Nach der Eroberung des Militärflughafens im syrischen Rakka kämpfen die Jihadis um die Kontrolle des Grenzgebietes zur Türkei
von Birgit Cerha
[Bild: Rakka]
Und
wieder feiern die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) einen
Triumph. Über die Lautsprecher von Moscheen in der ostsyrischen Stadt
Rakka verkündeten sie jubelnd die Eroberung des nahegelegenen
Militärflughafens Tabka, während Jihadis die geköpften Häupter von
Soldaten der Regierungsstreitkräfte im Zentrum der Stadt präsentierten.
Nach heftigen Kämpfen, bei denen allein Sonntag etwa 500 Menschen,
darunter mindestens 346 IS-Jihadis getötet wurden, fiel der letzte
strategisch wichtige Militärstützpunkt des Assad-Regimes in Ost-Syrien
in die Hände von IS, für das Regime ein empfindlicher militärischer und
psychologischer Schlag. Von Tabka aus hatte Assads Luftwaffe Angriffe
gegen Rebellen im Norden und Osten des Landes geflogen und nun mit
diesem Flughafen die erste syrischen Provinz zur Gänze an IS verloren. IS-Chef
Abu Bakr al Baghdadi hatte die schon vor Monaten eroberte Hauptstadt
Rakka zum Zentrum des von ihm ausgerufenen „Islamischen Staates“
erhoben. Sie kann nun als sicherer Rückzugsort auch für aus dem Irak
flüchtende IS-Kämpfer dienen.
IS
kontrolliert heute etwa ein Drittel des Gebietes von Nord- und
Ost-Syrien, zahlreiche Städte und Dörfer entlang des Euphrat, sowie
wichtige Regionen der anschließenden irakischen Provinzen. Die Eroberung
militärischer Zentren, sowie der Staatsbank der nordirakischen Stadt
Mosul im Juni ermöglichte IS, der in einem Rivalitätskampf wichtige
Regionen an die mit dem Al-Kaida Netzwerk verbündete Nusra-Front, sowie
die gemäßigtere „Islamischen Front“ verloren
hatte, das Blatt wieder mehr und mehr zu seinen Gunsten zu wenden. So
gelang IS jüngst die Eroberung von drei syrischen Militärbasen. Anfang
August besiegten die Jihadis die 93. Brigade der syrischen Armee bei
deren Versuche zur Rückeroberung Rakkas. Zugleich brachte IS wichtige
Regionen in der Provinz Aleppo, aus denen sie von Nusra und deren
Verbündeten vertrieben worden war, wieder unter Kontrolle.
2013
war IS (damals noch „Islamischer Staat im Irak und Syrien“, ISIS,
genannt) zur stärksten militanten Rebellenorganisation gegen das
Assad-Regime aufgestiegen. Der Westen hatte die von ihm zaghaft
unterstützte „Freie Syrische Armee“ (FSA), Nusra und die Islamische
Front ermutigt, gemeinsam diese radikalen Islamisten zu bekämpfen. Doch
viele Brigaden liefen zu Baghdadi über, teilweise angezogen durch dessen
militärische Erfolge, teilweise aus Zorn über die ausbleibende Hilfe
des Westens. Der größte Teil der in Syrien kämpfenden ausländischen,
insbesondere tschetschenischen, Jihadis hat sich IS angeschlossen, dem
es unterdessen – dank neuer Waffen und Finanzmittel aus Mosul und
Arrangements mit Kämpfern rivalisierender Gruppen - gelang, wichtige
Regionen in der Anfang 2014 verlorenen Ostprovinz Deir Ezzor wieder
unter Kontrolle zu bringen.
Unterdessen
zog IS seine Kämpfer aus der Zentralregion um Homs ab, offenbar, um
sich voll auf den Nordosten des Landes zu konzentrieren. Ziel ist die
Kontrolle des nordwestlichen Grenzgebietes zur Türkei, die
„Hauptarterie“ für Kämpfer aus dem Ausland und den Schmuggel von Waffen
und Öl. Am Wochenende erreichte IS die syrische Grenzstadt Marea,
stürmte sie jedoch nicht, sondern begann Verhandlungen mit den Bewohnern
für einen friedlichen Zugang. Im Januar hatten syrische Rivalen nach
blutigen Kämpfen ISIS aus dieser Region, die ihm als Sammelpunkt
für ausländische Kämpfer gedient hatte, verjagt. Die sechswöchigen
Gefechte kosteten 2.500 Rebellen das Leben und ermöglichten dem
Assad-Regime Aleppo vom Nordwesten her einzukreisen. Seine Gegner in den
Kampf gegeneinander zu treiben und damit empfindlich zu schwächen, ist
Assads Hauptstrategie. So ließ er denn auch lange ISIS ungestört
gewähren und förderte damit indirekt seinen Aufstieg.
Seit
Baghdadis Jihadis aus dem Grenzgebiet verjagt wurden, hat sich der
Zustrom an ausländischen Kämpfern, die überwiegend über die Türkei zu IS
stießen, entscheidend verringert. Das soll nun anders werden. Zudem ist
die türkische Grenze der wichtigste Schmuggelweg für Öl aus den
eroberten syrischen und nordirakischen Quellen und Waffen. Bisher hat
sich die Türkei westlichem Drängen nach Blockierung dieses für IS
lebenswichtigen Schmuggelweges beharrlich widersetzt.
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