Obamas Strategie gegen den „Islamischen Staat“ kann nur in
Kooperation mit „akzeptablen“ lokalen Partnern Erfolg bringen – Doch wer
bietet sich dafür an?
von Birgit Cerha
Getrieben von der Sorge, nicht in einen blutigen Bürgerkrieg in
Syrien hineingezogen zu werden, setzt US-Präsident Obama in seinem Krieg
gegen den „Islamischen Staat“ (IS) voll auf die Kooperation
„gemäßigter“ lokaler Kämpfer. Während sich solche „akzeptable“ Partner
im Irak anbieten, stellt das blutige Chaos in Syrien die Amerikaner und
ihre westlichen Verbündeten vor ein quälendes Dilemma. So überrascht es
nicht, dass Obama bei der Präsentation seines Kriegsplans gegen IS nur
höchst vage von der Absicht sprach, eine „gemäßigte“ syrische
Rebellen-Einheit aufzubauen und die Zustimmung des US-Kongresses für ein
500-Mio.-Dollar Waffen- und Trainingsprogramm zu erwirken. Wer diese
5.000 „Rebellen“ sein sollen, die nach Aussagen des US-Generalstabschefs
Martin Dempsey in Saudi-Arabien, teilweise auf Kosten Riads taktisches
und strategisches Training erhalten, „mit leichten Waffen, Fahrzeugen
und diverser Grundausstattung wie Kommunikationsgeräten“ ausgestattet
würden, bleibt völlig offen. Obama kann sie nicht nennen und die Suche
nach ihnen wird sich als äußerst schwierig erweisen.
Angesehene Experten des militärwissenschaftlichen Verlages
„IHS-Jane’s“ und der „International Crisis Group“ stellten schon vor
Monaten fest, dass mehr als die Hälfte der Rebellen gegen das
Assad-Regime für einen „islamischen Staat“ kämpfende Jihadis oder noch
radikalere islamistische Extremisten vom Schlage des IS seien. Ihre
Dominanz der syrischen Kriegsszene hat sich seither noch verstärkt.
Ihnen, insbesondere IS, angeschlossen, haben sich unterdessen Tausende
ausländische Islamisten und gemeinsam haben sie wiederholt Massaker an
syrischen Minderheiten, vor allem Alawiten und Christen, verübt. Sie
kontrollieren heute, mit Ausnahme der von den Kurden dominierten
Gebiete, den gesamten östlichen Teil des Landes, darunter auch viele
syrische Ölfelder. Assads Streitkräfte konnten sie bisher nicht wieder
verjagen.
Zu Beginn der Rebellion gegen den Damaszener Diktator 2011
beschränkten die USA ihre Hilfe auf die gewaltlose politische
Opposition. Doch diese erwies sich als hoffnungslos desorganisiert,
zerstritten und fand keinen Rückhalt in der syrischen Bevölkerung. So
begann Washington „gemäßigte“ Rebellen zu unterstützen. Deren
Kommandanten aber klagen, Obama hätte sie nie ernst genommen und ihnen
die dringend geforderten schweren Waffen vorenthalten. Mit US-Hilfe
wurde schließlich im November 2012 der Dachverband pro-westlicher
Oppositionsgruppen, die „Syrische Nationale Koalition“ und deren
militärischer Zweig, der „Syrische Militärrat“ gegründet. Kern des Rates
bildete die von Deserteuren der Regierungsstreitkräfte geführte „Freie
Syrische Armee“ (FSA). Es erwies sich jedoch bald, dass die im
„Militärrat“ vertretenen Gruppen teilweise führungslos, schlecht
organisiert, untereinander zerstritten und sich gegenseitig bekämpfend
im Rivalitätskampf den Jihadis weit unterlegen waren. Immer mehr
„gemäßigte“ Kämpfer schlossen sich den Jihadis, darunter vor allem der
zunehmend erfolgreichen, mit dem Terrornetzwerk „Al-Kaida“ verbündeten
„Nusra-Front“ an. Schließlich fiel der „Rat“ im Dezember 2013 in die
Bedeutungslosigkeit, als die USA ihm jegliche Hilfe strichen, nachdem
radikale Islamisten die mit US-Waffen ausgestatteten Lagerhäuser der
gemäßigten Rebellen erobert hatten. Seither beschränkte sich Washington
in direkter Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst CIA auf die direkte
Unterstützung von etwa einem Dutzend Rebellenkommandanten in Nord-Syrien
und 60 kleinen Gruppen im Süden. Der Kontakt mit der „FSA“ wurde
weitgehend abgebrochen.
