Donnerstag, 18. September 2014

Die Suche nach „gemäßigten“ Rebellen in Syrien

Obamas Strategie gegen den „Islamischen Staat“ kann nur in Kooperation mit „akzeptablen“ lokalen Partnern Erfolg bringen – Doch wer bietet sich dafür an?
 
von Birgit Cerha
 
Getrieben von der Sorge, nicht in einen blutigen Bürgerkrieg in Syrien hineingezogen zu werden, setzt US-Präsident Obama in seinem Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS) voll auf die Kooperation „gemäßigter“ lokaler Kämpfer. Während sich solche „akzeptable“ Partner im Irak anbieten, stellt das blutige Chaos in Syrien die Amerikaner und ihre westlichen Verbündeten vor ein quälendes Dilemma. So überrascht es nicht, dass Obama bei der Präsentation seines Kriegsplans gegen IS nur höchst vage von der Absicht sprach, eine „gemäßigte“ syrische Rebellen-Einheit aufzubauen und die Zustimmung des US-Kongresses für ein 500-Mio.-Dollar Waffen- und Trainingsprogramm zu erwirken. Wer diese 5.000 „Rebellen“ sein sollen, die nach Aussagen des US-Generalstabschefs Martin Dempsey in Saudi-Arabien, teilweise auf Kosten Riads taktisches und strategisches Training erhalten, „mit leichten Waffen, Fahrzeugen und diverser Grundausstattung wie Kommunikationsgeräten“ ausgestattet würden, bleibt völlig offen. Obama kann sie nicht nennen und die Suche nach ihnen wird sich als äußerst schwierig erweisen.
Angesehene Experten des militärwissenschaftlichen Verlages „IHS-Jane’s“ und der „International Crisis Group“ stellten schon vor Monaten fest, dass mehr als die Hälfte der Rebellen gegen das Assad-Regime für einen „islamischen Staat“ kämpfende Jihadis oder noch radikalere islamistische Extremisten vom Schlage des IS seien. Ihre Dominanz der syrischen Kriegsszene hat sich seither noch verstärkt. Ihnen, insbesondere IS, angeschlossen, haben sich unterdessen Tausende ausländische Islamisten und gemeinsam haben sie wiederholt Massaker an syrischen Minderheiten, vor allem Alawiten und Christen, verübt. Sie kontrollieren heute, mit Ausnahme der von den Kurden dominierten Gebiete, den gesamten östlichen Teil des Landes, darunter auch viele syrische Ölfelder. Assads Streitkräfte konnten sie bisher nicht wieder verjagen.
Zu Beginn der Rebellion gegen den Damaszener Diktator 2011 beschränkten die USA ihre Hilfe auf  die gewaltlose politische Opposition. Doch diese erwies sich als hoffnungslos desorganisiert, zerstritten und fand keinen Rückhalt in der syrischen Bevölkerung. So begann Washington „gemäßigte“ Rebellen zu unterstützen. Deren Kommandanten aber klagen, Obama hätte sie nie ernst genommen und ihnen die dringend geforderten schweren Waffen vorenthalten.  Mit US-Hilfe wurde schließlich im November 2012 der Dachverband pro-westlicher Oppositionsgruppen, die „Syrische Nationale Koalition“ und deren militärischer Zweig, der „Syrische Militärrat“ gegründet. Kern des Rates bildete die von Deserteuren der Regierungsstreitkräfte geführte „Freie Syrische Armee“ (FSA). Es erwies sich jedoch bald, dass die im „Militärrat“  vertretenen Gruppen teilweise führungslos, schlecht organisiert, untereinander zerstritten und sich gegenseitig bekämpfend im Rivalitätskampf den Jihadis weit unterlegen waren. Immer mehr „gemäßigte“ Kämpfer schlossen sich den Jihadis, darunter vor allem der zunehmend erfolgreichen, mit dem Terrornetzwerk „Al-Kaida“ verbündeten „Nusra-Front“ an. Schließlich fiel der „Rat“ im Dezember 2013 in die Bedeutungslosigkeit, als die USA ihm jegliche Hilfe strichen, nachdem radikale Islamisten die mit US-Waffen ausgestatteten Lagerhäuser der gemäßigten Rebellen erobert hatten. Seither beschränkte sich Washington in direkter Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst CIA auf die direkte Unterstützung von etwa einem Dutzend Rebellenkommandanten in Nord-Syrien und 60 kleinen Gruppen im Süden. Der Kontakt mit der „FSA“ wurde weitgehend abgebrochen.
