Samstag, 8. Juni 2013

Präsidentschaftswahl im Iran: ein offenes Rennen

Massive Einschüchterungskampagne der Wähler soll ein „überzeugendes“ Ergebnis erzwingen – Doch die Möglichkeit der Manipulationen bleibt begrenzt

von Birgit Cerha

[Bild: "One-Man-One-Vote" von Mana Neyestan) 

Erst wenige Tage vor der elften Präsidentschaftswahl der „Islamischen Republik“ am 14. Juni kommt ein wenig Bewegung in eine ungewöhnlich frostige Atmosphäre. Die Entscheidung des „Wächterrates“, zwei prominente Kandidaten – Ex-Präsident Rafsandschani und Präsident Ahmadinedschads engsten Vertrauten Maschaie – von der Wahl auszuschließen, hat Kräfte selbst innerhalb des Systems schockiert und in weiten Kreisen der Bevölkerung ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit in einer zunehmend bedrückenden politischen und ökonomischen Krise verstärkt und damit die politische Apathie.
Wiewohl sich der „Geistliche Führer“  Khamenei offenbar hinter den Kulissen den Ärger Rafsandschanis und Maschaies beschwichtigen und damit auch Ahmadinedschad davon abhalten konnte, angeblich korruptes Verhalten durch den Sohn des „Führers“ in der Öffentlichkeit anzuprangern, erscheint die Kluft innerhalb der herrschenden Elite doch tiefer denn je. Khamenei ist fest entschlossen, kein Risiko einer Wiederholung der blutigen Proteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 einzugehen.
Das Szenario ist eisern festgelegt: Ein Präsident hat aus diesen Wahlen hervorzugehen, der - im Gegensatz zum scheidenden Ahmadinedschad – bedingungslos den Willen Khameneis erfüllt und dies in einem triumphalen Sieg mit möglichst hoher Wahlbeteiligung, um die Macht des seit 2009 schwer angeschlagenen Systems vor dem Volk und der internationalen Gemeinschaft zu dokumentieren. Jede abgegebene Stimme, egal für welchen der acht überwiegend erzkonservativen vom Wächterrat gebilligten Kandidaten sei – so beteuert Khamenei – ein Bekenntnis zur „Islamischen Republik“ und er hofft, damit einen erneuten Konflikt über das Wahlergebnis zu verhindern. Zugleich warnt er die Wähler vor „feindlichen Verschwörungen“ (schon wurden zwei angebliche Spione für Israel und die USA gehenkt) und ermahnt sie eindringlich, dem Gesetz zu gehorchen und auf „Slogans von Kandidaten zu achten, die in Widerspruch zu den Ansichten der Behörden“ stünden, eine klarer Hinweis auf die verhassten Reformer.
Die Sicherheitskräfte stehen in höchstem Einsatz und die seit 2009 anhaltende Repression hat sich dramatisch verschärft. Die Zahl gefangener Aktivisten und Journalisten steigt, während die „Revolutionsgarden“ eine massive Einschüchterungskampagne führen. Dazu zählt die Ankündigung, „Abweichler“ (wie das Regime Anhänger der Reformbewegung nennt) aus der Luft zu überwachen und die gefürchteten Motorrad-Patrouillen einzusetzen, die 2009 einen entscheidenden Anteil an der blutigen Niederschlagung friedlicher Proteste hatten.
Ungeachtet dieser höchst angespannten Atmosphäre wagten Tausende Menschen beim Begräbnis des oppositionellen Geistlichen Ayatollah Jalal al-Din Taheri in Isfahan gegen die autokratischen Methoden restriktiver Vorauswahl der Kandidaten zu protestieren und gar „Tod dem Diktator“ (Khamenei) zu rufen – ein klares Indiz für die in der Bevölkerung brodelnde Frustration und Unzufriedenheit, die sich durchaus wieder entladen können.
Im Gegensatz zu den Wahlen 2009, als die beiden Reformer Mussawi und Karrubi ihrem Gegenkandidaten Ahmadinedschad emotionale und harte TV-Diskussionen lieferten, die das Interesse der Bevölkerung an den Wahlen erst weckten und schließlich zu den Protesten gegen das Ergebnis führten, halten sich die acht diesjährigen Kandidaten in ihren TV-Debatten streng an den vom Regime vorgegebenen Rahmen, erläutern ihre vagen ökonomischen Konzepte, ohne überzeugende Lösungen für die gravierenden sozialen Nöte anzubieten und sind sich in der Frage der  Fortsetzung des  Atomprogramms einig. Nur einer der Kandidaten, der Rafsandschani nahestehende Zentrumspolitiker und ehemaliger Atomunterhändler Hassan Rouhani schlägt zunehmend Reformtöne an, beginnt offen die Repression des Regimes zu kritisieren und lässt keinen Zweifel, dass unter seiner Präsidentschaft Mussawi und Karrubi nach zweijährigem Hausarrest freigelassen würden. Ob es ihm aber damit gelingt, einen Teil der verbitterten Wähler, insbesondere der sich nach Freiheit sehnenden Jugend, aus ihrer Apathie zu reißen, lässt sich vorerst nicht absehen. Fest steht jedoch, dass sich traditionell Wahlprognosen im Iran als höchst schwierig, wenn nicht meist sogar falsch erweisen und dass die Stimmung noch kurz vor dem Wahltag völlig umschlagen kann.

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