Gleichgültig wer die Wahlen in den USA gewinnt, Washingtons
Beziehungen zum Mittleren Osten werden sich verändern
von Birgit Cerha
Barak Obama der hochbegabte Rhetoriker, berührte die
arabische Seele, als er vor drei Jahren in zwei programmatischen Reden in Kairo
und Istanbul den Menschen der Region einen „Neubeginn“ verhieß, einen radikalen
Bruch mit dem vergifteten Erbe des 11. Septembers 2001, das unter seinem
Vorgänger Bush zur Invasion des Iraks führte, zum internationalen Krieg gegen
den Terror und in die blutige Sackgasse des Palästinenserkonflikts.
Er weckte gigantische Hoffnungen, die Realisten schon damals für kaum erfüllbar hielten. Die arabische, die islamische Welt maß den Führer der Supermacht seither aber an diesen für die so lange gedemütigte Region so wohltuenden Versprechungen. Und wie erwartet blieb die Enttäuschung nicht aus. Nichts illustrierte dies deutlicher gegen Ende vom Obamas erster Amtsperiode, als der sich vor allem in Libyen und Ägypten gewaltsam, anderswo nur in wütenden Demonstrationen entladende Zorn auf die USA, den ein geschmacklos-primitives Hass-Video über den Propheten Mohammed in der gesamten islamischen Welt vom Zaum brach, wiewohl die US-Regierung mit der Produktion dieses provokativen Films absolut nichts zu tun hatte.
Er weckte gigantische Hoffnungen, die Realisten schon damals für kaum erfüllbar hielten. Die arabische, die islamische Welt maß den Führer der Supermacht seither aber an diesen für die so lange gedemütigte Region so wohltuenden Versprechungen. Und wie erwartet blieb die Enttäuschung nicht aus. Nichts illustrierte dies deutlicher gegen Ende vom Obamas erster Amtsperiode, als der sich vor allem in Libyen und Ägypten gewaltsam, anderswo nur in wütenden Demonstrationen entladende Zorn auf die USA, den ein geschmacklos-primitives Hass-Video über den Propheten Mohammed in der gesamten islamischen Welt vom Zaum brach, wiewohl die US-Regierung mit der Produktion dieses provokativen Films absolut nichts zu tun hatte.
Obama oder sein Gegenkandidat Romney – den arabischen, den
islamischen Massen erscheinen die beiden Kandidaten als nichts anderes als zwei
Seiten derselben Münze. Obama, so gestehen viele jedoch ein, sei allerdings
noch „das kleinere Übel“, allzu sehr erinnert Romney als den weithin als „Kriegstreiber“
verhassten Bush.
Den Kritikern Obamas allerdings sei entgegen zu halten, dass
die US-Politik gegenüber dem Mittleren Osten in den vergangenen vier Jahren mit
einer Serie unerwarteter und höchst dramatischer Ereignisse konfrontiert war,
denen Obama mit kluger Vorsicht begegnete. Wiewohl vier, darunter drei eng mit den USA verbündete
Herrscher (jene Tunesiens, Ägyptens und
des Jemen) dem „Arabischen Erwachen“ zum Opfer fielen, erwarb sich Obama mit
seiner Politik zwar keine neuen Freunde, aber schuf Amerika auch keine neuen
Feinde – in dieser Situation epochaler Umwälzungen zweifellos ein Verdienst für
sich.
In Ägypten nahm Obama die erste hohe Hürde, als er die
begrenzten Möglichkeiten der USA erkannte, den Übergang von Diktatur in ein
demokratischeres System zu beeinflussen. Er entschied sich erst für den
demokratischen Weg, die „arabische Straße“, als er erkannte, dass Präsident
Mubarak, der jahrzehntelange Verbündete der USA, nicht zu retten war, verärgerte zwar damit Washingtons
autokratische Verbündete am Persischen Golf, verteidigte aber demokratische
Werte weiterhin auch dann, als die Demokratieversuche in Chaos und Krise mündeten
und islamische Bewegungen in den ersten freien Wahlen (Tunesien und Ägypten)
als stärkste Kraft hervorgingen. Damit vergrämte er die liberalen, säkularen
Demokraten der Region, doch er setzte auf Dialog, Engagement mit gemäßigten Islamisten,
in der Hoffnung, dass dies, wie auch deren neue Erfahrung in
Regierungsverantwortung diese Bewegungen, insbesondere in Ägypten, zum
Pragmatismus führen würden. Und er hielt weiterhin an einem Kurs extremer
Vorsicht fest. In dieser Situation zweifelsfrei die beste Wahl, auch wenn mit
radikaleren Strategien sympathisierende Kritiker diese Strategie als Schwäche
verdammen.
Arabische Demokraten empört aber auch die Entscheidung
Obamas, in einer wichtigen strategischen Frage gegen seine demokratischen
Überzeugungen zu handeln. In Bahrain, wo die Fünfte US-Flotte ihr Hauptquartier
unterhält, sah er tatenlos zu, wie die saudische Armee gewaltsam gegen
friedliche Demonstranten intervenierte und Washington protestierte nur matt
gegen gravierende Menschenrechtsverletzungen, um die Macht seines vor allem in
der Auseinandersetzung mit dem benachbarten Iran so wichtigen strategischen
Verbündeten zu retten.
