Iran und die USA haben viele gemeinsame Interessen in der Region – und einen gemeinsamen Feind: sunnitischen Extremismus
Eine riesige Wandmalerei im Herzen Teherans erinnert die Bürger der Stadt an den wichtigsten Slogan, der den revolutionären Eifer der „Islamischen Republik“ bis heute lebendig erhalten soll: „Nieder mit den USA“ steht unter einer riesigen gemalten US-Flagge, die anstelle der Sterne Totenköpfe zeigt. Der Hass des Regimes auf den „Großen Satan“ sitzt in manchen Kreisen immer noch tief, auch wenn die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sich nach Aussöhnung sehnt. Aussöhnung erstreben aber auch Präsident Ahmadinedschad und höchste Repräsentanten in der islamischen Führung. Wenn US-Präsident Obama direkten Dialog mit dem Iran ankündigt, nehmen iranische Führungskreise dies mit Befriedigung zur Kenntnis, offen für ein Gespräch, an das sie allerdings eine Bedingung knüpfen: fundamentale Haltungsänderung der Supermacht gegenüber der „Islamischen Republik“, nicht Animosität, wie bisher, sondern Respektl
In politischen Kreisen Teherans hofft man, Obama hätte verstanden, dass sich die Politik der Drohungen als kontraproduktiv erweisen. Sanktionen setzen den Iranern zwar ökonomisch zu, verhärten jedoch eher die Position des Regimes in der Atomfrage, dem Hauptanliegen der US-Diplomatie.
Das Teheraner Regime sieht die amerikanisch-iranischen Beziehungen als ein endloses Geflecht von Problemen, die zur Gänze, in Form eines Art „großen Handels“ gelöst werden müssten, sollte die Feindschaft endlich zum Wohl aller überwunden werden. Seit Jahrzehnten herrschte unter den iranischen Führern die Überzeugung, dass sie ihre Regionalpolitik auf gegenseitige Animosität mit der Supermacht ausrichten müssten. Doch mehr und mehr setzt sich in Teheran die Erkenntnis durch, dass beide Seite gemeinsame Interessen verbinden. Beide bekämpfen den selben Feind, den sunnitischen Extremismus insbesondere in Afghanistan in Form der Taleban und der Al-Kaida. Deshalb bieten sich heute wichtige Möglichkeiten zur Kooperation insbesondere im Anti-Terror-Krieg, einem zentralen Anliegen der Obama-Administration, das vielleicht schließlich auch Kompromisse in der Atomfrage einleiten könnte.
Eine Verständigung über die Politik gegenüber Irak und Afghanistan könnte Kernpunkte eines amerikanisch-iranischen Abkommens bilden. Zwischen 2001 und 2003 hatten beide Seiten Geheimverhandlungen in Genf geführt. Teheran leistete den USA im Krieg gegen Al-Kaida und die Taleban wichtige Unterstützung. Doch dann brach Ex-Präsident Bush, verärgert über Irans Beharren auf seinem Atomprogramm, diese Kontakte ab. Unterdessen konnte die ‚“Islamische Republik“ dank des amerikanischen Feldzuges gegen ihren Erzfeind, den irakischen Diktator Saddam Hussein, ihren Einfluss im Irak entscheidend ausbauen. Derart geostrategisch gestärkt, hat Teheran heute über seine engen Bindungen an mächtige Schiitengruppen im Nachbarland den USA noch weit mehr an attraktiver Zusammenarbeit zu bieten. Seit einiger Zeit bemühen sich die Iraner demonstrativ ihren Willen zur Stabilisierung des Iraks zu bekunden, da anhaltende Turbulenzen im Nachbarstaat auch ihre Sicherheit gefährden. Zwar hat Teheran das Ende des Vorjahres vereinbarte amerikanisch-irakische Sicherheitsabkommen abgesegnet, doch in Regierungskreisen herrscht tiefe Skepsis, dass die USA tatsächlich, wie geplant, bis 2011 alle US-Truppen abziehen würden. Die Aussicht auf anhaltende US-Präsenz im Nachbarland, aber auch indirekten Einfluss, wie etwa über leitende Offiziere der von den Amerikanern aufgebauten und trainierten Sicherheitskräfte, irritiert die Iraner. Im Rahmen eines „großen Handels“ könnten, so meinen iranische Beobachter, Iraner und Amerikaner im Irak kooperieren und ein US-Abzug „wäre realisierbar“.
Entschieden aber lehnen die Iraner jeden Dialog mit den Taliban ab. Doch in den heikelsten politischen Fragen, der Fortsetzung des iranischen Atomprogramms und der Unterstützung anti-israelischer Extremistengruppen (Hisbollah im Libanon und der palästinensischen Hamas) erscheint eine Verständigung am schwierigsten. Dennoch könnte sich ein amerikanisch-iranischer Deal positiv auf die Suche nach Frieden zwischen Israelis und Palästinensern auswirken, meint der politische Stratege Amir Mohebbian, Anhänger Ahmadinedschads. „Es gibt zwei Ebenen der Politik gegenüber Israel: Slogans und Aktionen. Beide unterscheiden sich voneinander.“ Das Hauptproblem zwischen beiden Staaten ist nach iranischer Überzeugung Washingtons Widerstand gegen Irans Status als „Grossmacht in der Region“. Nur wenn dieser überwunden werde, könnte es eine echte Aussöhnung geben. Um als Grossmacht anerkannt zu werden, muss der Iran endlich aus der Isolation ausbrechen können. Hier liegt ein wichtiges Motiv auch radikalerer Kräfte des Regimes, wie jener um den Präsidenten, für eine Aussöhnung mit dem „Großen Satan“.