Der Sturz Mursis verschiebt die Allianzen im Mittleren Osten , eröffnet dem Iran, aber auch Saudi-Arabien neue geostrategische Chancen – Ende des „türkischen Modells“?
von Birgit Cerha
von Birgit Cerha
[Bild: Alte Freundschaften sterben nicht: Beziehungen zwischen Ägypten und den Golfstaaten]
Die Wellen des Aufruhrs in Ägypten schlagen hoch durch die gesamte Region. Erbitterte Rivalen finden sich plötzlich auf einer Seite in ihrer Freude über den Sturz des Moslembruder-Präsidenten Mursi oder in ihrer Empörung über den Militärputsch gegen einen demokratisch gewählten Staatschef. Alle, jene, die sich als Gewinner dieser dramatischen Ereignisse empfinden, ebenso wie die Verlierer ziehen nun Bilanz und analysieren ihre neue geostrategische Position. Kein Zweifel, der Umsturz am Nil hat neue Realitäten in der Region geschaffen, deren Folgen sich noch gar nicht voll abschätzen lassen. Neue Allianzen werden sich bilden oder gescheiterte werden neubelebt und im Zentrum eines heftigen Rivalitätskampfes um regionalpolitische Macht steht Ägypten.Eiligst haben Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Kuwait nur wenige Tage nach Mursis Sturz den neuen Herrschern am Nil Hilfe in der Höhe von insgesamt 14 Mrd. Dollar, in bar als Darlehen und in Form von Öl und Gas zugesagt. Kaum deutlicher hätten sie ihre große Erleichterung über das Scheitern der Moslembrüder im volksreichsten arabischen Staat dokumentieren können. Alle drei Monarchien fürchteten, gemeinsam mit jener Jordaniens und Marokkos, diese stärkste grenzüberschreitende Strömung sunnitischer Islamisten werde dank der in Ägypten errungenen Macht unweigerlich auch an ihren Thronen rütteln. Als Symptom dieser Ängste mag wohl die Verurteilung von 69 Personen in den VAE sein, die der Verbindung mit der Moslembruderschaft und „Planung eines Putsches“ beschuldigt wurden.
Tunesien, die Geburtsstätte des „Arabischen Frühlings“ hat bisher den Schockwellen aus dem ägyptischen Nachbarn weitgehend widerstanden. „Ennahda“, die ideologische Schwester der ägyptischen Moslembrüder, hat erst kürzlich ihre Koalitionsregierung mit zwei nicht-religiösen Parteien durch die Aufnahme von zwölf unabhängigen Demokraten erweitert und kann sich damit dem Vorwurf entziehen, der Mursi in Ägypten so zum Verhängnis geworden war, dass sie nicht bereit sei, Macht zu teilen. Hocine Abassi, Generalsekretär des mächtigen Gewerkschaftsbundes UGTT, gibt sich zuversichtlich über den „tunesischen Weg“, der „keine andere Option“ zulasse als „den Dialog zwischen den politischen Parteien, in dem jeder im Interesse des Landes Zugeständnisse macht“. Radikalere Kräfte unter den Islamisten, davon sind Vertreter der säkularen Strömung überzeugt, seien nun in die Defensive geraten.
In Libyen gewinnt eine Massenprotestbewegung nach dem Vorbild der ägyptischen „Tamarod“ Auftrieb und hat sich die Auflösung aller bewaffneten Gruppen, die das Land immer noch in ihren Bann halten, zum Ziel gesetzt. Auch im Irak fordert eine zunehmende Zahl von Aktivisten über Facebook die Gründung einer Rebellenbewegung nach ägyptischem Vorbild, um den Forderungen eines großen Teils der Bevölkerung nach einem Ende von Korruption und Versuchen der Islamisierung des öffentlichen Sektors, sowie Einschränkung persönlicher Freiheiten ein Ende zu setzen.
Die beiden geopolitischen Rivalen Türkei und Iran verlieren mit Mursi eine wichtige Verbindung zu der sunnitischen Bevölkerung der arabischen Welt, besonders schmerzvoll für den Türken Erdogan, denn sein Modell eines von demokratischen Islamisten geführten Staates hat Mursi am Nil so kläglich zum Scheitern gebracht. „Das türkische Modell ist (nun für die arabische Welt) vollständig erledigt“, meint Professor Shalakany von der „American University of Cairo“.