Als Nusra, IS und die „Islamische Front“, der im November 2013 mit
Unterstützung der Türkei und Katars gegründete Dachverband von sieben
Islamisten-Gruppen, die größten Geländegewinne erzielen konnten,
schlossen sich mehr und mehr FSA-Kämpfer den Jihadis an. Seit Monaten
liefern sich aber die beiden „ideologischen Schwestern“ IS und Nusra,
die sich – vorerst – im Gegensatz zu IS nur auf Syrien konzentriert und
etwas weniger brutal gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen scheint,
heftige Gefechte um Vorherrschaft in den „befreiten“ Gebieten. Auch die
„Islamische Front“ bekämpft IS. Trotz dieses Konflikts unter den Jihadis
erlitten die gemäßigten Gruppen einen ständigen Aderlass und sind heute
in der Kriegsszene fast bedeutungslos.
Wie vor diesem Hintergrund die USA „akzeptable lokale Partner“
aufbauen können, die durch US-Luftangriffe unterstützt IS am Boden
bekämpfen und den Verlockungen eines attraktiven Geschäfts durch den
Verkauf von US-Waffen an Jihadis widerstehen würden, bleibt vorerst ein
Rätsel. Die USA wollen diese künftigen Partner zuerst „auf Herz und
Nieren prüfen“, gemeinsam mit ihren regionalen Verbündeten.
Saudi-Arabien und die Türkei schätzen Kräfte, die sich für einen
„Islamischen Staat“ einsetzen, und von demokratischen Grundsätzen wenig
halten, durchaus als „gemäßigt“ ein. Eine Strategie gegen IS, die Nusra
in Syrien zum Sieg verhilft und dieser „Al-Kaida-Tochter“ die Basis für
einen globalen Jihad schafft, wäre eine Katastrophe für die USA, für den
Westen, aber auch für die Region.
Obamas Hoffnung, die endlich gewährte, von gemäßigten Gegnern
Assads so lange erbettelte Hilfe würde nun die demokratischen, säkularen
und pro-westlichen Kräfte in Syrien stärken, könnte sich aber als
Trugschluss erweisen. Die durch die ungeheuerlichen Brutalitäten des
mehr als dreijährigen Krieges ausgelöste Atomisierung der syrischen
Gesellschaft (drei Millionen Flüchtlinge, 6,4 Millionen intern
Vertriebene, 200.000 Tote) hat die traditionellen sozialen Strukturen in
weiten Landesteilen zerstört und radikalen Kräften ideale Bedingungen
zur Rekrutierung und Terrorisierung der verbliebenen Bevölkerung
geschaffen.
Die vielleicht einzige militäarische Kraft, die entschieden
jegliche Kollaboration mit radikalen Islamisten ablehnt, in jahrelangen
Gefechten mit IS und Nusra wertvolle Kampferfahrung gesammelt und ihre
Gebiete in Nord-Syrien bis heute erfolgreich verteidigt hat, die
kurdischen „Schutzeinheiten des Volkes“ (YPG), wird von den USA als
Partner für den Kampf gegen den von Obama selbst als gefährlichsten
Terrorfeind eingestuften IS abgelehnt. Denn YPG ist eng mit der
kurdischen Guerillaorgansation der Türkei, PKK, verbündet, die auf den
amerikanischen und europäischen Terrorlisten steht. Sowohl YPG, als auch
die PKK hatten entscheidend zur Rettung der vom Völkermord durch IS
bedrohten Yeziden im Irak im August beigetragen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen