Dienstag, 27. Januar 2009

Birgit Cerha: Die verdorrten Rosen der Revolution


30 Jahre nach dem Sturz des Schahs entwickelt die „Islamische Republik“ einen neuen Totalitarismus – Die Herrschaft der Geistlichen ist an einem Kreuzpunkt
Als die „Air-France“-Maschine mit höchst revolutionärer „Fracht“ am 1. Februar 1979 über der iranischen Hauptstadt kreiste, da erfasste eine unübersehbare Menschenmenge eine Sturmwelle der Euphorie. Sechs Millionen Iraner, so erzählen Zeitzeugen, drängten sich auf den Zufahrtsstraßen zum Flughafen, auf Plätzen, Gehsteigen und Höfen. Das „Licht der Arier“ (wie sich der Schah, Herrscher auf dem Pfauenthron, nannte) war der düsteren Gestalt seines schärfsten religiösen Widersachers, Ruholla Khomeini, gewichen. Die von dem zornigen Ayatollah zuletzt vom französischen Exil aus entfachte islamische Revolution hatte der großen persischen Monarchie nach mehr als zweitausend Jahren ein Ende gesetzt. Die Rosenstöcke der Freiheit, der Demokratie und der nationalen Würde trugen reiche Knospen. Ein unterdrücktes, verarmtes und rückständiges Volk umarmte in grenzenloser Hoffnung diesen islamischen Geistlichen, der ihm eine aussichtsreiche Zukunft verhieß. Diese Begeisterung aus – fast – allen politischen Lagern für Khomeini und seine Botschaft, verlieh dem kämpferischen Gottesmann die kaum erhoffte Stärke, seine Ziele auch durchzusetzen. „Die islamische Revolution ist eine mächtige Woge, die den gesamten Mittleren Osten erfassen wird“, jubelten die Medien des Landes. Und die Welt zitterte.

Drei Jahrzehnte später planen Khomeinis „politische Kinder“ ein riesiges Freudenfest, einen Karneval für Millionen und eine Militärparade. Helikopter werden über dem Grabmal des unterdessen zum „Imam“ (von Gott ganz besonders Auserwählten) avancierten Gründers der „Islamischen Republik“ einen Regen von Rosen niederprasseln lassen. Doch selbst Khomeinis treueste Jünger glauben nicht, dass sich nur ein Bruchteil jener Menschenmassen zum Gedenken dieses dramatischen Bruchs in der iranischen Geschichte einfinden werden, als an jenem denkwürdigen Februartag vor 30 Jahren. Die Begeisterung ist verpufft, der revolutionäre Eifer erstickt, hoffnungsvolle Träume sind zerstoben. Die Sehnsucht bleibt ungestillt. Die Rosen sind verdorrt. Das trockene Gestrüpp blieb zurück und seine Dornen fügen tiefe Wunden zu.

Die alljährlichen Revolutionsfeiern, und dieses Jubiläum ganz besonders, sollen die ersterbende Glut der Revolution zu neuem Feuer entfachen. Doch das gelingt nicht. Die junge Generation, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, begreift die Euphorie der Väter für Khomeini und dessen Ideale nicht. Die Geistlichen konnten die Herzen der Kinder nicht erobern. Es bleibt nur die Knute zur Absicherung ihrer Macht. Und die setzen sie heute eifrig ein, wie schon lange nicht.

Drei Jahrzehnte nach Khomeinis Heimkehr sitzen seine Getreuen immer noch fest im Sattel. Doch eine tiefe Kluft trennt sie vom Großteil ihrer Untertanen. Und diese Kluft droht sich unüberwindbar zu erweitern. Der „Gottesstaat“ steht am Rande einer ökonomischen Implosion. Bis heute hat sich das Land immer noch nicht vom achtjährigen, vom Irak angezettelten Krieg (1980-88), der nicht nur mehr als 500.000 Iranern das Leben, sondern das Land mindestens 800 Mrd. Dollar und 60 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts gekostet hat, erholt. Dreieinhalb Jahre Präsidentschaft Ahmadinedschads, haben den Iran an den Rand eines Finanzchaos getrieben. Das Loch in der Staatskasse wuchs – ungeachtet hoher Ölpreise – unaufhörlich und der dramatische Preissturz der vergangenen Monate droht den Iran in die Katastrophe zu stürzen. Das Subventionsgeflecht, das der wachsenden Zahl der Armen das Überleben ermöglicht, ist unfinanzierbar geworden, während die Preise für Obst, Gemüse, Fleisch in die Höhe schnellen. Die Inflationsrate liegt bei 30 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei über 20. Jeder fünfte Iraner lebt unter der Armutsgrenze. Dringend nötige und immer wieder aufgeschobene Wirtschaftsreformen lassen sich in dieser Situation nicht anpacken. In den vergangenen sechs Jahren brachten reiche Iraner – darunter viele Profiteure des Regimes – insgesamt 300 Mrd. Dollar ins Ausland, vor allem in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Viele machen Ahmadinedschads fehlende Reformbereitschaft für die heraufziehende Katastrophe ebenso verantwortlich, wie für die aggressive Außen- und beharrliche Atompolitik, die den Iran in schmerzlicher Isolation hält. Doch die Fäden der Macht hält – wie einst Khomeini – dessen Nachfolger im Amt des „höchsten islamischen Rechtsgelehrten“, Ali Khamenei, fest in der Hand. Gemeinsam mit einem Team des politischen Establishments wird er auch darüber entscheiden, ob der „Gottesstaat“ die Chance ergreift, die ihm der neue US-Präsident Obama durch die Bereitschaft zum Dialog bietet. Ein Teil der iranischen Führung teilt die weitverbreitete Sehnsucht des Volkes nach Aussöhnung mit dem „großen Satan“ USA und Anschluß an die Welt. Doch radikale Kräfte, darunter skrupellose Profiteuere des Systems, ziehen eine Fortsetzung der bisherigen isolationistischen Politik vor. Die Präsidentschaftswahlen im Juni werden wichtige Weichen stellen. Sollte sich keine politische Neuorientierung ergeben, droht eine weitere Verkrustung der Herrschaft der „Gottesmänner“ und eine Verfestigung ihrer autoritären Strukturen.