Sind die Türken vielleicht die größten Verlierer des Kairoer Umsturzes, hat der Iran zwar seinen wichtigsten Gesprächspartner und damit die Möglichkeit auf Ausbau seines Einflusses in Ägypten verloren, der sich so bald nicht ersetzen lassen wird. Doch Teherans größte Sorge gilt derzeit dem bedrängten Verbündeten in Syrien, dessen Untergang Mursi, immerhin mächtiger Führer des volksreichsten arabischen Staates, betrieben hatte. Ein für absehbare Zeit in Turbulenzen stehendes Ägypten wird den blutigen Problemen Syriens kaum Aufmerksamkeit schenken und damit Assads Überlebenschancen durchaus verbessern. Und zudem wittert Teheran neue Chancen, die in Gaza regierende palästinensische Islamistenorganisation Hamas wieder unter seine Fittiche zu bringen. Der Krieg in Syrien hatte die Hamas-Führung gezwungen ihr Hauptquartier in Damaskus aufzugeben und den Umwerbungen eines regionalpolitisch enorm ehrgeizigen Katars nachzugeben. Der Triumph, den Hamas vor einem Jahr durch die Machtübernahme ihres ideologischen Vaters, den ägyptischen Moslembrüdern, feierte, endete nun in Schock. Die Palästinenser in Gaza befürchten eine neue Periode totaler Isolation, insbesondere da das ägyptische Militär begonnen hat, dem Treiben von Islamisten im Sinai und dem regen Waffenschmuggel Einhalt zu gebieten. Auch Katar, im vergangenen Jahr zu großzügiger Hilfe für Gaza und Hamas bereit, erscheint unter dem eben erst inthronisierten jungen Emir Tamim weit zurückhaltender. Hier bietet sich dem Iran neue Chance, Hamas in seiner Auseinandersetzung mit Israel an sich zu binden und damit verlorenen geostrategischen Einfluss zurück zu gewinnen.
Der Sturz Mursis brachte Katars ehrgeizige Nahostdiplomatie zum Scheitern. Das winzige, steinreiche Emirat hatte schon seit Jahren die Unterstützung der Moslembrüder in diversen arabischen Ländern - vor allem auch in Syrien – intensiv betrieben, in der Hoffnung auf geostrategische Macht. Acht Mrd. Dollar hatte der Emir im Vorjahr Mursi als Unterstützung zugesagt und damit einen heftigen Rivalitätskampf mit Saudi-Arabien vom Zaum gebrochen. Nun versucht sein Nachfolger offenbar, sich von dieser Strategie zu distanzieren und verspricht den neuen Führern in Kairo seine Hilfe. Doch Katars Ansehen hat in der Region empfindlich gelitten. Saudi-Arabien ist der Hauptgewinner. Ägyptens neue Herrscher, Übergangspräsident Mansour und Armeechef Al-Sisi haben seit langem enge Beziehungen zu Riad und in Syriens zerstrittener Opposition hat sich gerade der Kandidat Saudi-Arabiens gegen jenen Katars als neuer Führer durchgesetzt. Riads Einfluss wächst wieder, sogar unter Ägyptens jungen säkularen Rebellen, deren Gesinnungsgenossen im Königreich die Al-Sauds nach Kräften unterdrücken.
Tunesien, die Geburtsstätte des „Arabischen Frühlings“ hat bisher den Schockwellen aus dem ägyptischen Nachbarn weitgehend widerstanden. „Ennahda“, die ideologische Schwester der ägyptischen Moslembrüder, hat erst kürzlich ihre Koalitionsregierung mit zwei nicht-religiösen Parteien durch die Aufnahme von zwölf unabhängigen Demokraten erweitert und kann sich damit dem Vorwurf entziehen, der Mursi in Ägypten so zum Verhängnis geworden war, dass sie nicht bereit sei, Macht zu teilen. Hocine Abassi, Generalsekretär des mächtigen Gewerkschaftsbundes UGTT, gibt sich zuversichtlich über den „tunesischen Weg“, der „keine andere Option“ zulasse als „den Dialog zwischen den politischen Parteien, in dem jeder im Interesse des Landes Zugeständnisse macht“. Radikalere Kräfte unter den Islamisten, davon sind Vertreter der säkularen Strömung überzeugt, seien nun in die Defensive geraten.
