Von Birgit Cerha
Palmyra, die antike Oasenstadt und Symbol eines friedlichen Zusammenlebens von Kulturen und Völkern auf dem Boden des heutigen Syrien, ist den Barbaren des „Islamischen Staates“ (IS) entrissen. Im fünfjährigen Krieg ist damit eine Wende eingetreten. Es ist der erste Sieg des Regimes gegen den IS und dessen bisher schwerste Niederlage. Zugleich gewinnt Assad mit seiner wiederholten Behauptung, dass nur er sein Land und die Welt vor dem tödlichen Krebsgeschwür des IS retten kann, ein wenig an Glaubwürdigkeit. Bis zum bitteren Ende werde nun der IS bekämpft, kündigt die Militärführung an, so als sei das Monster eben erst geboren.
Könnte das zynische Spiel dem Diktator tatsächlich die Macht retten? Seit 2011 hatte Assad versucht, sich als Vorkämpfer gegen den islamistischen Terror zu präsentieren und zugleich geheim alles getan, um die Gefahr so zu vergrößern, dass sein politisches Überleben für die internationale Gemeinschaft unverzichtbar würde. So schuf er Bedingungen, die den Aufstieg der Al-Kaida und später den Siegeszug deren abgespaltener „Tochter“ IS im Irak und in Syrien ermöglichte. Seine Streitkräfte verschonten dieTerrormiliz selbst dann, als sie ihre Brutalität gegen wehrlose Menschen, gegen Nicht-Muslime und gegen Kulturschätze auf einen weltweit schockierenden Höhepunkt trieb. Tatenlos nahm der Diktator den IS-Einzug in Palmyra und alle dort verübten Schandtaten hin. Freilich, dass nicht humanitäre Motive sein Verhalten prägen, hat der gelernte Augenarzt ausreichend bewiesen.
Hier liegt das verzweifelte Dilemma für die Syrer und für die internationale Gemeinschaft, wenn sich ihnen nun die Frage stellt, lieber ein Leben unter und mit Assad zu riskieren als eines in steter Angst vor der gefährlichsten Terrororganisation.
Assads Sieg in Palmyra war möglich geworden, weil er dank des anhaltenden Waffenstillstandes mit den Rebellen, von dem der IS und der Al-Kaida-Ableger al-Nusra ausgeschlossen ist, seine Truppen für die Befreiung der Oasenstadt zusammenziehen konnte. Dennoch wäre dieser Sieg ohne Hilfe Russlands aus der Luft und des Irans, sowie schiitischer Milizen aus dem Libanon, Irak und Afghanistan nicht möglich gewesen. Weit schwieriger aber wird sich die Befreiung der beiden IS-Hochburgen Rakka und Deir el-Zor erweisen, die sich Assads Militärs nun als nächstes Ziel gesetzt haben. Dort, in diesem politisch wichtigsten Zentrums des sog. „Kalifats“, steht für den IS weit mehr auf dem Spiel als in Palmyra und die hochmotivierten Jihadis werden diese Städte zweifellos mit weit größerem Einsatz verteidigen. Denn dieser Verlust würde die internationale Anziehungskraft der Organisation dramatisch schwächen.
Die - mehr und weniger - gemäßigte Opposition gegen Assad findet sich in einer verzweifelten Situation. Wie sehr sie und ihre Anhänger sich nach einem Ende Assads sehnen zeigten jüngste Ereignisse in der umkämpften Handelsmetropole Aleppo. Kaum kehrte dort durch den Waffenstillstand Ruhe ein, sammelten sich die Menschen zu friedlichen Demonstrationen gegen den Diktator. Die Jahre des Krieges, der Einsatz brutalster Waffen, erbarmungslose Zerstörung und Vernichtung menschlichen Lebens, das Aushungern ganzer Stadtviertel, haben den Hass auf Assad nur noch gesteigert. Kaum eine wichtige Rebellengruppe will sich mit ihm abfinden, ausgenommen vielleicht die Kurden, die für den Einsatz ihres Lebens im Kampf gegen den IS und um die von ihnen kontrollierten Gebiete von der arabischen Opposition schon jetzt um ihre politischen Rechte betrogen werden, nicht einmal am Verhandlungstisch sitzen dürfen.
Noch mehr Blutvergießen, Rache, Folter, Tod und eine unendliche Sehnsucht nach einem Ausweg aus dieser Hölle - ist das Syriens unmittelbare Zukunft nach dem Sieg von Palmyra? Ein Friede zeichnet sich für das gequälte Land nicht ab und wer noch Kraft und Mut dazu findet, wird die Flucht wagen.
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