20.4.bis 26.4.2009 in Wien
In der Volkshochschule im zehnten Wiener Gemeindebezirk wurde am 20. April die fünfte kurdische Buchmesse eröffnet, die eine Woche lang viele Bücher über und von Kurde ausstellt, sowie eine Serie von Veranstaltungen auf ihrem Programm hat. Diese Messe erfüllt eine äußerst wichtige Rolle im Bemühen um interkulturellen Dialog, für den Gedankenaustausch zwischen kurdischen und österreichischen Intellektuellen, und die Integration von Kurden in Österreich. Sie bietet vor allem auch Österreichern die Chance, ein wenig mit der ihnen im allgemeinen weitgehend unbekannten kurdischen Kultur und Literatur vertraut zu werden.
Die Tatsache, dass die Buchmesse bereits zu einer regelmäßigen Veranstaltung wurde und Jahr für Jahr eine größere Zahl von kurdischen und auch nicht-kurdischen Verlagen integrieren konnte, zeigt, dass hier bereits eine kleine Tradition entstanden ist, die unbedingt weiter am Leben gehalten werden muß.
Ich glaube, ich irre mich nicht, wenn ich feststelle, dass diese kurdische Buchmesse die einzige kurdische Aktivität auf dem Gebiet der kurdischen Kultur ist, die - in Österreich und auch europaweit – mit konsequenter Regelmäßigkeit stattfindet. Und sie besitzt damit ganz besondere Bedeutung. Komkar, das möchte ich hier betonen, hat sich schon lange in Europa durch die Organisation verschiedener Kulturveranstaltungen in verschiedenen Foren, durch Konferenzen und Festivals, durch Dialoge kurdischer Intellektueller verdient gemacht.
Der kurdischen Buchmesse kommt nach meiner Überzeugung vor allem auch deshalb eine besonders wichtige Rolle zu, weil das kurdische Buch, weil kurdische Publikationen das selbe schwere Schicksal erleiden wie das kurdische Volk insgesamt und seine Sprache. Bis vor kurzem war nicht nur die Publikation von kurdischen Büchern in der Türkei de facto verboten, sondern – wie Sie ja wissen – auch sogar die kurdische Sprache, ja die kurdische Identität überhaupt.
Auch wenn sich die Türkei in jüngster Zeit auf Druck der EU zu gewissen Lockerungen durchgerungen hat, bleibt die Frage der Kurden in diesem Land immer noch juridisch ungelöst. Bis heute wird Kurdisch in der türkischen Verfassung nicht anerkannt, ein Faktum, das enorme praktische Konsequenzen nach sich zieht. Im Irak haben unter der drei Jahrzehnte langen Herrschaft Saddam Husseins Kriege, Bombardierungen, Brandschatzungen, Plünderungen, Morde über Jahrzehnte kurdischen Intellektuellen und Kulturschaffenden den Atem, die Kreativität, Schriftstellern die Chance des Publizierens, all zu oft auch Freiheit und Leben geraubt. Im Iran und in Syrien sind Kurden und ihre Kultur bis heute massivem Druck ausgesetzt.
Die Liebe zur kurdischen Sprache, zu kurdischen Büchern in die Praxis umzusetzen, die Sehnsucht zu verwirklichen, in der Muttersprache zu schreiben und zu publizieren, liegt primär auf den Schultern kurdischer Intellektueller. Sie haben eine heilige Aufgabe zu erfüllen. Sie sind die einzigen, die mit ihren Werken die tiefen Wunden, die Jahrzehnte der Unterdrückung und Mißachtung in die kurdischen Seelen geschlagen haben, lindern, ja vielleicht sogar heilen können. Deshalb ist es auch so dringend nötig, die Liebe zum kurdischen Buch unter den Kurden zu wecken, zu nähren, zu stärken und die kurdische Kultur zu fördern, um der bedrohten kurdischen Identität mehr Widerstands-, mehr Überlebenskraft zu verleihen. Eine Messe, wie diese hier, leistet dafür einen wichtigen Beitrag. Es ist ein Anfang, der fortgesetzt werden muß, nämlich in den Heimatländern der Kurden, insbesondere in der Türkei. Somit übt diese Buchmesse sogar auch eine missionarische Rolle aus, indem sie zur Tradition wird, die in Istanbul, in Ankara weiterlebt und sich in Kurdistan von Stadt zu Stadt zieht.
Das „Institut für Kurdologie – Wien“ und insbesondere die „Kurdische Bibliothek Casme Calil“ in Eichgraben bei Wien atmen durch ihre Arbeit, ihre Aktivitäten den Geist der Liebe zum kurdischen Buch. Diese beiden Institution bemühen sich unter Leitung von Prof. Dr. Jalile Jalil das Bewusstsein kurdischer Intellektueller für ihre Kultur und Literatur, Respekt und Liebe für das kurdische Buch zu fördern, den literarischen Schatz durch die Publikation von Forschungsarbeiten über Literatur, Kunst und Musik zu erweitern. Ein Teil dieses Schatzes steht allen Interessierten jederzeit offen.
Birgit Cerha