst einer „islamischen Republik“ ist wieder vom Horizont verschwunden – ein Ziel überdies, zu dem sich Hisbollah nie bekannte, das ihr aber ihre Gegner stets unterstellen.

„Sie (die Macht der Hisbollah) wurde gebrochen“, triumphieren die Hariri freundlich gesinnten Medien und selbst Paul Salem, Chef des in Beirut stationierten „Middle East Carnegie Centre“, meint hoffnungsvoll, der „Libanon ist in eine neue Phase getreten“.

Siegesfreude aber ist fehl am Platz. Das geben auch Kommentatoren in unabhängigen Medien zu verstehen. „Die Wahlen haben ein gespaltenes Parlament hervorgebracht. Müssen wir uns für eine neue politische Krise rüsten“, fragt „As-Safir besorgt. Denn trotz massivsten Engagements, trotz der äußerst großzügigen Hilfe der saudischen Freunde, die Tausenden im Westen lebenden Libanesen eine kurze Heimkehr zur Stimmabgabe durch Entschädigung des Kostenaufwandes ermöglicht hatten, konnte der Hariri-Block seinen Vorsprung im 128-köpfigen Parlament kaum ausbauen. Er konnte seine Mandate um lediglich eins auf 71 ausweiten. Die Hisbollah-Allianz erhielt 57. Damit sind die Kräfteverhältnisse, die bereits die vergangenen vier Jahre das Land politisch vollends gelähmt hatten, fast gleich geblieben.

Eine entscheidende Rolle bei diesem Wahlausgang kam der christlichen Minderheit zu, die – wie so oft in der Geschichte in sich tief gespalten ist: ein Teil ist mit Hariri alliiert, ein anderer, insbesondere die „Freie Patriotische Bewegung“ unter Ex-General Michel Aoun, steht im Bund mit Hisbollah und anderen Schiiten. Aoun gelang es nicht, das christliche Lager voll auf seine Seite zu ziehen. Viele Christen fürchteten, durch ihre Stimme für Aoun Hisbollah und damit Irans Einfluß im Libanon zu stärken. Am Vorabend der Wahl hatte noch der Patriarch der katholischen Maroniten die christlichen Wähler vor den Gefahren gewarnt, die ihrem christlichen Lebensstil drohten.

Auch die Angst vor einem erneuten Krieg mit Israel, vor internationaler Isolation, noch mehr sozialen Nöten durch eine Hisbollah-Regierung bewog viele Christen, sich – trotz Unzufriedenheit mit der bisherigen Regierung – auf die Seite des Hariri-Lagers zu schlagen. Mehrmals hatten in den vergangenen Tagen israelische Führer indirekt mit einem erneuten Militärschlag gegen den Libanon gedroht, sollte Hisbollah bei den Wahlen siegen. Zudem gaben israelische Führer zu verstehen, dass der Libanon dann als „Terror-Staat“ zu werten sei. Und US-Vizepräsident Biden hatte bei seinem jüngsten Libanonbesuch eine weitere US-Hilfe von einem Sieg des Hariri-Blocks abhängig gemacht.

Aoun und Hisbollah gestanden unverhohlen ihre Niederlage ein. So manche politische Analysten in Beirut vertreten sogar die Ansicht, dass ein klarer Wahlsieg mit Regierungsverantwortung gar nicht unbedingt im Interesse von Hisbollah-Chef Nasrallah gelegen sei. Denn eine von ihm geführte Regierung würde international mit enormen Problemen zu kämpfen haben. Schmerzhafte internationale Isolation, ein Stopp der ökonomisch lebenswichtigen Hilfe Saudi-Arabiens und der Golfstaaten könnte Hisbollah im Land viel Popularität kosten. Als de facto Staat im Staat besitzt Hisbollah weit größeren Spielraum und muß keinerlei außenpolitische Rücksichten nehmen.

Das größte Problem ist nun, ob es Hariri gelingt, eine Regierung zu bilden. Er streckt der Opposition die Hand entgegen. Schon ist von einem „Kabinett der nationalen Versöhnung“ die Rede. Doch in entscheidenden Fragen ziehen beide Lager an gegensätzlichen Strängen. Hisbollah beharrt auf dem ihr im Doha-Versöhnungsabkommen vor fast frei Jahren zugestandenen Vetorecht in der Regierung. Davon will Hariri nichts mehr wissen, denn de facto können die Schiiten alle ihnen unliebsamen Entscheidungen blockieren, an erster Stelle die Entwaffnung der Hisbollah. So haben auch Sprecher der Organisation rasch und deutlich davor gewarnt, sie zu entwaffnen.

Dennoch hofft Washington nun, die durch diese Wahlen nicht weiter ermutigte Hisbollah und ihre iranischen und syrischen Verbündeten würden die Bemühungen um einen Frieden in Nahost nicht intensiv blockieren. US-Militärhilfe in Millionenhöhe zur Stärkung einer neutralen libanesischen Armee ist sichergestellt, in der Hoffnung, die Streitkräfte würden ein Abrutschen des Landes in einen erneuten Bürgerkrieg verhindern und ungeachtet ihrer militärischen Unterlegenheit Hisbollah in Schach halten.

Doch dass dieser Wahlausgang intern das Land aus der Krise und zu den dringend nötigen politischen Reformen führen könnte, ist höchst zweifelhaft.

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