Die Verlegung der Bundeswehr-Soldaten aus der Türkei weckt in Amman
große Hoffnungen und und könnte den Weg zu einer Stärkung des
Königreiches ebnen
von Birgit Cerha
Schon lange galt das kleine, rohstoffarme Reich mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern – davon etwa die Hälfte Palästinenser – als eine Art von „Stoßdämpfer“, an dem seit Jahrzehnten blutige Konflikte der Region abprallten. So gelang es auch König Abdullah diese Rolle zu perfektionieren, nachdem schon sein Vater Hunderttausende Flüchtlingen aus Palästina, dem Libanon, Libyen und dem Irak aufgenommen hatte. Ungeachtet der eigenen sozialen und ökonomischen Probleme hielt Abdullah seit 2011 die Tore des Königreiches für mehr als eine Million flüchtende Syrer offen. Die damit verbundene soziale Belastung, wie auch die stetig wachsende Gefahr eines Überschwappens islamistischen Radikalismus aus Syrien in das konservativ-gemäßigte Königreich verstand der Monarch mit eindrucksvollem Geschick und dank der wohl schlagkräftigsten Elite- und Anti-Terroreinheiten der Region, sowie einem mächtigen Geheimdienstapparat zu bannen. Ungeachtet einer stetig wachsenden Sympathie in der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung mit dem radikal-salafistischen Gedankengut (an die 2.000 Jordanier schlossen sich der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak an) blieb das politische System Jordaniens stabil und der König weithin geachtet, nicht zuletzt, weil er es versteht, sein Land zu einem unentbehrlichen Partner für alle jene in der Region und in der restlichen Welt aufzubauen, die eine Ende der Gewalt erstreben.
Diese Rolle Jordaniens gewinnt nun angesichts der Neuentwicklungen im Syrienkrieg zunehmend an Bedeutung. Seit der Rückeroberung Aleppos durch das Assad-Regime Ende des Vorjahres verlagert sich der Stellvertreter-Krieg in die südsyrische Wüste und rückt immer bedrohlicher an Jordaniens Grenzen. IS-Kämpfer kontrollieren Gebiete des an Jordanien grenzenden Teils der Wüstenregion Badia und in dieser Region zwischen Irak, Jordanien und Syrien wächst die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen amerikanischen und syrischen Streitkräften, die sich gegen die vermeintliche Absicht Washingtons wehren, hier eine dauerhafte Präsenz einzurichten. Die Gewalt droht hier auch für Jordanien bedrohlich zu eskalieren, wenn IS-Kämpfer ihre derzeit noch heißumkämpften Bastionen Rakka in Syrien und Mosul im Irak verlieren und in Badia neue Terrorstützpunkte aufbauen. Ob Abdullah im Falle einer derartigen Eskalation die Grenzen noch zu kontrollieren vermag, erscheint unwahrscheinlich.
So versucht sich der Monarch nun intensiv als Vermittler inbesondere zwischen Russland und den USA, um nach den Plänen der von Moskau, der Türkei und dem Iran initiierten Friedensgespräche eine von internationalen Truppen? Kontrollierte Sicherheitszone in Südsyrien aufzubauen?? Um diesen Plan durchzusetzen, braucht Abdullah dringend internationale Freunde. Ohne politische, diplomatische und finanzielle Unterstützung könnte das Königreich dem drohenden Ansturm von außen nicht gewachsen sein. Die Niederlage des IS in Syrien und im Irak würde einen großen Teil der jordanischen Jihadis heim nach Jordanien treiben mit enormen Gefahren für die interne Stabilität. Wenn es nicht gelingt, die katastrophale Situation der Hunderttausender syrischer Flüchtlinge zu verbessern, werden radikale Salafisten wie der IS und Al-Kaida ein größeres Rekrutierungsfeld gewinnen. Verstärkte finanzielle Hilfe in den Flüchtlingslagern des Königreiches ist vor diesem Hintergrund auch politisch von entscheidender Bedeutung.
Abdullah hofft auf verstärktes Engagement Deutschlands und der EU, um den politischen Prozess zur Lösung der Tragödie Syriens zu retten, bevor das Land unwiederbringlich im totalen Chaos versinkt und die Nachbarn mit sich reißt. Die Erhaltung der Stabilität Jordaniens besitzt auch für die EU zentrale Bedeutung.