Montag, 22. April 2013

Die tschetschenische Verwicklung im Syrienkrieg

Jihadis aus der russischen Unruheprovinz kämpfen gegen Assad und bestärken den Kreml in seiner kompromisslosen Unterstützung des syrischen Präsidenten

von Birgit Cerha
Bashar el Assad fühlt wohl den Wind in seinen Segeln. Syriens schwer bedrängter Präsident sieht zweifellos seine Warnungen bewahrheitet – zumindest teilweise und allmählich. Die Geschichte, so dozierte der Syrer jüngst, beweise, dass sich die Unterstützung von Extremisten für kurzfristigen Nutzen oft als Bumerang erweise. „Jetzt unterstützen sie (der Westen) Al-Kaida in Syrien und sie werden dafür in Europa und im Herzen der USA bezahlen.
“ Auch wenn die Bomben von Boston  keineswegs Assads Alptraum-Szenario entsprechen, die Hintergründe noch längst nicht geklärt sind, lassen sich doch zutiefst beunruhigende Verbindungen in islamistischen Terrornetzwerken vermuten,, die jegliche internationale Aktionen – diplomatisch, ökonomisch, vor allem aber militärisch – zur Lösung des schier unlösbar scheinenden Krieges hoffnungslos erschweren.
Viel spricht dafür, dass die tschetschenische Identität der mutmaßlichen Attentäter von Boston  den russischen Präsidenten Putin in seiner bedingungslosen Unterstützung Assads und seiner Blockade jeglicher internationaler Aktion gegen den syrischen Diktator noch mehr bestärken. Eine von US-Präsident Obama ohnedies kaum ins Auge gefasste internationale Militärintervention zur Beendigung des Blutvergießens in Syrien erscheint damit unwahrscheinlicher denn je, ebenso eine von den Rebellen so eindringlich geforderte Aufrüstung durch Washington und die Europäer, um den Krieg endlich zur Entscheidung, d.h. zum Sturz Assads, zu bringen. Zwar verkündete US-Außenminister Kerry am Wochenende eine Verdoppelung der Hilfe für Assads Gegner auf 250 Mio. Dollar, doch von Waffenlieferungen ist zur Erbitterung der Rebellen keine Rede. Nachdem die militärisch erfolgreichste Rebellengruppe, die islamistische Nusra-Front sich jüngst voll zur Ideologie des Al-Kaida Netzwerkes bekannt hatte, erklärte der höchstrangige US-Offizier, Vorsitzender des Joint Chiefs of Staff Martin Dempsey, dass er nicht länger daran glaube, die USA „könnten klar die richtigen Leute identifizieren“, die sie mit Waffen für den Kampf gegen Assad ausstatten würden.  Die Tatsache, dass sich die von Säkularisten geführte „Freie  syrische  Armee“ nun von al-Nusra distanzierte, ändert wenig an der extrem unübersichtlichen militärischen Lage.
Zudem wirft nun das Attentat von Boston ein Schlaglicht auf die Aktivitäten der tschetschenischen Rebellen, wiewohl sich deren Führung auf ihrer Internetseite entschieden von dem Terror in den USA distanzierte. Dennoch gibt es zunehmende Hinweise auf eine stets stärkere Verbindung zwischen den beiden blutigen Konflikten in Syrien und Tschetschenien. Radikale tschetschenische Islamisten, die seit den 90er Jahren in ihrer Heimat um Unabhängigkeit von Russland kämpfen - eine Rebellion, die zeitweise mit ungeheurer Brutalität mit Unterstützung des Kreml niedergeschlagen wird  - haben schon in der Vergangenheit immer wieder auf der Seite von Gesinnungsgenossen etwa in Afghanistan oder Bosnien gekämpft. Nach Syrien sind sie jüngst in zunehmender Zahl infiltriert. Aleppo, die größte, derzeit weitgehend von Al-Nusra dominierte Stadt – liegt nur etwa 1.500 km von Grozny, der Hauptstadt Tschetscheniens, entfernt. Über das benachbarte Georgien und die Türkei können tschetschenische Jiahdis ohne Probleme nach Syrien gelangen.  Sie zählen heute nach den Libyern zur zweitstärksten ausländischen Jihadigruppe in Syrien. Jüngste Berichte der geheimnisvolle Nusral-Führer Abu Mohammed al-Golani sei ein syrischer Tschetschene, verstärken den Verdacht einer gefährlichen Verbindung zwischen den beiden Kriegen., in dem einen Fall geht es um die Unabhängigkeit von Rußland, im anderen gegen den wichtigsten arabischen Verbündeten des Kreml. In von Rebellen kontrollierten syrischen Gebieten tauchten jüngst Grafitti, deren Inschriften Moskau zutiefst beunruhigen werden: „Wir begannen in Syrien und wir werden in Rußland enden.“
Nach Informationen aus Rebellenkreisen formierte sich eine mit Al-Nusra verbündete Brigade, genannt „Immigranten-Brüder‘“ , die, von dem Tschetschenen „Omar Abu al-Tschechinien“ kommandiert ausschließlich aus Islamisten aus der russischen Unruheprovinz zusammengesetzt ist. Die radikalen, in ihrer Heimat kampferprobten Jihadis könnten das Gleichgewicht der syrischen Rebellenkräfte zu einem stärkeren Extremismus verschieben.
Tschtscheniens Führer und der Kreml haben unterdessen wiederholt klargestellt, dass sie eine Heimkehr dieser Jihadis unter allen Umständen verhindern wollen. Besonders beunruhigt die Gefahr, dass sie mit Waffen und Finanzmitteln durch Saudi-Arabien, einer der alten Erzfeinde Rußlands, und Katar ausgestattet, den Kampf der Tschetschenen gegen den Kreml zu neuem blutigen Schwuing verhelfen werden. Die Olympischen Winterspiele 2014 im nahegelegenen Sotschi haben sie bereits zu ihrem Hauptziel deklariert.
Ein Sieg radikaler, ja vielleicht sogar mit tschetschenischen Rebellen verbündeter Islamisten über Assad würde für Moskau nicht nur den Verlust seines letzten arabischen Verbündeten, zudem wichtiger ökonomischer und militärischer Interessen (dem einzigen Marinehafen am Mittelmeer im syrischen Tartous) bedeuten, sondern auch eine dramatisch gesteigerte islamistische Gefahr innerhalb seines eigenen Reichs.

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