Mittwoch, 4. März 2015

Irans Schlüsselrolle im Kampf um Tikrit

Bei ihrer bisher größten und entscheidenden Offensive gegen den „Islamischen Staat“ stützen sich die irakischen Streitkräfte auf eine „Geheimwaffe“: General  Suleimani
 
von Birgit Cerha
 
Jahrzehtelang galt er in politischen und militärischen Kreisen der Region als der „mächtigste und geheimnisvollste Mann des Mittleren Ostens“: General Qasem Suleimani, Oberkommandierender der für geheime Auslandseinsätze zuständigen „Al-Quds“-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden. In der Öffentlichkeit zeigte er sich nie. Fotos des heute 58-Jährigen kursierten nur ganz wenige. US-Militärs halten ihn für eine „wahrhaft üble Figur“. Suleimani agierte in der Welt der Verschwörung und geheimer Gewalt und dies vor allem gegen die strategischen Interessen der USA.
Nun  zeigt sich der gefürchtete General ganz offen, iranische Medien publizieren Fotos und die Nachrichtenagentur „Fars“ berichtet seit Beginn der  Großoffensive iraksicher Streitkräfte gegen das vom „Islamischen Staat“ (IS) besetzte Tikrit, nördlich von Bagdad, intensiv über die zentrale Rolle Suleimans in dieser vielleicht schicksalhaften Operation zur Befreiung der strategisch wichtigenHeimatstadt des gestürzten Diktators Saddam Hussein. Ein Foto zeigt Suleimani im Kreise irakischer Befehlshaber im Umfeld von Tikrit, wie Fars betont.  In die Kämpfe verwickelte schiitische Milizen bestätigten gegenüber der britischen BBC die Schlüsselrolle Suleimanis in dieser Offensive, an deren Planung auch andere Offiziere der Revolutionsgarden teilgenommen hätten. Suleimani gilt als „Geheimwaffe“ der Schiiten im Irak. Sein militärisches Engagement im Nachbarstaat ist keineswegs neu. Neu hingegen ist das offene Auftreten dieses Mannes, den westliche Geheimdienste für zahlreiche Terror-Operationen in der Regionverantwortlich machen.
Gleich nach der Eroberung der zweitgrößten irakischen Stadt Mosul durch den IS im Juni 2014 war Suleimani nach Bagdad geeilt, um eine Strategie für die Rückeroberung der verlorenen irakischen Territorien zu erarbeiten, irakische Schiiten zu trainieren, mit Waffen auszustatten und den weiteren Vormarsch dieser mörderischen Sunniten-Miliz zu stoppen. Damit fand sich Teheran, das unter Suleimans geheimer Leitung jahrelang  irakische Milizen im Kampf zur Vertreibung der seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 im Irak stationierten US-Soldaten höchst erfolgreich angeleitet hatte, plötzlich auf einer Seite mit dem jahrzehntelangen Erzfeind USA in einem strategisch höchst bedeutsamem Ringen um Macht und Einfluss in der Region. Dennoch schloss Washington den Iran nicht in seine internationale Allianz gegen den IS mit ein. Aber beide kämpfen seit Monaten auf einer Seite. Während die USA den Luftkrieg gegen den IS anführen, hat der Iran eine zentrale Rolle auf dem Boden übernommen, wobei nicht nur die von Teheran seit langem unterstützten schiitischen Milizen dem IS die bisher empfindlichsten Schläge zufügten, sondern iranische Generäle, darunter Suleimani, wiederholt das Kommando übernahmen. Die offene Großaktion fand im August 2014 statt, als Zehntausende Bewohner der turkmenischen Stadt Amerli  in einer von Iranern kommandierten Offensive kurdischer und schiitischer Einheiten befreiten. Teheran lieferte auch Waffen und Munition.
Nach Angaben schiitischer Milizionäre hatte Suleimani die irakischen Kämpfer monatelang auf die Tikrit-Offensive vorbereitet. Der General gilt nicht nur als hervorragender Stratege. Nachdem er 1998 das Oberkommando der Al-Quds Brigaden übernommen hatte, baute er diese Spezialeinheit zum mächtigsten Instrument der iranischen Außenpolitik auf. Terror, Erpressung, Bestechung und Mord zählen zu seiner Strategie, für die ihm die geheimen Kassen des Staates offen stehen und die Unterstützung des „Geistlichen Führers“  Khamenei sicher ist. Er verfügt über lange Erfahrungen im Guerillakrieg, zunächst im iranischen Kurdistan, im Irak und in Syrien, wo er auf der Seite der Truppen Präsident Assads den Jihadis des IS und „Al-Nusras“ empfindliche Verluste zufügte. Hunderte seiner kampferprobten Brigaden leisteten einer  nach langem Krieg geschwächten und zunehmend demoralisierten Armee entscheidende Hilfe. Der iranische General gilt unter Militärexperten als der Architekt jener Strategie, durch die den Assad-Kämpfern die Rückeroberung wichtiger Städte und Regionen und damit eine Wende des Kriegsglücks gelang.
Sollte die Operation zur Befreiung Tikrits gelingen, könnten die irakischen Streitkräfte schon früher als geplant den entscheidenden Großangriff auf Mosul wagen.  Ein militärischer Erfolg in Tikrit würde den IS empfindlich schwächen, er wäre zugleich ein Sieg des Irans, der damit seinen Einfluss auf den strategisch so wichtigen Nachbarn entscheidend ausbauen könnte.
 

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