Terroristen machen sich ein gefährliches Sicherheitsvakuum und eine schwere politische Krise für ihre Ziele zunutze
von Birgit Cerha
Die größte Sorge für die Zeit nach dem Abzug der US-Truppen galt der Schlagkraft der neugebildeten irakischen Sicherheitskräfte für einen effizienten Einsatz gegen Gewalttäter. Die Regierung Maliki bekräftigt unermüdlich, dass der Terror, der weiterhin allmonatlich unschuldige Menschen, wiewohl nicht in solch erschreckend hohen Zahlen wie nun, in den Tod riss, nicht annähernd die Ausmaße der Schreckensjahre 06/06 erreicht. Doch die Attentate vom Sonntag und Montag beweise, dass Al-Kaida durchaus in der Lage ist, Chaos im Irak zu verbreiten.
Chaos ist weiterhin das Hauptziel des irakischen Al-Kaida-Zweiges, das die Grundlage für die Errichtung eines islamischen „Kalifats“ schaffen soll. Wie stark der „Islamische Staat des Iraks“ heute tatsächlich ist und ob auch andere Extremistengruppen an diesem Terror beteiligt sind, bleibt Spekulation. Tatsache ist jedoch, dass die Terroristen ein gravierendes Sicherheitsvakuum und eine schwere politische Krise, die den Irak seit mehr als zwei Jahren politisch vollends lähmen, für ihre Ziele zunutze machen.
Ein halbes Jahr nach Abzug der US-Besatzungstruppen verstärken sich tatsächlich alarmierende Signale, dass das von einem der brutalsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts befreite Zweistromland auf dem Weg zu einem „gescheiterten Staat“ voranschreitet. Die Gründe dafür sind vielfältig. Schwere Mängel in der politischen Struktur des neuen Iraks wurden nicht in den „guten Jahren“ 2007-08 behoben, in denen die US-Schutzmacht ein beträchtliches Maß an Stabilität geschaffen hatte. So bleiben bis heute entscheidende Fragen über die Struktur des Staates – Föderation etwa – die Verteilung der Ölerträge etc. ungelöst und Quelle teils schwerer fraktioneller Konflikte. Vor allem aber wurde der so dringend benötigte nationale Versöhnungsprozess nicht eingeleitet, weder zur Vergangenheitsbewältigung, noch um Marginalisierungsängste der von der Macht gejagten sunnitischen Minderheit zu zerstreuen und sie vollends in das neue politische System einzubinden. In den vergangenen Monaten tat der Schiitenpremier Maliki hingegen alles, um die arabischen Sunniten aus dem politischen Prozeß auszuschalten, sich der Mitsprache ihrer einflußreichen Führer zu entledigen. Höhepunkt dieser Kampagne war der im Dezember erlassene Haftbefehl gegen Vizepräsident Tarek al Hashemi wegen angeblicher Anstiftung zum Terror und die Flucht dieses Politikers nach Kurdistan und schließlich in die Türkei.
Insbesondere quält die Sunniten, aber auch andere politische Kräfte, wie die Kurden und die Anhänger des Schiitengeistlichen Moktada Sadrs, dass Maliki keines der Versprechen zur Machtteilung, das ihm vor einem Jahr das Premierministeramt gesichert hatte, erfüllte. Immer noch führt Maliki selbst die für die interne Sicherheit zuständigen Ministerien und schreitet damit bedrohlich auf dem Weg zu einem neuen Diktator voran. Versuche ihn durch ein Mißtrauensvotum abzusetzen, sind gescheitert. Das Land ist politisch gelähmt, die Infrastruktur liegt weiterhin darnieder, die Kluft zwischen neuen Reichen und der Masse der Armen klafft immer weiter, während die Korruption erneut Hochblüten treibt. In dieser Situation finden Extremisten, insbesondere unter den weiterhin stark marginalisierten Sunniten neue Anhänger.
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