Wie eine amerikanisch-iranische Journalistin in den Hexenkessel des Machtkampfes in der „Islamischen Republik“ geriet
Geiselnahmen, Verhaftungen, Gefängnis, ja gar Todesurteile zählen zu den Methoden der „Islamischen Republik“, außenpolitische Signale zu setzen oder auf westliche Mächte Druck auszuüben. Faradsch Sarkuhi, iranischer Journalist mit engen Beziehungen zu Deutschland, musste dies in den 90er Jahre erfahren und hätte fast mit seinem Leben bezahlt, weil das iranische Regime durch Exekutionsdrohung gegen ihn ein Berliner Gericht von der Verurteilung der Mörder von vier iranisch-kurdischen Oppositionellen abhalten wollte. Vergeblich. Internationaler Druck rettete Sarkuhis Leben und Freiheit.
Jüngstes Opfer solch barbarischer Methoden ist die 31-jährige amerikanisch-iranische Doppelstaatsbürgerin Roxana Saberi, die nach einem geheimen Schnellverfahren des Revolutionsgerichts Samstag wegen Spionage für die USA zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Amerikanisch-iranische Doppelstaatsbürger sind seit einigen Jahren im Iran besonderen Gefahren ausgesetzt. Sie gelten als Hauptverdächtige für die Durchsetzung der vom amerikanischen Ex-Präsidenten Bush entwickelten Strategie der „sanften Revolution“ zum Sturz des iranischen Regimes durch interne Subversion. Dafür ließ Bush auch Millionen von Dollar springen. Mehrere Doppelstaatsbürger waren in den vergangenen Jahren wegen Spionageverdachts verhaftet worden, doch keiner wurde angeklagt. Alle erlangten wieder ihre Freiheit. Saberi ist der erste Fall einer – zudem noch extrem harschen – Verurteilung.
Die heute 31-jährige Tochter eines Iraners und einer Japanerin wurde in den USA geboren, schloß in Minnesota ein Universitätsstudium in Massenkommunikation und Französisch ab.
Nachdem sie 1997 zur Miss North Dakota gekürt worden war, zog sie vor sechs Jahren in den Iran, um dort iranische Studien zu absolvieren und ein Buch über das Leben im Iran zu schreiben. Gleichzeitig arbeitete sie als Journalistin für amerikanische Fernsehsender und das britische BBC. 2006 wurde ihr von den Teheraner Behörden die Akkreditierung entzogen, doch Saberi stellte ihre journalistische Arbeit nicht ein.
US-Präsident Obama reagierte Sonntag vorsichtig, aber tief enttäuscht über das Urteil und Außenministerin Clinton versprach, sich voll für ihre Freilassung zu engagieren. Behauptungen des Richters, Saberi hätte von Regierungsbeamten Informationen und Dokumente gesammelt und dem US-Geheimdienst übergeben, weisen die US-Behörden energisch zurück. Beweise präsentierte das iranische Gericht bisher keine.
Die Entwicklung in Saberis Fall nährt den Verdacht, dass die junge Frau tatsächlich in den Hexenkessel politischer Machenschaften geraten ist, dass radikale Kräften im Regime ihre Kontrolle der Sicherheitsapparate nicht nur für persönliche Zwecke, sondern auch zur Verfolgung politischer Interessen nutzen, die Journalistin missbrauchen, um die Annäherung zwischen den USA und Iran zu boykottieren. Roxanas Verhaftung im Januar – offiziell wegen des Kaufs einer Flasche des Muslimen verbotenen Weins – fiel mit der Inauguration Obamas zusammen, der schon im voraus die Absicht eines direkten Dialogs mit Teheran bekundet hatte. Kurz nach Obamas Friedensbotschaft zum iranischen Neujahr, Nowruz, am 21. März, bezichtigten iranische Ankläger Saberi illegaler journalistischer Aktivitäten und der plötzliche Vorwurf der Spionage fiel zusammen mit dem – bemerkenswerterweise vom iranischen Außenministerium eifrig dementierten – Händedruck zwischen dem US-Afghanistan-Unterhändler Holbrooke und dem stellvertretenden iranischen Außenminister bei der jüngsten Afghanistan-Konferenz in Den Haag. In der Vorwoche führte Holbrooke eine kurze Konversation mit Irans Außenminister Mottaki bei einer Konferenz in Tokio, während sich die Anzeichen auf amerikanische Entschlossenheit mehren, mit dem Iran in direktem Dialog zu treten mehren.
Der Fall Saberi baut sich nun als neue Hürde in der Annäherung zwischen den beiden Erzfeinden auf. Einerseits geht es den Iranern zweifellos darum, bei möglichen Gesprächen mit den USA vom Atomprogramm abzulenken, an dem sie demonstrativ festzuhalten gedenken. Das Schicksal von drei amerikanisch-iranischen Bürgern – neben Saberi die im Oktober verhaftete Frauenrechtlerin Esha Momeni, die zwar derzeit in Freiheit ist, doch das Land nicht verlassen darf, und der mit Zigarettenschmuggel befasste Privatdetektiv Rober Levinson, der 2007 auf der iranischen Insel Kish verschwand - sollte nun im Zentrum eines Dialogs und eines möglichen Handels stehen. Teheran geht es um die Freilassung von drei iranischen Diplomaten, die seit 2007 von US-Truppen im Irak ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden.
Während weite Kreise der iranischen Bevölkerung und auch Kräfte im Regime eine Annäherung an die USA befürworten, sehen mächtige Radikale ihre Interessen und ihren Einfluß durch eine Versöhnungspolitik ernsthaft gefährdet. Wer in diesem Tauziehen die Oberhand gewinnt, entscheidet über Roxana Saberis Schicksal.