Samstag, 27. April 2013

Mit Humor gegen den „Gottesstaat“

Kurdische Männer im Iran  kämpfen in einer einzigartigen Aktion um die Rechte der Frauen, die die Hauptlast jahrzehntelanger Unterdrückung tragen
von Birgit Cerha
In leuchtende Farben, nach kurdischer Tradition gehüllt, glitzernder Schmuck auf dem breiten Ausschnitt, oder bunte Schals, lose über den Kopf geschlungen. So präsentieren sich seit Tagen iranisch-kurdische Männer im Internet, auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken. Stolz zeigen manche ihren dichten schwarzen Bart unter einem über die Augen gebundenen Schal. Mit der traditionellen Bekleidung kurdischer Frauen dokumentieren diese Männer, deren Zahl stetig wächst, keineswegs ihre sexuelle Präferenz.
Unter dem Motto“ Die kurdischen Männer für Gleichberechtigung“ starteten sie im Iran eine einzigartige Kampagne gegen die Diskriminierung von Frauen, die binnen weniger Tage die Grenzen des Landes durchstoßen hat und allein in Facebook mehr als 10.000 Anhänger weltweit für sich gewann. Unterdessen schlossen sich  auch kurdische Frauen dieser Aktion an und posten sich im Internet in Männerkleidern.
Anstoß zu dieser originellen Kampagne gab die Bestrafung eines Mannes in der iranisch-kurdischen Stadt Marivan wegen häuslicher Gewalt. Ein Richter zwang den Täter als Akt schwerer Demütigung gedacht, in kurdischen Frauenkleidern durch die Straßen der Stadt zu marschieren – möglicherweise das erste Urteil dieser Art im Iran. In Mariwan und darüber hinaus betrachten die Menschen solches Urteil als doppelte Diffamierung, der Frauen ebenso wie der im Iran ohnedies schon stigmatisierten kurdischen Minderheit. 17 Parlamentsabgeordneten protestierten in  einem Brief an den Justizminister gegen das Urteil, doch den Aktivisten und  deren Sympathisanten reicht solch matter Protest nicht.
Die Tatsache, dass sich eine wachsende Zahl kurdischer Männer in dieser immer noch von patriarchalen Vorstellungen geprägten Gesellschaft zu einer derart breiten Aktion mit den Frauen solidarisiert, bringt die Behörden in beträchtliche Verlegenheit. Irans Polizeichef, General Ismail Ahmdi Moghaddam verkündete nun das Verbot solcher Bestrafung.  Doch die Kampagne geht weiter. „Viele Jahre lang sind die Frauen in meinem Land auf der Seite der Männer gestanden, sie haben mit uns in Männerkleidern gekämpft. Ich bin stolz, nun Frauenkleider zu tragen und damit einen kleinen Beitrag im Kampf um die Rechte unserer Frauen zu leisten und ihnen meine Dankbarkeit für ihr Engagement zu bezeugen“, erklärt einer der Akteure im Facebook seine Motive.
Grundsätzlich zählt öffentliche Demütigung zu den beliebten Methoden zur Bestrafung von Unruhestiftern im Iran. Auf diese Weise können die Behörden Beschuldigte erniedrigen und zugleich die Öffentlichkeit gegen ähnliche Aktionen warnen. Diesen Zweck verfolgte offenbar auch der Richter in Mariwan, einer Kurdenregion, die mehr als andere von dieser Minderheit bewohnten Gebiete den Mut zu Protesten gegen Diskriminierungen aufbringt.
Kurdische Frauen tragen seit Jahrzehnten die doppelte Last der ethnischen Diskriminierung zusätzlich zu der sich seit der islamischen Revolution 1979 stetig verschärfenden Unterdrückung der Frauen. Zu den Schikanen und Repressionen gegen sie zählen Folterungen durch das Regime, wenn sich ein Familienmitglied dem Freiheitskampf der Peschmergas anschloss; Vergewaltigung während militärischen Operationen durch Regierungstruppen in Kurdengebieten; Zwangsheiraten von Jungfrauen vor deren Exekution, um nur einige Beispiele inhumaner Praktiken zu nennen, denen Kurdinnen im Iran in besonderem Maße ausgesetzt sind.
Die nun von den Männern begonnene Solidarisierungsaktion bringt das Regime in beträchtliche Verlegenheit. “Wenn P=rotestierende Gewalt anwenden, dann schließen sie sich dem Spiel des Systems an“, erläutert einer der Aktivisten über Twitter. Und in diesem Spiel haben die Herrscher des „Gottesstaates“ die stärkeren Waffen. „Die einzigen Methoden, gegen die sie sie sich ratlos und machtlos fühlen, sind Gewaltlosigkeit und Humor.“

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