US-Präsident Obama baut verbale Brücken zur islamischen Welt – Doch nur wenn den Worten auch Taten folgen lässt sich Vertrauen aufbauen
„Ein Wendepunkt“, „eine frische Brise“: Medien und Politiker der arabischen, der islamischen Welt werden nicht müde, US-Präsident Obama in hoffnungsfrohen Worten als „Brückenbauer“ zu feiern, seine „mutige, demütige und ehrliche“ Friedensbotschaft an die Muslime („Die USA stehen nicht in einem Krieg mit dem Islam“) in ihrer weit reichenden Bedeutung zu analysieren. Libyens Revolutionsführer Gadafi hält Obama gar für „ein Leuchtfeuer in der Finsternis des Imperialismus“, da er den Muslimen Respekt zollt.
Es ist Obamas Abkehr von der Arroganz seines Vorgängers Bush, von der wiederholten Demütigung der Welt des Islam, die im Mittleren Osten einen tiefen Eindruck hinterlässt, Obamas Bruch mit der Islamophobie, die seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Handeln der US-Führer in den Augen vieler Menschen der Region beherrschte. Mit seinen milden, beruhigenden Worten hätte er den von Bush geprägten Begriff der „Achse des Bösen“ (Saddam Husseins Irak, Iran, Nord-Korea und Syrien) aus der Welt geschafft. „Hierin liegt die größte Bedeutung (von Obamas Aussagen), dass es keine Stereotypen über ‚Gute’ und ‚Böse“ mehr gibt“, analysiert der ägyptische Politiker Ezzedine Choukri. „Stattdessen werden wir uns künftig mit Sachfragen befassen und darüber mit verschiedenen Ländern diskutieren.“
Auch aus höchsten religiösen Kreisen kommt Lob für den Amerkaner, der den Dialog zwischen Islam und dem Westen fördere, so Scheich Abdel Fattah Alaam, hoher Repräsentant der Kairoer Al Azhar Universität, und zur Verbreitung von Toleranz und Gerechtigkeit beitrage. Selbst konservative islamische Würdenträger zeigen sich beeindruckt: Die islamische Welt müsse positiv reagieren, fordert Nimaa Al-Abadi von der einflussreichen schiitischen Hochschule im irakischen Nadschaf und einer der höchsten schiitischen Autoritäten, der libanesische Groß-Ayatollah Mohammed Hussein Fadlallah, geistlicher Mentor der Hisbollah, preist Obamas „Ernsthaftigkeit“ und „menschliche Werte“, doch man müsse ihn an seinen Taten messen.
In Saudi-Arabien spricht Scheich Mohammed al Nujaimi die Hoffnung vor allem pro-westlicher, gemäßigter Kreise der Region, wie des saudischen, ägyptischen oder jordanischen Regimes aus, dass Obamas Botschaft den radikalen, gewalttätigen Islamisten den Boden entziehen werde. Diese neue Position der USA würde es weit schwieriger machen, „junge Muslime für Terrorattacken zu rekrutieren, da ihnen die Argumente ausgehen“, meint Nuhaimi, der als führendes Mitglied eines Komitees zur Rehabilitierung militanter Muslime über reiche Erfahrung im Umgang mit Extremisten verfügt. Bush, darin sind sich viele gemäßigte Muslime einig, „war ein Segen für radikale Ideologen“, da er es ihnen so einfach machte, Amerika zu dämonisiseren. Al-Kaida Führer wie Ayman al-Zawahiri erkannten dies schon früh und begannen Obama in Videobotschaften zu attackieren, bevor er überhaupt sein Amt angetreten hatte.
Doch Bushs Haß-Ideologie hat in der arabischen Welt tiefe Spuren hinterlassen. So hochwillkommen Obamas sanfte Rhetorik auch sein mag, die Wunden sitzen tief. Nach den ersten euphorischen Kommentaren gewinnt die Skepsis an Boden. Zahlreiche politische Analytiker befürchten, Obama habe Erwartungen auf einen tiefgreifenden Wandel in der US-Politik gegenüber der Region geweckt, die er nicht werde erfüllen können. Aus Umfragen geht längst hervor, dass die Lösung des Palästinenserproblems durch Gründung eines eigenen Staates höchste Priorität in den Erwartungen vieler Menschen von den US-Politik besitzt. Wiewohl ein immer wieder von manchen Kreisen insbesondere im Westen heraufbeschworener „Konflikt der Kulturen“ zwar Spannungen verschärfte, liegt „das eigentliche Problem“ zwischen dem Westen und der islamischen Welt „nicht im Glauben, sondern in der Außenpolitik, vor allem der amerikanischen Unterstützung Israels und diverser Diktatoren und Autokraten in der arabischen und asiatischen Region“, stellt der libanesische Kommentator Rami Khouri fest. Und er kritisiert Obamas „leere Verallgemeinerungen“, mit denen er die islamische Welt angesprochen hätte. Sie ließen auf ein Zögern im politischen Umgang mit dieser Region erkennen.
