Doch in die Trauer um Venezuelas Präsidenten mischt sich im
Orient bittere Enttäuschung über die Freundschaft mit Diktatoren
von Birgit Cerha
Im Nahen Osten wurde er einst bewundernd-liebevoll „Chavez
von Arabien“ genannt. Vor allem die Herzen der Palästinenser flogen ihm zu.
2009 deklarierten Mitglieder der Fatah-Partei des Palästinenser-Präsidenten
Mahmud Abbas Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez zu einem „Symbol des
Freiheitskampfes“ aller Völker, die „sich Okkupation widersetzen und gegen sie
kämpfen“. Sie stellten ihn auf eine Stufe mit dem legendären Che Guevara. Denn
Chavez hatte bei unzähligen Gelegenheiten, immer und immer wieder israelische
Repressionspolitik gegen die Palästinenser angeprangert, sie gar als „Genozid“
klassifiziert. Vor vier Jahren eroberte der wortgewaltige Populist nach einer
Umfrage des angesehenen Meinungsforscher-Instituts „Zogby International“ in der
arabischen Welt gar den ersten Platz in der Rangliste der beliebtesten
internationalen Führer. Denn Chavez ging in seiner Kritik an Israels massiver Militäroffensive
in Gaza gar so weit, den israelischen Botschafter in Caracas des Landes zu
verweisen. Ein islamistischer Parlamentsabgeordneter in Kuwait beschrieb Chavez
euphorisch als „arabischer als einige Araber“ und schlug vor, den Sitz der
Arabischen Liga von Kairo nach Caracas zu verlegen. Denn kein Mitgliedsland der
Liga hatte den Mut zu ähnlicher Protestaktion.
Die wachsenden sozialen Nöte werden in der Region als
Fehlschlag des untrennbar mit der Weltdominanz der USA verbundenen kapitalistischen Systems
gewertet, gegen das Chavez so energisch gekämpft hatte. So hinterließ er auch
in der arabischen Welt tiefen Eindruck, als er im März 2009 bei einem arabischen
Gipfel in Doha, Katar vorgeschlagen
hatte, den Dollar durch eine neue, auf Öl gestützte Währung zu ersetzen. „Eine
neue Welt wird geboren“, frohlockte Chavez damals, „Imperien werden einstürzen.
Der Kapitalismus steckt in einer Weltkrise, die den ganzen Planeten bis ins
Mark erschüttert.“ Das klang so wohlig in den Ohren vieler Menschen in der
arabischen Welt.
Der charismatische Linksrevolutionär hatte von einer neuen
Version der „Sozialistischen Internationale“ geträumt und zugleich Sozialismus
mit Anti-Imperialismus gleichgesetzt. Die Feinde der amerikanischen Supermacht wurden
so für ihn nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zu seinen
Verbündeten. So trieb ihn die Sympathie für die lautstärksten Gegner der USA –
lange den Libyer Muammar Gadafi etwa, allen voran aber den Iraner
Ahmadinedschad in die Umarmung mit nahöstlichen Despoten, die – da selbst
international isoliert -. Solche Verbrüderungen dankbar entgegennahmen. Chavez
übersah dabei vollends die krassen ideologischen Gegensätze zwischen seinen
sozialistischen Idealen und etwa der iranischen Theokratie, in der – ähnlich wie
im Syrien der vergangenen 15 Jahre oder
auch in Gadafis Libyen – die politisch
Mächtigen das Land ökonomisch beherrschen, sich hemmungslos bereicherten und –
ganz im Gegensatz zu Chavez‘ Venezuela - die Kluft zur Masse der Armen immer
tiefer trieben. Feindschaft mit der Supermacht USA hat nichts mit Sozialismus zu
tun, eine Weisheit, die Chavez verkannte. Zudem sind weder Syriens Baschar el
Assad, noch war des Gadafi in den letzten Jahren seiner Herrschaft, vom selben
Haß auf Washington getrieben, wie Chavez. Ganz im Gegenteil, Assad bemühte sich
intensiv um Aussöhnung mit den USA.
Keinen der regionalen Führer aber schmerzt der Tod Chavez‘
so sehr wie Irans Präsidenten
Ahmadinedschad, der auch rasch einen Tag der „nationalen Trauer“
ausrief. Der Iraner hatte den fernen Freund mehrmals besucht und gemeinsam
hatten sie über „den großen Satan“ im Norden gewitzelt. „Wenn wir uns treffen,“
frohlockte Chavez im Vorjahr, „werden die Teufel verrückt“ und bezog sich dabei
auf Obamas Drängen, die international geächtete „Islamische Republik“ zu
isolieren.
Unter der iranischen, im Gegensatz zur arabischen
Bevölkerung, findet Ahmadinedschads Hass auf die USA ebenso wenig Gegenliebe wie die Sympathie für
Chavez, hatte sich doch der venezolanische Revolutionär 2009 in der blutigen
Kraftprobe zwischen der mutig um Freiheit kämpfenden „Grünen Bewegung“ offen
hinter das theokratische System und Ahmadinedschad gestellt. Doch auch unter
den Arabern hat sich die Stimmung seit Beginn des „Arabischen Frühlings“ 2011
gewandelt. Denn auch dort bezog dieser venezolanische „Mann des Volkes“ Partei
für die Diktatoren, unterstützte offen den „großen Kämpfer und Märtyrer“ Gadafi
und engagierte sich wortgewaltig für Assad.
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