Iraks amtierender Premier verliert die mächtigsten Verbündeten – Kann sein designierter Nachfolger das Land retten?
von Birgit Cerha
Während die internationalen Bemühungen zur Linderung der
humanitären Katastrophe im Irak allmählich an Intensität gewinnt hat
sich die lähmende politische Krise in Bagdad nur ein wenig entspannt.
Zwar steht vorerst fest, dass der amtierende Premier Maliki eine
angestrebte dritte Amtsperiode nicht militärisch durchsetzen wird,
nachdem er seine wichtigsten internen und internationalen Verbündeten
verloren hat. Dennoch ließ er in seiner wöchentlichen TV-Ansprache
Mittwoch klar erkennen, dass er nicht daran denke, von der Macht zu
lassen. Das höchste irakische Gericht solle entscheiden, ob die
Nominierung Abadis zum neuen Premier durch Präsident Masum
verfassungskonform sei: „Ich bestätige die Fortsetzung der Regierung,
die nicht ohne Gerichtsentscheid abgelöst werden kann.“
Dennoch scheint Malikis politisches Schicksal besiegelt, seit sich
nicht nur die USA, sondernauch der Iran, wichtigster politischer
Drahtzieher im Irak, hinter Abadi stellten. Im Irak selbst verlor Maliki
den Rückhalt seiner Parlamentsfraktion, seiner eigenen, der
Dawa-Partei, der einflussreichen religiösen Führung der Schiiten und
zuletzt, wohl besonders schmerzlich, seiner mächtigen, radikalen und ihm
stets treu ergebenen „Asaib Ahl al-Hak“-Miliz. Es ist aber nicht nur
blinde Machtgier, die Maliki zu dieser für die Zukunft des Iraks
katastrophalen Position treibt, sondern wohl auch angesichts der großen
Zahl seiner Gegner die Angst um seine eigene Sicherheit und persönliche
Freiheit. So wird in Bagdad nun an einer Kompromisslösung gebastelt, die
Maliki zur endgültigen Aufgabe seines Machtanspruchs bewegen soll. Vom
Angebot des Postens eines der Vizepräsidenten ist u.a. die Rede, die dem
Premier auch weiterhin Immunität und damit den Schutz vor Verfolgung
wegen der zahlreichen Verbrechen seiner Amtszeit und der gravierenden
Korruption sichern könnte. Zudem wäre ihm die Unterkunft in der vom Rest
der Hauptstadt abgeriegelten „Grünen (Regierungs)-Zone gewiss, die ihn
vor Mordanschlägen schützen könnte.
In seinen acht Regierungsjahren hat Maliki sich durch zunehmend
diktatorische Politik, schiitischen Chauvinismus gegenüber der
arabisch-sunnitischen Minderheit, gravierende Korruption und den von ihm
durch Nepotismus geförderten Zusammenbruch der unabhängigen
Staatsstrukturen den Hass nicht nur der arabischen Sunniten und der
Kurden, sondern auch einer wachsenden Zahl von Schiiten zugezogen.
Insbesondere die Bildung eigener, die Sunniten bedrohende und mordende
Milizen und die Übernahme der totalen Kontrolle über einen Großteil der
Streitkräfte und des Geheimdienstes erboßte viele Iraker, die nun
befürchten, Maliki könnte die Regierungsbildung seines langjährigen
politischen Freundes und Verbündeten Abadi erfolgreich sabotieren und
sich damit in Ermangelung einer Alternative als amtierender Premier
weiterhin die Macht erhalten. So könnte er nun die 30-tägige Frist, die
Abadi bleibt, um ein Kabinett der nationalen Einheit auf die Beine zu
stellen, nützen und jene Schiiten in seiner Koalition, die sich gegen
ihn gestellt hatten, durch treue Anhänger auszutauschen und Abadi damit
die politische Basis entziehen.
Sollte ihm dieses Kunststück nicht gelingen, steht Abadi dennoch
vor gigantischen Hürden. Zwar haben sich gemäßigte Sunniten und die
Kurden angesichts des dramatischen Vormarsches der Terrorgruppe des
„Islamischen Staates“ bereit erklärt, Abadi eine Chance zu geben. Doch
als jahrzehntelangem, führenden Mitglied der „Dawa“-Partei, die das
sunnitische Baath-Regime unter Saddam Hussein mutig bekämpft hatte, wie
keine andere irakische Gruppierung, misstrauen ihm viele einflussreiche
Sunniten. Zudem bekennt sich Abadiz, wie die Dawa zu einem ausgeprägten
Zentralismus, der den Kurden in ihrer Geschichte so grausig zum
Verhängnis geworden war. Nur nationale Einheit aber könnte im besten
Fall den drohenden Zerfall des Iraks verhindern. Den dafür dringend
nötigen nationalen Versöhnungsprozess aber hat man im Irak auch unter
der Zeit der US-Besatzung sträflich ignoriert und dafür dürfte es nun zu
spät sein. Denn um den weiteren Vormarsch von IS zu stoppen, ist keine
Zeit zu verlieren.
Die größte Hoffnung auf Niederlage von IS ruht auf den
arabisch-sunnitischen Stämmen. Rund 30.000 ihrer Männer die einst mit
den Jihadis der Al-Kaida gekämpft hatten, ließen sich 2007 von den USA
anheuern, um dem islamistischen Terror ein Ende zu setzen. Sie hatten
weitgehend Erfolg. Nach dem US-Abzug 2011 sollten sie in die staatlichen
Streitkräfte und Bürokratie integriert werden. Doch Maliki hielt nicht
nur dieses den Amerikanern gegebene Versprechen nicht, sondern ließ auch
unzählige dieser Kämpfer inhaftieren. Dass die Stämme Abadi, dem
langjährigen Mitstreiter Malikis, vertrauen und sich nun gegen IS
wenden, erscheint höchst fraglich. Ihre Haltung aber dürfte aber Iraks
Schicksal besiegeln.
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