In Libyen gewinnt eine Massenprotestbewegung nach dem Vorbild der ägyptischen „Tamarod“ Auftrieb und hat sich die Auflösung aller bewaffneten Gruppen, die das Land immer noch in ihren Bann halten, zum Ziel gesetzt. Auch im Irak fordert eine zunehmende Zahl von Aktivisten über Facebook die Gründung einer Rebellenbewegung nach ägyptischem Vorbild, um den Forderungen eines großen Teils der Bevölkerung nach einem Ende von Korruption und Versuchen der Islamisierung des öffentlichen Sektors, sowie Einschränkung persönlicher Freiheiten ein Ende zu setzen.
Die beiden geopolitischen Rivalen Türkei und Iran verlieren mit Mursi eine wichtige Verbindung zu der sunnitischen Bevölkerung der arabischen Welt, besonders schmerzvoll für den Türken Erdogan, denn sein Modell eines von demokratischen Islamisten geführten Staates hat Mursi am Nil so kläglich zum Scheitern gebracht. „Das türkische Modell ist (nun für die arabische Welt) vollständig erledigt“, meint Professor Shalakany von der „American University of Cairo“.
Sind die Türken vielleicht die größten Verlierer des Kairoer Umsturzes, hat der Iran zwar seinen wichtigsten Gesprächspartner und damit die Möglichkeit auf Ausbau seines Einflusses in Ägypten verloren, der sich so bald nicht ersetzen lassen wird. Doch Teherans größte Sorge gilt derzeit dem bedrängten Verbündeten in Syrien, dessen Untergang Mursi, immerhin mächtiger Führer des volksreichsten arabischen Staates, betrieben hatte. Ein für absehbare Zeit in Turbulenzen stehendes Ägypten wird den blutigen Problemen Syriens kaum Aufmerksamkeit schenken und damit Assads Überlebenschancen durchaus verbessern. Und zudem wittert Teheran neue Chancen, die in Gaza regierende palästinensische Islamistenorganisation Hamas wieder unter seine Fittiche zu bringen. Der Krieg in Syrien hatte die Hamas-Führung gezwungen ihr Hauptquartier in Damaskus aufzugeben und den Umwerbungen eines regionalpolitisch enorm ehrgeizigen Katars nachzugeben. Der Triumph, den Hamas vor einem Jahr durch die Machtübernahme ihres ideologischen Vaters, den ägyptischen Moslembrüdern, feierte, endete nun in Schock. Die Palästinenser in Gaza befürchten eine neue Periode totaler Isolation, insbesondere da das ägyptische Militär begonnen hat, dem Treiben von Islamisten im Sinai und dem regen Waffenschmuggel Einhalt zu gebieten. Auch Katar, im vergangenen Jahr zu großzügiger Hilfe für Gaza und Hamas bereit, erscheint unter dem eben erst inthronisierten jungen Emir Tamim weit zurückhaltender. Hier bietet sich dem Iran neue Chance, Hamas in seiner Auseinandersetzung mit Israel an sich zu binden und damit verlorenen geostrategischen Einfluss zurück zu gewinnen.
Der Sturz Mursis brachte Katars ehrgeizige Nahostdiplomatie zum Scheitern. Das winzige, steinreiche Emirat hatte schon seit Jahren die Unterstützung der Moslembrüder in diversen arabischen Ländern - vor allem auch in Syrien – intensiv betrieben, in der Hoffnung auf geostrategische Macht. Acht Mrd. Dollar hatte der Emir im Vorjahr Mursi als Unterstützung zugesagt und damit einen heftigen Rivalitätskampf mit Saudi-Arabien vom Zaum gebrochen. Nun versucht sein Nachfolger offenbar, sich von dieser Strategie zu distanzieren und verspricht den neuen Führern in Kairo seine Hilfe. Doch Katars Ansehen hat in der Region empfindlich gelitten. Saudi-Arabien ist der Hauptgewinner. Ägyptens neue Herrscher, Übergangspräsident Mansour und Armeechef Al-Sisi haben seit langem enge Beziehungen zu Riad und in Syriens zerstrittener Opposition hat sich gerade der Kandidat Saudi-Arabiens gegen jenen Katars als neuer Führer durchgesetzt. Riads Einfluss wächst wieder, sogar unter Ägyptens jungen säkularen Rebellen, deren Gesinnungsgenossen im Königreich die Al-Sauds nach Kräften unterdrücken.
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