Chancen auf Wiederwahl des Iranischen Präsidenten am 12. Juni steigen – Ein Urnengang mit gravierenden Auswirkungen auf die gesamte Region
Viele hatten gehofft, andere hatten befürchtet, Irans Präsident Ahmadinedschad werde „überredet“, auf eine Wiederkandidatur bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni zu verzichten. Der „Geistliche Führer“ und mächtigste Mann in der „Islamischen Republik“, Ali Khamenei, so die Hoffnung, würde den aggressiven Präsidenten von der politischen Bühne drängen, um einen „großen Handel“ mit dem Erzfeind USA zu ermöglichen. Nach einem anderen Szenario würde Ahmadinedschad selbst das Handtuch werfen, nachdem sich, die Kommandanten der Revolutionsgarden die Unterstützung versagen.
„Politische Astrologen“ im wirren iranischen „Himmel“ sehen unterdessen Ahmadinedschads Stern immer heller leuchten. So hegt etwa ein Teheraner Universitätsprofessor, der angesichts des angespannten Klimas im Iran lieber anonym bleiben will, klare Anzeichen dafür, dass sich Khamenei nun für weitere vier Jahre für Ahmadinedschad entschieden hat. Auch offiziell stellten sich eben zwei einflussreiche Fraktionen der Konservativen, „Osulgarayan“ (Prinzipalisten) im iranischen Sprachgebrauch genannt, hinter den Präsidenten: die „Islamische Revolution Fraktion“, eine neue Gruppe von 90 der 290 Parlamentsabgeordneten, und eine Koalition von 14 konservativen Gruppen, die zwar ebenfalls die erneute Kandidatur unterstützen, sich jedoch „interne Kritik“ vorbehalten will.
Die Erklärungen der beiden Fraktionen sind bemerkenswert, denn der Präsident war in den vergangenen Monaten zunehmend heftig im eigenen Lager, insbesondere in dem von Prinzipalisten dominierten Parlament, kritisiert worden. Dort hatte eine wachsende Zahl von Abgeordneten wegen Ahmadinedschds wilder Rhetorik, seiner oft als dilettantisch und katastrophal empfundenen Politik ernsthaft erwogen, ihre Stimme dem angesehenen ehemaligen Premierminister Mir Hossein Mousavi, der sich nun als Reform-Kandidat präsentiert, zu geben. Nun aber dürfte der Präsident nach jüngsten inoffiziellen Umfragen bereits 200 Abgeordnete hinter sich haben.
Diese zehnten Präsidentschaftswahlen könnten sich nach Einschätzung politischer Beobachter in Teheran als die wichtigsten seit Gründung der „Islamischen Republik“ vor 30 Jahren, für den Iran, doch darüber hinaus für die gesamte Region erweisen. Intern geht es darum, ob die Menschen in einem geschlossenen, repressiven System ausharren und die Hoffnung auf Freiheit verlieren müssen; nach außen steht Irans Position als aggressiv expandierende Regionalmacht im Konkurrenzkampf mit den an Einfluss verlierenden USA auf dem Spiel
Wiewohl Buhmann des Westens und vom Großteil der gebildeten städtischen Bevölkerung des Irans gehasst, kann sich Ahmadinedschad als Champion der Unterprivilegierten vor allem auf die arme ländliche Bevölkerung stützten. Seine revolutionäre Hausmacht wertet seine Außenpolitik als Erfolg. Vier Jahre lang widerstand er immerhin konsequent internationalem Druck, das Atomprogramm aufzugeben und nun verzichtet US-Präsident Obama gar auf die von seinem Vorgänger Bush gestellten Vorbedingungen für Kontakte mit Teheran. Der Preis der internationalen Isolation erscheint diesen Kreisen angesichts solcher „Erfolge“ als weniger bedeutend. Intern nennen Sympathisanten Ahmadinedschads größte Schwäche nicht so sehr die orientierungslose Wirtschaftspolitik, sondern die Unfähigkeit, reiche und korrupte Geistliche zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses schon vor fünf Jahren gegebene Wahlversprechen will der Präsident nach eigenen Aussagen in seiner zweiten Amtsperiode endlich durchsetzen.
Noch freilich hat Ahmadinedschad seine Kandidatur nicht einmal angemeldet. Er wolle die Konservativen zuvor hinter sich scharen, stellt ein Vertrauter des Präsidenten klar. Einflussreiche Kreise, wie die Ayatollahs und Großayatollahs in der heiligen Stadt Qom, der Khamenei treu ergebenen „Militanten Vereinigung der Geistlichen“ oder Parlamentspräsident Ali Laridschani haben ihre Präferenzen noch nicht bekannt gegeben. Unklar ist vorerst auch noch, ob die Konservativen – etwa in der Person Laridschanis oder des ehemaligen Kommandanten der Revolutionsgarden und gegenwärtigen Sekretär der Versammlung zur Beaufsichtigung der Regierungspolitk („Schlichtungsrat“, Mohsen Rezai – einen Rivalen aufstellen. Ein Favorit, der Großbürgermeister?? Von Teheran, Qalibaf, springt nicht in den Ring, sondern – wohl ebenso schmerzhaft für Ahmadinedschad – übernahm die Wahlorganisation?? Für Musavi.
Die Reformer haben sich selbst geschwächt, indem sie sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnten. Zwei starke Rivalen – Mousavi und der Ex-Parlamentssprecher Mehdi Karubi - spalten dieses Lager und werden wohl kaum in der Lage sein, die ob des Scheiterns der Reformpolitik unter dem damaligen Präsidenten Khatami (1997 bis 2005) tief frustrierten Anhänger für die Stimmabgabe zu mobilisieren, ein Faktum, das den Konservativen nützen dürfte.
Ein iranischer Politologe sieht gravierende außenpolitische Gründe in der Entscheidung Khameneis für Ahmadinedschad. Im engsten Kreis um den „Höchsten Führer“ ist man vor allem skeptisch gegenüber der Politik Obamas, der bisher keinerlei versöhnliche Taten gegenüber dem Iran gesetzt habe. Da Washington vielmehr mit härteren Sanktionen droht, befürchtet man eine Fortsetzung der Linie Bushs, „nur mit netteren Worten“. Hinzu kommen eine neue radikale und aggressiv anti-iranische Regierung in Israel, wachsende Unruhe unter den Nachbarn Pakistan und Irak. „Kohmeini“, so der Politologe, „will in den nächsten vier Jahren nicht eine Taube in die Region entsenden, damit sie die Falken konfrontiert.“