Freitag, 26. Juli 2013

Gefährliche Kraftprobe am Nil

Armeechef Sisi ringt um Legitimität durch Massendemonstrationen, während die Justiz offizielle Anklage gegen Mursi erhebt
 
von Birgit Cerha
 
Eine riesige Menschenmenge füllte Freitag abend die Straßen um die Rabaa al-Adawiya Moschee in Kairo, wo Anhänger Ex-Präsident Mursis seit dessen Sturz am 3. Juli durch Sitzstreiks die Wiedereinsetzung ihres Idols zu erzwingen suchen. Sunnitische Geistliche hatten Donnerstag und Freitag Sympathisanten der Moslembruderschaft Mursis zu Demonstrationen aufgerufen, nachdem Ägyptens „neuer Pharaoh“, wie Medien bereits den starken Mann des Militärs, Verteidigungsminister und stellvertretenden Premier General Sisi titulieren, das Volk aufgerufen hatte in „Millionenzahl“ auf die Straßen zu gehen, um ihm ein Mandat zur „Bekämpfung des Terrors“ zu geben.  Was genau der Armeechef damit meint, wird sich erst in den nächsten Tagen herausstellen. Nicht nur Mursis Anhänger befürchten allerdings, dass sich der General Rückendeckung für ein massives und gewaltsames Vorgehen gegen die Moslembruderschaft zu verschaffen hofft.
Vor allem aber geht es Sisi auch darum, sich und seinem Übergangssystem gegenüber dem zunehmend kritischen Ausland Legitimität durch Millionen für ihn demonstrierende Ägypter zu verschaffen, dem Vorwurf, das Militär hätte gegen Mursi geputscht entgegenzuhalten, dass es sich in Wahrheit um den Vollzog des Volkswillens, die Fortsetzung der Revolution gegen Diktatur handle.
Zugleich heitzten Ägyptens neue Führer die Emotionen Freitag morgen weiter gefährlich auf, als die Staatsanwaltschaft die offizielle 15-tägige Verhaftung Mursis verkündete und dies mit einem gemeinsam mit der islamistischen palästinensischen Hamas durchgeführten Komplott begründete, bei dem im während der Turbulenzen der Revolution gegen Diktator Mubarak 2011 eine Gruppe führender Moslembrüder, darunter Mursi selbst, aus einem Kairoer Gefängnis befreit wurden.  Auch hier geht es primär darum, ausländische Kritik zum Schweigen zu bringen. Seit seinem Sturz wird Mursi von den Streitkräften an einem unbekannten Ort ohne Angabe von Gründen  festgehalten und Menschenrechtsorganisationen und eine zunehmende Zahl westlicher Politiker fordert seine Freilassung, mit der zweifellos ein wichtiger Schritt zur nationalen Versöhnung gesetzt worden wäre.   Die offizielle Verhaftungserklärung läßt jedoch darauf schließen, dass die neuen Führer die Moslembruderschaft, diese älteste und größte Bewegung Ägyptens, vollends von der politischen Szene verdrängen wollen. Hamas, wie Sprecher der Moslembruderschaft haben unterdessen die Vorwürfe gegen Mursi energisch zurückgewiesen. Mursis Anhänger sehen darin einen weiteren Hinweis darauf, dass sich Kräfte des Mubarak-Regimes erneut in den höchsten Institutionen des Landes durchsetzen. Die Rufe „Sisi Verräter“ und „Weg mit Sisi“ erschallten denn auch laut bei den Demonstrationen am Freitag.
In Kairo, wo schwere Zusammenstöße zwischen den Gegenparteien befürchtet werden, sind ganze Stadtviertel von Militärs und Panzern besetzt. Während zweifellos viele Gegner der Moslembruderschaft Sisis Aufruf zur Unterstützung seiner Strategie im „Kampf gegen Terror und Gewalt“ folgen, womit der General radikale Islamisten meint, die im Sinai seit Mursis Sturz täglich Militär- und Polizeiposten überfallen, aber ebenso die wiederholt gewalttätigen Anhänger der Moslembruderschaft, erheben sich auch unter säkularen Menschenrechtsaktivisten und liberalen Kreisen des Landes kritische Stimmen gegen Sisi.  „Die Armee braucht kein Mandat des Volkes, um gegen Terroristen vorzugehen“, meint ein Vertreter des Kairoer Institutes für Menschenrechte. Das Gesetz lege klar die Richtlinien fest, wenn Terrorverdacht gegeben sei. Gewaltakte gegen mutmaßliche “Terroristen“  - dazu will man in diesen Kreisen Sisi keinen Freibrief erteilen.

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