Sonntag, 6. Oktober 2013

Khameneis zweischneidige Botschaft

Werden Irans Hardliner wieder, wie in der Vergangenheit, die Charme-Offensive gegenüber dem Westen blockieren?
 
von Birgit Cerha
 
Unbeirrt durch die erste Stellungnahme des „Geistlichen Führers“ Khamenei zu der von Präsident Rouhani eingeleiteten außenpolitischen Öffnung des „Gottesstaates“ bekräftigte Außenminister Javad Zarif Sonntag die Entschlossenheit Teherans, den USA die Chance zu geben, ihren „guten Willen gegenüber der iranischen Nation“ zu beweisen. Die sei „ein Test für Washington“ und Teheran werde weiter auf Nuklearverhandlungen mit den „5+1-Mächten“ (den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland) drängen.
In seiner ersten Stellungnahme zu Rouhanis New-York-Besuch und dem historischen Telefongespräch mit US-Präsident Obama – dem ersten direkten Kontakt eines iranischen Präsidenten mit dem Führer des Weißen Hauses seit Gründung der „Islamischen Republik“ - lieferte Khamenei Samstag ein Meisterstück iranischer Zweideutigkeit, die sich in krass widersprüchlichen Interpretationen westlicher Medien spiegelte. Hat sich Irans Führer nun gegen Rouhanis neuen außenpolitischen Kurs gestellt oder diesen vielleicht doch unterstützt?
Auf der einen Seite betonte Khamenei, der vor zwei Wochen zu „historischer Flexibilität“ aufgerufen hatte: „Wir unterstützen die diplomatischen Schritte der Regierung…“, anderseits übte er in vagen Worten sanfte Kritik: „Natürlich war unserer Ansicht nach manches, was sich in New York ereignete, nicht angemessen.“ Worauf sich diese Rüge bezog, ließ Khamenei offen, doch Analysten hegen wenig Zweifel daran, dass damit der direkte Telefonkontakt mit dem Führer der seit mehr als drei Jahrzehnten verteufelten Supermacht gemeint war. Und Khamenei versäumte denn auch nicht, erneut sein tiefstes Misstrauen gegenüber den USA  kundzutun. Die US-Regierung werde vom „internationalen zionistischen Netzwerk als Geisel gehalten“ und müsse dieses zufriedenstellen. Also doch keine Annäherung an die USA?
Der Hass auf die USA und deren jahrzehntelange Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irans bildet seit Gründung des „Islamischen Republik“ 1979 die Basis der Aussenpolitik und damit auch der politischen Strategie Khameneis. So stellte nun auch der ehemalige Chef der mächtigen Revolutionsgarden, Ali Rezaei, fest, dass es bei „diesem Konflikt mit Amerika“ keineswegs um „Atom- und Menschenrechtsfragen“ gehe. Eine immer noch mächtige Fraktion islamischer Ultras, allen voran die Revolutionsgarden, ist von dieser historischer Animosität geprägt. Vor ihnen hielt Khamenei Samstag seine Rede und er schien sorgsam bedacht, dem Unbehagen dieser Revolutionäre über Rouhanis Kurs Rechnung zu tragen. Denn jedesmal, wenn ein Präsident – von Rafsandschani bis zum Reformer Khatami – eine versöhnlichere Linie gegenüber Washington eingeschlagen hatte, blockierten diese hartgesottenen Revolutionäre solche Politik. Kein iranischer Führer aber hatte sich bisher so weit vorgewagt wie Rouhani. Zudem stellte Khamenei mit seiner leisen Kritik klar, dass nicht Rouhani, wie in US-Medien vielfach präsentiert, sondern er das letzte Wort in dieser Frage habe. Analysten hegen demnach keine Zweifel daran, dass der „Geistliche Führer“ zumindest vorerst die Wiederaufnahme der Atomverhandlungen unterstützt, allerdings unter der Bedingung, dass sie rasch positive Ergebnisse (Lockerung der Sanktionen und eine Anerkennung des iranischen Rechts auf Urananreicherung) bringe.
Tatsächlich drängt für Teheran die Zeit.  Rouhani versprach bei seiner Inauguration im August, die gravierenden ökonomischen und sozialen Nöte der Iraner – eine Folge der Sanktionen – zu mildern. Dieses Versprechen verhalf ihm auch zu seinem Wahlsieg . Die Ultras haben ihm nichts entgegen zu setzen. Ihre Führer, wie Ex-Atomunterhändler Jalili, der immerhin vier Millionen Stimmen auf sich vereinen konnte, sind seit Rouhanis Amtsübernahme ebenso wie erzradikale Geistliche isoliert. Dies drückt sich symbolisch in einer neu aufgeflammten Diskussion über die Zweckmäßigkeit des wichtigsten Slogan der Revolutionäre „Tod des Großen Satans“, aus, der seit drei Jahrzehnten jedes Freitagsgebet begleitet. Als vergangenen Freitag in Teheran einige wenige Radikale wieder diesen Slogan riefen, stoppte sie der einflußreiche Gebetsführer Ayatollah Kazem Sedighi und forderte nachdrücklich, dass die Iraner und Amerikaner einander die Hände reichen sollten, „um die Sanktionen zu überwinden“. Zugleich forderte er Obama auf, mit dem Iran zusammenzuarbeiten, um Lösungen zu finden „die die Region“ von ihrer schweren Krise „retten“ würden.
„Die Extremisten haben ihre Zähne verloren“, gibt sich ein politischer Analyst in Teheran optimistisch. Deshalb auch wagte Rouhani als erster Präsident offen, den Schlägertrupps radikaler Geistlicher, die jahrzehntelang gemäßigte Führer, insbesondere Khatami, gewaltsam einzuschüchtern vermochten, den Kampf anzusagen und ein großer Teil der Medien stimmt ihm entschieden zu. Sollte  aber dem Team Rouhani-Zarif nicht ein rascher Erfolg auf ihrem neuen diplomatischen Weg gelingen, könnten die Radikalen wieder die Oberhand gewinnen.

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