Regierungsumbildung inmitten des Krieges – Das Ende des
syrischen Regimes ist nicht absehbar
von Birgit Cerha
Während seine Kampfflugzeuge intensive Einsätze flogen und
in Damaskus die schwersten Kämpfe seit Beginn der Rebellion vor fast zwei
Jahren tobten, bildete Syriens Präsident Assad sein Kabinett um und zeigt sich gesprächsbereit
gegenüber der Opposition. Mit dieser Maßnahme, der Trennung der Arbeits- und
Sozialressorts und der Ernennung von sieben neuen Ministern, zuständig für
Wiederaufbau, Landwirtschaft, Öl- und Rohstoffe, sowie Finanzen versucht Assad
die dramatische Wirtschaftskrise in wenigstens etwas in Griff zu bekommen.
Syriens Wirtschaft steckt nach fast zwei Jahren des Krieges in einer schweren Rezession. Der Mangel an Waren des täglichen
Bedarfs nimmt dramatische Ausmaße an. Die Infrastruktur ist schwer beschädigt
der Flughafen der größten Stadt, Aleppo, wegen Kämpfen gesperrt und der
Dollarkurs für die syrische Währung auf dem Schwarzmarkt seit März 2011 auf
mehr als das Doppelte gestiegen. Laut Weltbank schrumpfte das
Bruttoinlandsprodukt um 20 Prozent, während die Arbeitslosigkeit nach
Schätzungen von derzeit 37 bis Jahresende auf 50 Prozent ansteigen dürfte. Die
Produktion von Nahrungsmitteln, darunter Getreide Früchte und Gemüse, fiel um
50 Prozent.
Während Assad trotz unverminderter Kämpfe sich nun offenbar
verstärkt auf die sozialen Nöte der Bevölkerung konzentrieren will, erklärte er
sich am Wochenende erstmals zu bedingungslosen Gesprächen mit der Opposition im
In- und Ausland bereit, einschließlich des „Syrischen Nationalrates“ (SNR), der
Dachorganisation zahlreicher, darunter auch islamistischer Rebellengruppen, denen
er bisher jeden Dialog verweigert hatte. Ende Januar hatte Moaz al-Khatib, der Führer
des mit Hilfe der USA neugegründeten oppositionellen Dachverbandes „Syrische
Oppositions-Koalition“, der auch der SNR angehört, erstmals nach Rücksprache
mit Assads engsten Verbündeten, Russland und Iran, dem Damaszener Herrscher
Verhandlungen angeboten, doch als Vorbedingung die Freilassung von allen rund
160.000 Gefangenen gestellt. Khatib aber hatte sich zuvor nicht der
Unterstützung wichtiger Oppositionsgruppen für diese mutige Friedensinitiative versichert
und damit heftiger Kritik ausgesetzt. Das Angebot des „Koalition“ wurde
daraufhin an die Bedingung geknüpft, dass es bei den Verhandlungen primär um
Assads Abgang gehen müsse.
Diese Entwicklung illustriert deutlich die reale Gefahr,
dass die mühselig aus der Taufe gehobene Opposition auseinanderbricht. In jedem
Fall bietet sie sich nicht als glaubwürdige neue Kraft für ein Syrien nach
Assad an. Die Tatsache, dass Khatib das Verhandlungsangebot wagte, zeigt, dass
dieser prominente Syrer die militärische Unbesiegbarkeit Assads erkannt hat und
deshalb einen Kompromiss sucht, um dem Ausbluten des Landes Einhalt zu
gebieten.
Außer Khatib hatten jüngst internationale Persönlichkeiten ihre
Überzeugung kundgetan, dass Assad gar noch Jahre an der Macht ausharren könnte,
zuletzt Iraks Präsident Maliki, ein intimer Kenner Syriens, der sich bisher
jeglicher Stellungnahme über Assads Schicksal enthalten hatte und nun die Ansicht
vertrat, der Syrer seit „weit klüger“ als sein irakischer Erzfeind, der 2003
gestürzte Diktator Saddam Hussein. Ähnliche Zweifel an einem raschen Sturz
Assads sprachen der jordanische Königs Abdullah, der UN-Vermittler Brahimi und
u.a. auch der französische Außenminister Fabius aus.
Eine Reihe von Entwicklungen haben Assads Selbstbewusstsein
offenbar gestärkt und westlichen Führern eine Fehleinschätzung der Unterstützung
vor Augen geführt, die Assad – ungeachtet aller Brutalitäten – immer noch in
beträchtlichen Teilen der syrischen Bevölkerung besitzt. Die Minderheiten, die
insgesamt knapp weniger als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, haben sich
aus Angst vor blutigem Chaos nach Assad nicht in großen Zahlen der von Sunniten
dominierten Opposition angeschlossen, ebenso viele einflussreiche Sunniten
nicht. Nach einer großangelegten Umfrage
der „Qatar Foundation“ unterstützen immer noch 55 Prozent der Syrer Assad und
68 Prozent kritisieren die Sanktionen der Arabischen Liga.
Trotz mancher
Desertionen und schwerer Schläge ist die militärische und institutionelle Struktur
des Regimes immer noch intakt. Eine Veränderung der militärischen Taktik,
offenbar auf russischen Rat, hat der syrischen Armee Geländegewinne um Damaskus
und Homs ermöglicht. Das Regime entvölkerte von Rebellen infiltrierte Gebiete
um diese Städte und bombardierte sie heftig. Strategisch unbedeutende , von
Rebellen kontrollierte Regionen, schneidet Damaskus von der Versorgung
lebenswichtiger Güter ab, in der Hoffnung, dass die Bevölkerung sich damit
gegen die Rebellen stellt. Bis heute gelang es der militanten Opposition nicht,
ganze Provinzen oder Städte zu kontrollieren. Begegnungen mit Assad, über die ausländische
Besucher jüngst berichteten, lassen eine wachsende Zuversicht des Syrers
erkennen, dass die Armee diesen Krieg gewinnt. Entscheidende Hilfe dabei
liefert die zutiefst gespaltene und zerstrittene Opposition. Während Assads
wichtigste Stütze, die russisch-iranische Achse und die aktive Hilfe der
kampferprobten libanesischen Hisbollah, seit ihrer Gründung in den 80er Jahren
engster Verbündeter des Assad-Regimes, unverrückbar zusammenhält, hat die
dramatische Verbreitung militanter Jihadisten in Nordafrika und Frankreichs
Militäraktion gegen diese potentiell auch Europa bedrohende Terrorgefahr in
Mali die Angst europäischer Staaten und der USA vor einem Staat nach dem Muster
der afghanischen Taliban in der Levante, dem Herzen des Nahen Ostens,
wesentlich gesteigert. Eine Bewaffnung der Opposition durch westliche Staaten
erscheint damit weiterhin unwahrscheinlich.
Der amerikanische Syrienexperte Joshua Landis schrieb jüngst
im britischen „Guardian“, keiner in der
Opposition „kann bis heute erklären, wie der Krieg gewonnen werden kann. Das
Regime hat (den Vorteil der) Einigkeit, es besitzt alle schweren Waffen.“ Nur eine Intervention von außen könnte das
Kräftegleichgewicht zum Nachteil Assads verschieben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen