Die
Rückeroberung des größten irakischen Staudamms, dieser tickenden
Zeitbombe, ist höchste Priorität der USA und der kurdischen
Peschmerga-Kämpfer
von Birgit Cerha
Unterstützt
durch die stärksten Luftangriffe der USA auf Positionen der Terroristen
des „Islamischen Staates“ (IS) seit Beginn des erneuten amerikanischen
Militärengagements im Irak, begannen kurdische Peschmerga-Kämpfer
Sonntag mit einer Bodenoffensive zur Rückeroberung des größten
irakischen Staudammes. Von IS gelegte Sprengkörper und Minen erschweren
den Vormarsch. Zudem müssen die Bodentruppen zuerst noch einige kleinere
Städte in der Umgebung unter ihre Kontrolle bringen, bevor sie den
eigentlichen Kampf um den Damm starten können.
IS
hatte die 50 km nördlich von Mosul gelegene Talsperre am 7. August unter
seine Kontrolle gebracht und damit Ängste vor einer Überschwemmung
biblischen Ausmaßes heraufbeschworen. Nach amerikanischen Quellen
räumten die USA und die Kurden der Rückeroberung des Dammes allerhöchste
Priorität ein, nachdem ihre Geheimdienste festgestellt hatten, dass IS
noch nicht in der Lage sei, die für die Strom- und Wasserversorgung des
Nord-Iraks so entscheidende Installation in die Luft zu sprengen. Dass
eine solche Aktion durchaus Teil der IS-Kriegsstrategie sei, drohten
die Terroristen auf der Titelseite der zweiten Ausgabe ihres
Online-Magazins „Dabique“ an, die kurz nach der Eroberung des
Mosul-Damms erschien. „Entweder der Islamische Staat oder die Flut“
lautet der Aufmachertitel des Pamphlets, das die Bestrafung von Sündern
durch Ertrinken in einer Überschwemmung gigantischen Ausmaßes,
vielleicht „der zweiten Sintflut“, androht.
Nach einer 2009 veröffentlichten Studie von zwei Professoren der Universität Mosul könnte ein katastrophaler Dammbruch bis zu zwölf Milliarden Kubikmeter Wasser freilassen und Iraks zweitgrößte Stadt mehr als 20 Meter und selbst Bagdad fünf Meter unter
Wasser setzen und Hunderte Quadratkilometer Farmland vernichten.
US-Experten hatten bereits zuvor gewarnt, dass sich eine 20 Meter hohe
Flutwelle bis zum Persischen Golf wälzen und an die 500.000 Menschen mit
sich in den Tod reißen könnte.
„Wenn
IS Bagdad erobern will, könnten derartige Wassermassen die dafür nötige
Destabilisierung erreichen“, meint ein Anti-Terrorexperte. Zudem
versorgen die Turbinen des Dammes, der 7mit 131 Meter Höhe und 3,5 km
Länge einer der größten der Welt ist, nicht nur die 1,7-Millionen-Stadt
Mosul, sondern auch weite Landesteile. So können die Terroristen auch
durch Stromabschaltungen die Bevölkerung und0 die neue Führung in Bagdad
massiv unter Druck setzen. Solange IS aber Mosul kontrolliert, wird er
keine apokalyptische Flutwelle auslösen, durch die er seinen
strategischen Zielen enorm schaden würde. Doch den Versuch einer
militärischen Rückeroberung Mosuls können Amerikaner und Iraker nicht
wagen, solange IS die Zeitbombe des Staudamms in Händen hält.
Dass
IS tatsächlich Wasser als Waffe einsetzt, hat er bereits in der am 24.
Januar eroberten Stadt Falludscha bewiesen. Er brachte einen
nahegelegenen Staudamm unter seine Kontrolle, schloss und öffnete dessen
zehn Schleusen mindestens zweimal und setzte so einen beträchtlichen
Teil der Provinz Anbar unter Wasser. Damit trieben die Terroristen
Tausende Menschen in die Flucht.
Vorerst
funktioniert nach Berichten aus der Region der Mosul-Damm, trotz der
Flucht vieler Arbeiter noch reibungslos. Vor allem einer der
engagiertesten Manager der Installation harrt weiterhin aus. Doch selbst
wenn Isis den Damm nicht in die Luft sprengt, droht von ihm gigantische
Gefahr. Damit die Mauern nicht bersten, bedarf es regelmäßiger,
fachkundlicher Wartung. Denn Experten stellten schon vor Jahren fest,
dass der Mosul-Damm der „gefährlichste der Welt“ ist. Er wurde in den
1980er Jahren auf wasserlöslichem Kalkstein erbaut und schon bald
bildeten sich Risse. Ingenieure der US-Besatzungsarmee richteten 2007
eine dringende Warnung an die Führung in Bagdad, dass das
Erosionspotential des Fundaments ein „inakzeptables Risiko“ darstelle.
Doch die irakische Regierung verharmloste die Gefahr. Erst 2011 wurde
ein Vorvertrag zu einer sechsjährigen Sanierung des Dammes mit dem
deutschen Spezialtiefbauer „Bauer AG“ in Höhe von 1,9 Mrd. Euro
unterzeichnet. Doch die Arbeiten konnten wegen der Turbulenzen im Irak nicht begonnen werden.
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