Raketentest setzt Auftakt zu einem erbitterten Ringen um die Präsidentschaft im Iran – Khamenei hinter „anti-westlichem“ Kandidaten
Irans Präsident Ahmadinedschad sucht zum Auftakt seiner Kampagne für eine zweite Amtsperiode zu schärfster Rhetorik Zuflucht. Er spricht von einer „Hölle“, in die der „Gottesstaat“ jeden Ort verwandeln könnte, von dem auch nur eine Kanonenkugel gegen die „Islamische Republik“ abgefeuert würde und stellt damit nicht nur klar, dass er ungeachtet des von US-Präsident Obama angekündigten Ultimatums an einer militant-unnachgiebigen Linie festzuhalten gedenke. Er verkündete den Iranern als Beweis für die wachsende Stärke der Nation unter seiner Führung einen erneut erfolgreichen Test einer Mittelstrecken-Rakete. Obama hatte Teheran aufgefordert, bis zum Jahresende auf seine diplomatischen Annäherungsversuche zu reagieren und ernsthaft Verhandlungen über sein Atomprogramm zu beginnen. Zugleich droht die UNO mit verschärften Sanktionen, wenn der Iran nicht sein Uran-Anreicherungsprogramm stoppt.
Die „Sedschil 2“-Rakete, die mit einer Reichweite von mehr als 2000 km Ziele in Israel, in Südeuropa und US-Stützpunkte am Persischen Golf erreichen könnte, habe ihr Ziel genau getroffen, erklärte Ahmadinedschad stolz. Bereits im November hatte der Iran eine „Sedschil“-Rakete getestet und diese als eine neue Generation von Boden-Boden-Raketen bezeichnet.
Westliche Militärexperten sehen den jüngsten Test als lediglich einen weiteren Schritt im Raketenprogramm, das – wie Israel und der Westen befürchten – dem Iran eines Tages das Trägersystem für Atomwaffen liefern soll. Insbesondere hoffen die Iraner, mit ihrer laufenden Serie von Raketentests Israel und die Amerikaner von Militärattacken gegen ihre Nuklearanlagen abzuschrecken. Nach einem Bericht des „EastWest Institutes“ kann der Iran aufgrund der ihm nun zur Verfügung stehenden Technologie theoretisch Raketen mit einer Reichweite von mindestens 3000 km bauen. Doch nach Einschätzung dieses angesehenen Think-Tanks benötigt er noch zehn bis 15 Jahre, um ballistische oder Interkontinental-Rakete mit Atomsprengköpfen zu bestücken.
Der Zeitpunkt des jüngsten Tests ist freilich nicht zufällig gewählt. Am selben Tag hatte der zwölfköpfige „Wächterrat“ der „Islamischen Republik“, der über die Zulassung von Kandidaten für Wahlen entscheidet, seinen Ausscheidungsprozeß für die insgesamt mehr als 450 Bewerber um die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni bekannt gegeben. Nur vier Männer – alle erfahrene Politiker – dürfen antreten. Ahmadinedschad steht ein harter Konkurrenzkampf insbesondere gegen zwei der Gegenbewerber bevor: Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karrubi und der bis heute wegen seiner effizienten Wirtschaftspolitik in der Zeit des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 1988) sehr populäre ehemalige Premierminister Mir Hussein Mussavi, hinter den sich prominente Reformer stellen, an der Spitze Ex-Präsident Khatami.
Beide den Reformern nahe stehende Kandidaten können sich auch einflussreiche Stimmen aus dem konservativen Lager sichern, während der vierte Kandidat, der 55-jährige ehemalige Kommandant der Revolutionsgarden Mohsen Rezai, Ahmadinedschads Hausmacht der Radikalen spaltet. Rezai, ein Mann höchst zweifelhaften Rufs, besitzt unter den vier Kandidaten wohl die geringsten Siegeschancen. Seine Kandidatur lässt jedoch darauf schließen, dass es dem „Geistlichen Führer“ Khamenei nicht gelungen ist, die konservativen Fraktionen hinter dem Präsidenten zu vereinen. Rezai ist einer von fünf einstigen iranischen Führern, deren Auslieferung Argentinien wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei einem Terroranschlag gegen ein jüdisches Zentrum 1994 fordert.
Alle drei Herausforderer kritisieren scharf Ahamdinedschads katastrophale Wirtschafts- und seine aggressive Außenpolitik. Rezai spricht gar von einem „Abgrund“, in den der Iran unter einer erneuten Führung Ahmadinedschads zu stürzen droht. Alle drei setzten sich für eine „Politik der Entspannung“ mit dem Westen ein, wiewohl nicht offen für einen Stopp des Uran-Anreicherungsprogramms. Khamenei lässt indirekt keine Zweifel an seiner Vorliebe für den Präsidenten und – was iranische Beobachter besonders alarmiert – gibt den paramilitärischen Bassidsch, den Revolutionsgarden und anderen Kräften des Regimes zu verstehen, dass er – wie bei der ersten Wahl Ahmadinedschads – gegen Wahlmanipulationen nichts einzuwenden haben dürfte.