Mittwoch, 3. Juni 2009

Birgit Cerha: Islamische Welt hofft auf Obamas „Neuanfang“

Kann der „neue Ton“ des US-Präsidenten Jahren der Animosität ein Ende setzen und gegenseitiges Vertrauen aufbauen?
Kairos Strassen sind blitzblank gekehrt, verdächtige Orte in der Millionenmetropole nach Bomben durchsucht, zahlreiche mutmaßliche Extremisten, darunter eine Gruppe islamischer Studenten aus der ehemaligen Sowjetunion, abgeführt. Mit Hochspannung warten die Menschen in diesem Herz der arabischen Welt auf Barack Obama, der heute, Donnerstag, als erster amerikanischer Präsident von der angesehenen Al-Azhar Universität eine „historische Botschaft“ an die islamische Welt richtet.

Den Auftakt zu seiner kurzen Reise in eine der turbulentesten Regionen der Welt setzte Obama Mittwoch in Saudi-Arabien. Zielorte und Zeitpunkt dieser Besuche hatte er mit Bedacht und Gefühl für historische Zusammenhänge gewählt. So erinnern Islam-Experten daran, dass sich in dieser Zeit vor 1380 Jahren muslimische Heere unter Mohammeds Führung erstmals mit christlichen (byzantinischen) eine blutige Schlacht lieferten und dass vor zwei Jahrzehnten Irans Revolutionsführers Khomeini starb. Vor allem gedenken Muslime in diesen Tagen auch der Wiedererrichtung des in einem muslimischen Bürgerkrieg zerstörten Kaaba-Steines im Herzen Mekkas, wohin jährlich Millionen Gläubige pilgern.

Zugleich dokumentiert Obama, indem er dem ägyptischen Präsidenten Mubarak und dem saudischen König Abdullah die Ehre gibt, die Führungsrolle dieser beiden Verbündeten in der arabischen Welt. Dass er bei dieser wichtigen Reise Israel auslässt, erfüllt so manche Kommentatoren in der Region mit Befriedigung und Hoffnung darauf, dass Washington unter Obama seine Nahostpolitik nicht mehr ganz so einseitig zugunsten Israels ausrichten werde.

Eine Welle von gutem Willen und Interesse schwappt dem amerikanischen Gast entgegen, wie keinem seiner Vorgänger. Kommentare zeigen eine ungewöhnliche Offenheit und Bereitschaft zum gemeinsamen „Neubeginn“, um der düstersten Periode in den amerikanisch-islamischen Beziehungen der acht Jahre unter George Bush ein Ende zu setzen und den Weg der Versöhnung zu beschreiten. Dieser vorsichtige Optimismus, der vielen Menschen in der Region wieder ein wenig Mut gibt, entspringt der charismatischen Persönlichkeit dieses christlichen Afro-Amerikaners, der selbst islamische Wurzeln hat und durch Kindheitsjahre in Indonesien schon früh mit der islamischen Welt vertraut wurde. Der Optimismus wurde schließlich genährt durch Obamas Wahl eines arabischen Fernsehsenders für sein erstes Interview als US-Präsident mit internationalen Medien und die Friedensbotschaft, die er von Ankara aus an die islamische Welt richtete: „Wir führen keinen Krieg gegen den Islam und werden dies auch niemals tun.“

In der Region schätzt man die Anzeichen, dass Obama tatsächlich, wie er verspricht, einen deutlichen Bruch mit der Ära Bush in Angriff nimmt: Truppenabzug aus dem Irak, Schließung des berüchtigten Gefangenenlagers in Guantanamo-Bay, ein Ende der Folter und Bereitschaft zu offenen Meinungsverschiedenheiten mit Israel, auch wenn Premier Netanyahu energisch den von Obama geforderten Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen in West-Jordanien ablehnt. Netanyahus dezidiertes „Nein“ mindert die Chance, Saudi-Arabien könnte es trotz seines starken Einflusses gelingen, Israel noch weitere Voraus-Zugeständnisse zu machen, um den Friedensprozeß in Gang zu bringen. Auch in Riad herrscht die Überzeugung, die Arabische Liga könnte nicht über die 2002 gemachten Konzessionen (volle Anerkennung Israels bei Abzug aus den 1967 besetzten Gebieten und Zustimmung zu einer „gerechten Lösung“ für das palästinensische Flüchtlingsproblem) hinausgehen.

Die arabische, ja die islamische Welt insgesamt, erhofft sich von Obama vor allem einen neuen Stil, ein Ende der Politik der Demütigung und der Respektlosigkeit. Mit Hochspannung erwartet man dabei, welche Position Obama in Kairo in der Frage Demokratie vertritt. Es ist ein schwieriger Seiltanz. Bushs Demokratisierungs-Kampagne wurde im Mittleren Osten als hypokritisch angesehen, insbesondere wegen der Kriege gegen die Diktaturen in Irak und Afghanistan und der Weigerung mit der islamistischen Hamas, trotz deren Wahlsiegs in Palästinensergebieten Kontakt aufzunehmen. Wird es Obama gelingen, sich für die allgemein gültigen Menschenrechte und Freiheiten einzusetzen, ohne – wie einst Bush – den Eindruck zu erwecken, er wolle der Region „amerikanische Werte“, wenn nötig auch gewaltsam, aufzwingen? Demokratische Kräfte, Menschenrechtsaktivisten erfüllt mit Sorge, Obama könnte in Kairo eine „Politik des Realismus“, wie man sie nun in Washington zu verfolgen scheint, (d.h. Stärkung der Stabilität in einer Region, die – vielleicht? - für Demokratie „noch nicht reif“ ist), bekräftigen. „Wenn er zur Frage der Menschenrechte keine klare Position bezieht“, meint Bahi Eddin Hassan, Direktor des Kairoer Menschenrechts-Instituts, „könnte er als Förderer der Repression missverstanden werden“. Dann würde die Welle der Hoffnung rasch verebben.