Als Nusra, IS und die „Islamische Front“, der im November 2013 mit Unterstützung der Türkei und Katars gegründete Dachverband von sieben Islamisten-Gruppen, die größten Geländegewinne erzielen konnten, schlossen sich mehr und mehr FSA-Kämpfer den Jihadis an. Seit Monaten liefern sich aber die beiden „ideologischen Schwestern“ IS und Nusra, die sich – vorerst – im Gegensatz zu IS nur auf Syrien konzentriert und etwas weniger brutal gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen scheint, heftige Gefechte um Vorherrschaft in den „befreiten“ Gebieten. Auch die „Islamische Front“ bekämpft IS. Trotz dieses Konflikts unter den Jihadis erlitten die gemäßigten Gruppen einen ständigen Aderlass und sind heute in der Kriegsszene fast bedeutungslos.
Wie vor diesem Hintergrund die USA „akzeptable lokale Partner“ aufbauen können, die durch US-Luftangriffe unterstützt IS am Boden bekämpfen und den Verlockungen eines attraktiven Geschäfts durch den Verkauf von US-Waffen an Jihadis widerstehen würden, bleibt vorerst ein Rätsel. Die USA wollen diese künftigen Partner zuerst „auf Herz und Nieren prüfen“, gemeinsam mit ihren regionalen Verbündeten. Saudi-Arabien und die Türkei schätzen Kräfte, die sich für einen „Islamischen Staat“ einsetzen, und von demokratischen Grundsätzen wenig halten, durchaus als „gemäßigt“ ein. Eine Strategie gegen IS, die Nusra in Syrien zum Sieg verhilft und dieser „Al-Kaida-Tochter“ die Basis für einen globalen Jihad schafft, wäre eine Katastrophe für die USA, für den Westen, aber auch für die Region.
Obamas Hoffnung, die endlich gewährte, von gemäßigten Gegnern Assads so lange erbettelte Hilfe würde nun die demokratischen, säkularen und pro-westlichen Kräfte in Syrien stärken, könnte sich aber als Trugschluss erweisen. Die durch die ungeheuerlichen Brutalitäten des mehr als dreijährigen Krieges ausgelöste Atomisierung der syrischen Gesellschaft (drei Millionen Flüchtlinge, 6,4 Millionen intern Vertriebene, 200.000 Tote) hat die traditionellen sozialen Strukturen in weiten Landesteilen zerstört und radikalen Kräften ideale Bedingungen zur Rekrutierung und Terrorisierung der verbliebenen Bevölkerung geschaffen.
Die vielleicht einzige militäarische Kraft, die entschieden jegliche Kollaboration mit radikalen Islamisten ablehnt, in jahrelangen Gefechten mit IS und Nusra wertvolle Kampferfahrung gesammelt und ihre Gebiete in Nord-Syrien bis heute erfolgreich verteidigt hat, die kurdischen „Schutzeinheiten des Volkes“ (YPG), wird von den USA als Partner für den Kampf gegen den von Obama selbst als gefährlichsten Terrorfeind eingestuften IS abgelehnt. Denn YPG ist eng mit der kurdischen Guerillaorgansation der Türkei, PKK, verbündet, die auf den amerikanischen und europäischen Terrorlisten steht. Sowohl YPG, als auch die PKK hatten entscheidend zur Rettung der vom Völkermord durch IS bedrohten Yeziden im Irak im August beigetragen.
 

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