Dieser Kritik schließen sich auch andere an, allen voran die Palästinenser. Während man weithin Obamas wiederholte Bekräftigung der “Zweistaatenlösung“ preist, lebt die Sorge vieler fort, auch Obama werde, wie seine Vorgänger, Israel nicht zu Zugeständnissen drängen. Nichts lässt vorerst erkennen, dass der US-Präsident bereit sein könnte, mit gemäßigteren Kräften der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah in Dialog zu treten. Wenn von Friedensverhandlungen die Rede ist, dann befürchten viele Palästinenser, dass Israel durch seine Siedlungspolitik bereits die Gründung eines Palästinenserstaates unmöglich gemacht habe. Als ersten großen Test für die wahren Intentionen Obamas sieht man die Frage, ob Obama die neue radikale israelische Regierung, die von einem Palästinenserstaat nicht einmal in der Theorie etwas wissen will, zu einem Stopp der Besiedlung westjordanischen Landes zwingen werde.
Auch im Irak weckt Obama gemischte Gefühle. Wiewohl die arabischen Iraker einhellig die Entschlossenheit zum Rückzug der US-Truppen aus dem Lande begrüßen, irritiert viele die Tatsache, dass mindestens 50.000 Mann noch für unabsehbare Zeit im Land verbleiben werden.
Dennoch werden die Iraker Obama letztlich danach beurteilen, ob die USA ihre Heimat endlich zu Sicherheit und Stabilität zu führen vermögen.
Aus dem Iran, dem Obama in seiner Mittelostpolitik allerhöchste Priorität einräumt, blieben bisher positive Reaktionen aus. Man müsse die Botschaften des US-Präsidenten erst einmal sorgfältig analysieren, heißt es, während Präsident Ahmadinedschad klarstellt, dass es in der Atompolitik keine Zugeständnisse geben könne. In politischen Kreisen Teherans misstraut man dem Amerikaner, der zwar, im Gegensatz zu Bush, auf offene Drohungen verzichtete, dennoch sehr deutliche Worte fand: die Führer der „Islamischen Republik müssen entscheiden, ob sie (Atom-)Waffen oder eine bessere Zukunft für ihre Bevölkerung bauen wollen…“ Solche Worte erzürnen die islamischen Herrscher, bleibt doch bisher unbewiesen, dass sie überhaupt Atomwaffen bauen. Dass Obama Teherans Forderung nach Anerkennung als gleichwertigen Gesprächspartner erfüllen könnte, vermag man in der „Islamischen Republik“ deshalb nicht zu erkennen. „Obama muß seinen Worten Taten folgen lassen“, stellt Ahmadinedschad in einem Interview mit „Der Spiegel“ klar, sonst könne von einem von einem „Neuanfang in den Beziehungen“ keine Rede sein.
Während Präsident Assad, mit dem Obama eine vorsichtige Annäherung begann, seine Bereitschaft zur Vermittlung im Iran-Konflikt bekundet, irritiert viele Syrer, wie andere arabische Kreise die latente westliche Doppelmoral, an der sich auch der neue US-Präsident orientiere. „Wie kann er über Atomwaffen in der Region reden, den Iran erwähnen und Israel völlig ignorieren, das über mehr als 500 atomare Sprengköpfe verfügt“, eine Frage, die viele stellen.
Im Grunde scheine sich Obama auf die Erhaltung des Status quo in der Region zu konzentrieren, meint der Orient-Experte Joshua Landis und er versuche, die Radikalisierung durch eine Mischung von Einbindung gemäßigt-militanter Kräfte und kleinen Zuckerbroten, wie die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen etwa zu Syrien und die Aufhebung von Sanktionen gegen Damaskus abzuschwächen. Etwas weniger pessimistisch sieht es Rami Khouri: Die Region werde nun gespannt auf die politischen Zeichen warten, die Obamas „netter Rhetorik“ folgen sollten.