Mit seinem Amtsantritt warten auf den siebenten Präsidenten der „Islamischen Republik“ enorme Herausforderungen – Kann er auch nur einen Bruchteil seiner Versprechen erfüllen?
von Birgit Cerha
"Seit 20 Jahren hat dieses Land nicht eine derart ruhige Atmosphäre erlebt“ wie heute, preist der prominente erzkonservative Politiker und führender Geschäftsmann die Stimmung im Iran zu Beginn der Amtszeit des neugewählten Präsidenten Hassan Rouhani, der Sonntag vereidigt wird. Nach den Turbulenzen und massiven Repressionen während der Herrschaft seines Vorgängers Ahmadinedschad hat die überraschende Wahl des erfahrenen Zentrumspolitikers Rouhani mit einem Schlag enorme Hoffnungen im Iran, aber auch international geweckt. Der 64-jährige, in Schottland ausgebildete Geistliche mittleren Ranges hatte den Iranern im Wahlkampf einen „neuen Weg“ versprochen. Für seine Kampagne hatte er als Symbol einen riesigen Schlüssel gewählt, der all die vielen versperrten Türen – internen, wie internationalen – für ein zutiefst frustriertes Volk wieder öffnen solle. Über intensive Twitter-Botschaften nährte er seither die Hoffnung vieler Menschen, versprach „Weisheit und Mäßigung“, Freiheit und ein „Minimum an Einmischung durch die Regierung“ in Bereiche der Gesellschaft und Kultur, sowie „gleiche Rechte und gleiche Bezahlung“ für Frauen. Gegenüber dem Ausland verhieß er „eine neue Offenheit“, Entspannung und „ernsthafte Verhandlungen“ mit der internationalen Gemeinschaft über den Atomkonflikt in der Hoffnung, ein allmähliches Ende der quälenden internationalen Sanktionen und damit einen so dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Mit dem Ausspruch „es ist gut, wenn sich die Zentrifugen drehen, aber die Wirtschaft muss sich auch bewegen,“ machte Rouhani internationale Schlagzeilen und erweckte den Eindruck größerer Flexibilität gegenüber der internationalen Gemeinschaft, die einen Stopp des iranischen Atomprogramms erzwingen will und am Vorabend der Inauguration durch eine vom US-Repräsentantenhaus beschlossene Verschärfung der Sanktionen Härte signalisiert.
Doch Rouhani steht vor gigantischen Herausforderungen. Die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes könnte nach acht Jahren krassen Mismanagements durch Ahmadinedschad, verschärft durch die radikalste internationale Sanktionen kaum dramatischer sein. Seit Mitte 2012 hat sich der Wert der iranischen Währung halbiert. Von vier jungen Iranern ist mindestens einer arbeitslos, die Inflation übersteigt 36 Prozent, die Ölexporte, Rückgrat der Wirtschaft, stürzten als Folge der Sanktionen 2012 um fast 40 Prozent auf 1,5 Mio. Barrel im Tag und zum erstenmal seit den 80er Jahren erlebte der Iran zwei aufeinanderfolgende Jahre ein negatives Wirtschaftswachstum. Abhilfe läßt sich nur durch Lockerung der Sanktionen erzielen.
Rouhani erwarb sich in den zwei Jahren als Chef-Atomunterhändler (2003 bis 2005) mit den Ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates, sowie Deutschland hohes Ansehen wegen fachlicher Kompetenz und Verhandlungsgeschicks. Seiner 16-jährigen Tätigkeit als Generalsekretär des „Höchsten nationalen Sicherheitsrates“ verdankt er intimste Kenntnisse des Atomprogramms, an dem er zwar grundsätzlich festhält, doch durchaus Flexibilität zeigen könnte. Der erste entscheidende Test für Rouhanis „neuen Weg“ ist außenpolitisch die Frage, ob er tatsächlich, wie mehrmals angedeutet, direkte Gespräche mit den USA beginnt und intern, ob er sein Versprechen zur Freilassung der seit mehr als zwei Jahren unter Hausarrest stehenden Führer der oppositionellen „Grünen Bewegung“ erfüllen und damit auch seine Autorität zur Verbesserung der katastrophalen Menschenrechtssituation durchsetzen kann.
Doch noch bevor er überhaupt sein Amt antrat, formierte sich die Opposition. 80 Abgeordnete des von „Prinzipalisten“ (islamistischen Hardlinern) dominierten Parlaments warnten Rouhani „Aufwiegler“ (wie die Ultras Reformer nennen) in sein Kabinett aufzunehmen. Rouhani hatte versprochen, eine Regierung aus Gemäßigten, Prinzipalisten und Reformern, sowie Technokraten zu bilden.
Unabhängige Analysten warnen, in den neuen Präsidenten all zu große Hoffnungen zu setzen. Rouhani, der sich nun als so gemäßigt und pragmatisch präsentiert, hatte sich nie dem Reformlager angeschlossen. Er fühlt sich unverändert der Ideologie der „Islamischen Republik“ verpflichtet und übernimmt als Präsident ein System, in dem er nicht das letzte Wort in allen entscheidenden Fragen – Atom, Außenpolitik, Menschenrechte und Demokratie – besitzt. So erinnert etwa die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi daran, dass der Reformer Mohammed Khatami, dessen politische Bewegung in vier Jahren seiner ersten Amtszeit auch das Parlament dominiert hatte, kein einziges seiner Reformversprechen durchsetzen konnte. Und Rouhani kontrolliert nur die Exekutive. Zudem hat Ahmadinedschad in den vergangenen acht Jahren den Einfluß der reformfeindlichen Revolutionsgarden im Staatsapparat entscheidend ausgeweitet. Vor allem aber hat der „Geistliche Führer“ Khamenei die unumschränkte Macht, alle wichtigen Entscheidungen nach seinem Willen durchzusetzen und er hat bisher keine größere Flexibilität weder außen- noch innenpolitisch zu erkennen gegeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen