Donnerstag, 6. Juni 2013

Kusair: Eine Wende im Syrienkrieg?

Der Sieg in der strategisch wichtigen syrischen Kleinstadt beschert Assad einen lange erhofften psychologischen Erfolg und beweist die Widerstandskraft seiner Streitkräfte

von Birgit Cerha
 
Begeisterte Anhänger der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah verteilten in ihrer Süd-Beiruter Hochburg Süßigkeiten und bejubelten den „Sieg“ in der syrischen Grenzstadt Kusair nach brutalsten fast dreiwöchigen Kämpfen gegen die oppositionelle „Freie Syrische Armee“ (FSA). „Es ist eine Geschichte von Widerstand und Standhaftigkeit und eine Tragödie von 40.000 Menschen, überwiegend Frauen und Kindern, sowie der Barbarei des Feindes, der diese Stadt zerstörte.“
Dieser Kommentar im arabischen TV-Sender „Al-Arabiya“ reflektiert Abscheu und Empörung in weiten Kreisen der arabischen Welt über den gnadenlosen Krieg der so lange als Helden im Kampf gegen Israel gefeierten „Hisbollahis“, die nun ihre Waffen gegen arabische Rebellen und vor allem Zivilisten richteten. Hisbollahs erprobtes Geschick in Straßenkämpfen, unterstützt von Scud-Raketen und mehr als 80 Luftangriffen der Syrer auf die Stadt, versetzten den Rebellen einen vernichtenden Schlag. Die humanitäre Katastrophe der Zivilbevölkerung, der das Assad-Regime zuletzt jede Hilfe durch das Rote Kreuz verweigerte, lässt sich vorerst noch gar nicht voll absehen. Dennoch feiert auch das syrische Regime einen großen Sieg.
Über die strategische Bedeutung Kusairs für militärischen Nachschub aus dem Libanon herrscht kein Zweifel, ebenso ermöglicht die Kontrolle über die Stadt auch jene über die gesamte Provinz Homs und die Verbindung von Damaskus zum alawitischen Kernland an der Mittelmeerküste. Dennoch bedeutet dies keineswegs, dass die Rebellen nicht in Zukunft über andere Wege Waffen und Kämpfer ins Land einschleusen können. Doch es ist vor allem ein starker psychologischer Erfolg für das schwerbedrängte, von zahlreichen Analysten im Westen bereits todgesagte Assad-Regime. Doch das Ende dieses Krieges zeichnet sich damit längst noch nicht ab. Ganz im Gegenteil. Das Gemetzel von Kusair läßt eine weitere Eskalation der Brutalitäten befürchten.
Das Regime wertet den Sieg in Kusair als Beweis dafür, dass die Rebellen diesen Krieg nicht gewinnen können. Assads für einen erneuten Krieg gegen Israel trainierten Streitkräfte haben sich im Laufe der vergangenen 24 Monate an die Bedingungen eines Bürgerkrieges angepasst und einen Zusammenhalt bewiesen, den viele unabhängige Analysten nicht vorhergesehen hatten. Ungeachtet zahlreicher Desertionen stellen sie mit 290.000 Mann immer noch die größten und bestausgebildeten Truppen der arabischen Welt, ungeachtet der mindestens 80.000 syrischen Toten immer noch, nach einer jüngsten Studie des in Washington stationierten „Institute for the Study of War“, „diszipliniert und motiviert“ – nicht zuletzt wohl auch dank der intensiven Hilfe aus Russland und dem Iran.
Was jedoch die Dynamik dieses Krieges längerfristig verändern könnte, ist das entschlossene Engagement der Hisbollah, deren Chef Nasrallah seine Kämpfer nach dem errungenen Sieg nicht zurückzieht, sondern vielmehr in noch weitere, wohl noch wichtigere Schlachten wirft. Schon, so heisst es, ziehen Hisbollahis nach der seit zwei Jahren teilweise von Rebellen kontrollierten Wirtschaftsmetropole Aleppo. Die Bedeutung des Engagements der Veteranen heftiger Kämpfe im Krieg mit Israel 2006 beschrieb jüngst Frankreichs Außenminister Fabius: „Wenn sich sehr gut ausgerüstete und todesbereit Kämpfer“ am Krieg auf der Seite Assads beteiligen, „und zwar mehrere Tausend an der Zahl, dann verändert dies die Situation.“
Wiewohl Assads Truppen nun eine Pufferzone im Süden zum Schutz der drittgrößten Stadt Homs errichten können, ändert dies nichts an der Tatsache, dass sie große Teile des Nordens und Ostens,  nicht kontrollieren. Nächste Ziele dürften die Rückeroberung wichtiger Stadtviertel Aleppos und der Vororte von Damaskus sein, wo der Einsatz der in Straßenkämpfen erfahrenen Hisbollah den Widerstand der Rebellen brechen könnte – allerdings nicht ohne hohen Blutzoll. Experten aber sind sich einig, dass das militärische Patt nicht gebrochen und der Krieg noch lange weiter toben wird.

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