Bei ihrer bisher größten und entscheidenden Offensive gegen den
„Islamischen Staat“ stützen sich die irakischen Streitkräfte auf eine
„Geheimwaffe“: General Suleimani
von Birgit Cerha
Jahrzehtelang galt er in politischen und militärischen Kreisen der
Region als der „mächtigste und geheimnisvollste Mann des Mittleren
Ostens“: General Qasem Suleimani, Oberkommandierender der für geheime
Auslandseinsätze zuständigen „Al-Quds“-Brigaden der iranischen
Revolutionsgarden. In der Öffentlichkeit zeigte er sich nie. Fotos des
heute 58-Jährigen kursierten nur ganz wenige. US-Militärs halten ihn für
eine „wahrhaft üble Figur“. Suleimani agierte in der Welt der
Verschwörung und geheimer Gewalt und dies vor allem gegen die
strategischen Interessen der USA.
Nun zeigt sich der gefürchtete General ganz offen, iranische
Medien publizieren Fotos und die Nachrichtenagentur „Fars“ berichtet
seit Beginn der Großoffensive iraksicher Streitkräfte gegen das vom
„Islamischen Staat“ (IS) besetzte Tikrit, nördlich von Bagdad, intensiv
über die zentrale Rolle Suleimans in dieser vielleicht schicksalhaften
Operation zur Befreiung der strategisch wichtigenHeimatstadt des
gestürzten Diktators Saddam Hussein. Ein Foto zeigt Suleimani im Kreise
irakischer Befehlshaber im Umfeld von Tikrit, wie Fars betont. In die
Kämpfe verwickelte schiitische Milizen bestätigten gegenüber der
britischen BBC die Schlüsselrolle Suleimanis in dieser Offensive, an
deren Planung auch andere Offiziere der Revolutionsgarden teilgenommen
hätten. Suleimani gilt als „Geheimwaffe“ der Schiiten im Irak. Sein
militärisches Engagement im Nachbarstaat ist keineswegs neu. Neu
hingegen ist das offene Auftreten dieses Mannes, den westliche
Geheimdienste für zahlreiche Terror-Operationen in der
Regionverantwortlich machen.
Gleich nach der Eroberung der zweitgrößten irakischen Stadt Mosul
durch den IS im Juni 2014 war Suleimani nach Bagdad geeilt, um eine
Strategie für die Rückeroberung der verlorenen irakischen Territorien zu
erarbeiten, irakische Schiiten zu trainieren, mit Waffen auszustatten
und den weiteren Vormarsch dieser mörderischen Sunniten-Miliz zu
stoppen. Damit fand sich Teheran, das unter Suleimans geheimer Leitung
jahrelang irakische Milizen im Kampf zur Vertreibung der seit dem Sturz
des Diktators Saddam Hussein 2003 im Irak stationierten US-Soldaten
höchst erfolgreich angeleitet hatte, plötzlich auf einer Seite mit dem
jahrzehntelangen Erzfeind USA in einem strategisch höchst bedeutsamem
Ringen um Macht und Einfluss in der Region. Dennoch schloss Washington
den Iran nicht in seine internationale Allianz gegen den IS mit ein.
Aber beide kämpfen seit Monaten auf einer Seite. Während die USA den
Luftkrieg gegen den IS anführen, hat der Iran eine zentrale Rolle auf
dem Boden übernommen, wobei nicht nur die von Teheran seit langem
unterstützten schiitischen Milizen dem IS die bisher empfindlichsten
Schläge zufügten, sondern iranische Generäle, darunter Suleimani,
wiederholt das Kommando übernahmen. Die offene Großaktion fand im August
2014 statt, als Zehntausende Bewohner der turkmenischen Stadt Amerli
in einer von Iranern kommandierten Offensive kurdischer und schiitischer
Einheiten befreiten. Teheran lieferte auch Waffen und Munition.
Nach Angaben schiitischer Milizionäre hatte Suleimani die
irakischen Kämpfer monatelang auf die Tikrit-Offensive vorbereitet. Der
General gilt nicht nur als hervorragender Stratege. Nachdem er 1998 das
Oberkommando der Al-Quds Brigaden übernommen hatte, baute er diese
Spezialeinheit zum mächtigsten Instrument der iranischen Außenpolitik
auf. Terror, Erpressung, Bestechung und Mord zählen zu seiner Strategie,
für die ihm die geheimen Kassen des Staates offen stehen und die
Unterstützung des „Geistlichen Führers“ Khamenei sicher ist. Er verfügt
über lange Erfahrungen im Guerillakrieg, zunächst im iranischen
Kurdistan, im Irak und in Syrien, wo er auf der Seite der Truppen
Präsident Assads den Jihadis des IS und „Al-Nusras“ empfindliche
Verluste zufügte. Hunderte seiner kampferprobten Brigaden leisteten
einer nach langem Krieg geschwächten und zunehmend demoralisierten
Armee entscheidende Hilfe. Der iranische General gilt unter
Militärexperten als der Architekt jener Strategie, durch die den
Assad-Kämpfern die Rückeroberung wichtiger Städte und Regionen und damit
eine Wende des Kriegsglücks gelang.
Sollte die Operation zur Befreiung Tikrits gelingen, könnten die
irakischen Streitkräfte schon früher als geplant den entscheidenden
Großangriff auf Mosul wagen. Ein militärischer Erfolg in Tikrit würde
den IS empfindlich schwächen, er wäre zugleich ein Sieg des Irans, der
damit seinen Einfluss auf den strategisch so wichtigen Nachbarn
entscheidend ausbauen könnte.
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