Werden Irans Hardliner wieder, wie in der Vergangenheit, die
Charme-Offensive gegenüber dem Westen blockieren?
von Birgit Cerha
Unbeirrt durch die erste Stellungnahme des „Geistlichen
Führers“ Khamenei zu der von Präsident Rouhani eingeleiteten außenpolitischen
Öffnung des „Gottesstaates“ bekräftigte Außenminister Javad Zarif Sonntag die
Entschlossenheit Teherans, den USA die Chance zu geben, ihren „guten Willen
gegenüber der iranischen Nation“ zu beweisen. Die sei „ein Test für Washington“
und Teheran werde weiter auf Nuklearverhandlungen mit den „5+1-Mächten“ (den
ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland) drängen.
In seiner ersten Stellungnahme zu Rouhanis New-York-Besuch
und dem historischen Telefongespräch mit US-Präsident Obama – dem ersten
direkten Kontakt eines iranischen Präsidenten mit dem Führer des Weißen Hauses
seit Gründung der „Islamischen Republik“ - lieferte Khamenei Samstag ein
Meisterstück iranischer Zweideutigkeit, die sich in krass widersprüchlichen
Interpretationen westlicher Medien spiegelte. Hat sich Irans Führer nun gegen
Rouhanis neuen außenpolitischen Kurs gestellt oder diesen vielleicht doch
unterstützt?
Auf der einen Seite betonte Khamenei, der vor zwei Wochen zu
„historischer Flexibilität“ aufgerufen hatte: „Wir unterstützen die
diplomatischen Schritte der Regierung…“, anderseits übte er in vagen Worten
sanfte Kritik: „Natürlich war unserer Ansicht nach manches, was sich in New York
ereignete, nicht angemessen.“ Worauf sich diese Rüge bezog, ließ Khamenei
offen, doch Analysten hegen wenig Zweifel daran, dass damit der direkte
Telefonkontakt mit dem Führer der seit mehr als drei Jahrzehnten verteufelten
Supermacht gemeint war. Und Khamenei versäumte denn auch nicht, erneut sein
tiefstes Misstrauen gegenüber den USA kundzutun.
Die US-Regierung werde vom „internationalen zionistischen Netzwerk als Geisel
gehalten“ und müsse dieses zufriedenstellen. Also doch keine Annäherung an die
USA?
Der Hass auf die USA und deren jahrzehntelange Einmischung
in die inneren Angelegenheiten des Irans bildet seit Gründung des „Islamischen
Republik“ 1979 die Basis der Aussenpolitik und damit auch der politischen
Strategie Khameneis. So stellte nun auch der ehemalige Chef der mächtigen
Revolutionsgarden, Ali Rezaei, fest, dass es bei „diesem Konflikt mit Amerika“
keineswegs um „Atom- und Menschenrechtsfragen“ gehe. Eine immer noch mächtige
Fraktion islamischer Ultras, allen voran die Revolutionsgarden, ist von dieser
historischer Animosität geprägt. Vor ihnen hielt Khamenei Samstag seine Rede
und er schien sorgsam bedacht, dem Unbehagen dieser Revolutionäre über Rouhanis
Kurs Rechnung zu tragen. Denn jedesmal, wenn ein Präsident – von Rafsandschani
bis zum Reformer Khatami – eine versöhnlichere Linie gegenüber Washington eingeschlagen
hatte, blockierten diese hartgesottenen Revolutionäre solche Politik. Kein
iranischer Führer aber hatte sich bisher so weit vorgewagt wie Rouhani. Zudem
stellte Khamenei mit seiner leisen Kritik klar, dass nicht Rouhani, wie in
US-Medien vielfach präsentiert, sondern er das letzte Wort in dieser Frage
habe. Analysten hegen demnach keine Zweifel daran, dass der „Geistliche Führer“
zumindest vorerst die Wiederaufnahme der Atomverhandlungen unterstützt,
allerdings unter der Bedingung, dass sie rasch positive Ergebnisse (Lockerung
der Sanktionen und eine Anerkennung des iranischen Rechts auf Urananreicherung)
bringe.
Tatsächlich drängt für Teheran die Zeit. Rouhani versprach bei seiner Inauguration im
August, die gravierenden ökonomischen und sozialen Nöte der Iraner – eine Folge
der Sanktionen – zu mildern. Dieses Versprechen verhalf ihm auch zu seinem
Wahlsieg . Die Ultras haben ihm nichts entgegen zu setzen. Ihre Führer, wie
Ex-Atomunterhändler Jalili, der immerhin vier Millionen Stimmen auf sich
vereinen konnte, sind seit Rouhanis Amtsübernahme ebenso wie erzradikale
Geistliche isoliert. Dies drückt sich symbolisch in einer neu aufgeflammten
Diskussion über die Zweckmäßigkeit des wichtigsten Slogan der Revolutionäre „Tod
des Großen Satans“, aus, der seit drei Jahrzehnten jedes Freitagsgebet
begleitet. Als vergangenen Freitag in Teheran einige wenige Radikale wieder
diesen Slogan riefen, stoppte sie der einflußreiche Gebetsführer Ayatollah
Kazem Sedighi und forderte nachdrücklich, dass die Iraner und Amerikaner
einander die Hände reichen sollten, „um die Sanktionen zu überwinden“. Zugleich
forderte er Obama auf, mit dem Iran zusammenzuarbeiten, um Lösungen zu finden „die
die Region“ von ihrer schweren Krise „retten“ würden.
„Die Extremisten haben ihre Zähne verloren“, gibt sich ein
politischer Analyst in Teheran optimistisch. Deshalb auch wagte Rouhani als
erster Präsident offen, den Schlägertrupps radikaler Geistlicher, die
jahrzehntelang gemäßigte Führer, insbesondere Khatami, gewaltsam
einzuschüchtern vermochten, den Kampf anzusagen und ein großer Teil der Medien
stimmt ihm entschieden zu. Sollte aber
dem Team Rouhani-Zarif nicht ein rascher Erfolg auf ihrem neuen diplomatischen
Weg gelingen, könnten die Radikalen wieder die Oberhand gewinnen.
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