Der Fall Libyen
illustriert Obamas ambivalentes Verhältnis zur Gewalt. Er weigerte sich, eine
führende Rolle in den Nato-Luftangriffen gegen Diktator Gadafi zu übernehmen
und beschränkte die Funktion der USA vielmehr auf „Führung aus dem Hintergrund“
. Doch die barbarischen Brutalitäten in Zusammenhang mit dem Mord an Gadafi und
zuletzt das Attentat auf den US-Botschafter in Benghazi sind schmerzhafte
Hinweise auf die unabsehbaren Gefahren
einer gewaltsamen Einmischung in diese Umwälzungen einzelner Länder der Region.
Entschlossen trieb Obama Pläne zum Truppenrückzug aus
Afghanistan (geplant 2014) voran, während ihm ein von den US-Bürgern zweifellos
als wichtiger sicherheitspolitischer Triumph gewerteter Schlag gegen das Terrornetzwerk
Al-Kaida durch die Tötung von dessen jahrelang gesuchten Chef Osama Bin Laden
gelang. So wenig Sympathie Bin Laden in
der arabischen Welt fand, teilen doch viele ein Unbehagen über die kaltblütige
Erschießung eines zu diesem Zeitpunkt Wehrlosen. Noch weniger stößt Obamas
Programm gezielter Tötung von mutmaßlichen Terroristen durch Drohnen auf
Zustimmung, das er vor allem in Pakistan und im Jemen entschieden
vorantreibt. Dass er persönlich Opfer
von einer Liste Terrorverdächtiger auswählt und bei den Angriffen stets eine
unbekannte Anzahl von Zivilisten ums Leben kommen, irritiert Menschenrechtsaktivisten
im Westen ebenso wie in der arabischen Welt.
Hier liegt das quälende Dilemma angesichts des Gemetzels in
Syrien. Der libanesische Drusenführer Walid Dschmumblatt fasst weitverbreitete
Frustrationen zusammen, wenn er sich bitter über das Fehlen einer seriösen
US-Politik beklagt, die dem sinnlosen Morden und den Zerstörungen in Syrien ein
Ende setzen würde. Doch weder Dschumblatt, noch irgend jemand anderer, hat eine
Strategie anzubieten, die das Land nicht in eine noch größere Katastrophe
reißt. Obamas Zurückhaltung bei der
Unterstützung eines unabsehbaren Haufens von kriegerischen Gegnern Präsident
Assads, darunter eine wachsende Anzahl von den Westen hassenden Jihadis, ist
die einzig kluge Position, die die Supermacht derzeit einnehmen kann. Ebenso
hat der Präsident mit seiner vorsichtigen Entschlossenheit, sich nicht dem
Drängen der jüdischen Lobby zu beugen und einen Krieg gegen den Iran zu
beginnen, die Welt – vorerst – vor einer neuen Katastrophe bewahrt. Er setzte
vielmehr, nachdem Annäherungsversuche an Teheran zunächst gescheitert waren ,
auf stetig verstärkte Sanktiionen, die nun mehr und mehr das ohnedies schon
gequälte Volk treffen. – eine Politik, die sich überall, wo sie in der
Vergangenheit angewandt wurde, als Fehlschlag erwiesen hatte.
Es ist auch die jüdische Lobby, der sich Obama, der noch in
Kairo 2009 energisch einen Stopp jüdischer Siedlungen als Voraussetzung für den
Wiederbeginn von Friedensverhandlungen gefordert hatte, beugte, nicht mehr
davon sprach und das Palästinenserprobem keinen Schritt zu einer Lösung
näherbrachte. Dass Romney sich klar als der „bessere Freund Israels“
präsentiert, hat ihn unter den Arabern aber alle Sympathien gekostet. „Obama
ist weniger gefährlich“, meint ein prominenter Kommentator.
In der arabischen Welt übersieht man meist jedoch, dass auch
ein US-Präsident nur beschränkte Macht besitzt und den Wunsch des US-Kongresses
berücksichtigen muss, in dem die festen Freunde Israels den Ton angeben. Und zudem vermag auch noch der gegenüber den
Wünschen, Sehnsüchten und Nöten der arabischen Welt verständnisvollste Führer
nicht in vier Jahren einen Hass auf die USA abzutöten, der sich über viele
Jahrzehnte ins Herz der arabischen Welt eingefressen hat.
Obamas Strategie der vorsichtigen Zurückhaltung bietet –
vorerst – den einzigen Weg in eine neue Ära der Beziehungen mit einer arabischen
Bevölkerung, die nicht länger bereit ist, schweigend Demütigungen und
gnadenlose Unterdrückung hinzunehmen. Offenheit und Dialogbereitschaft mit
allen sich nun entwickelnden Kräften in den einzelnen Ländern, in der Hoffnung,
dabei demokratische Werte zu stärken, stellt sich als die wichtigste
Herausforderung für den neuen Präsidenten, wer auch immer im Weißen Haus die
Macht übernehmen wird.
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