Wer waren die eigentlichen Sieger der Parlamentswahlen im Iran? – Seine „taktischen Künste“ geben dem Präsidenten noch neue Chancen
von Birgit Cerha
Allzu voreilig haben westliche Medien in den vergangenen Tagen Irans Präsidenten Ahmadinedschad abgeschrieben, nachdem das dem „Geistlichen Führer“ Khamenei treu ergebene politische Establishment sehr rasch die Parlamentswahlen vom 2. März als Triumph gefeiert hatte. Es dauerte allerdings Tage, bis das amtliche Endergebnis veröffentlicht wurde, und auch dieses gibt keine klare Einsicht in die Kräfteverhältnisse des neuen Parlaments (Madschlis). Dafür gibt es mehrere Gründe. Im politischen System der „Islamischen Republik“ besitzen Parteien eine höchst geringe Bedeutung. Weit wichtiger sind politische Bewegungen, die sich immer wieder – je nach aktueller Situation und Zweckmäßigkeit - neu bilden. Die Bewegungen, die sich diesmal der Wahl gestellt hatten, gab es im vorangegangenen Parlament nicht, was die Einschätzung einer Popularitätsentwicklung äußerst schwierig macht. Und zudem verwischen sich traditionell die Fronten zwischen den Gruppierungen, die auch im Laufe einer Legislaturperiode auseinanderfallen können. Außerdem, Zudem können mehr als 60 Sitze der 290-köpfigen Madschlis erst bei einer Nachwahl im April besetzt werden.
Besondere Bedeutung hatte Khamenei auf die Wahlbeteiligung gelegt, die seine schwer angeschlagene Legitimität – vor allem auch im Atomkonflikt mit der internationalen Gemeinschaft und bei den nun geplanten erneuten Verhandlungen stärken soll. Die offiziell angegebene Beteiligung von 64 Prozent läßt sich durch unabhängige Quellen nicht bestätigen. In Teheran macht in diesen Tagen der Witz die Runde: „Eines der Wunder der Islamischen Republik zeigt sich in den 85 Prozent der Bevölkerung, die von daheim verfolgen, wie 85 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen strömen.“ Viele Iraner, insbesondere Sympathisanten der oppositionellen „Grünen Bewegung“ halten die offizielle Wahlbeteiligung für weit übertrieben, insbesondere, da schon vor den Wahlen angekündigt wurde.
Ein Ergebnis dieser Wahlen steht jedoch fest: Dem Regime gelang es durch Drohung und Einschüchterung, die „Grüne Bewegung“ empfindlich zu spalten. Der Reformer, Ex-Präsident Mohammed Khatami löste selbst unter seinen Anhängern einen schweren Schock aus, als er aus der Oppositionsfront, die zu einem Wahlboykott aufgerufen hatte, ausbrach, seine Stimme abgab und Khamenei damit den Rücken stärkte. Über die sozialen Medien strömt bittere Kritik und Empörung über den „Verrat“ Khatamis an den Reformern und an seinen Prinzipien, denn keine der Vorbedingungen für seine Teilnahme an der Wahl – u.a. vor allem Freilassung der politischen Gefangenen, Presse- und Meinungsfreiheit etc – hatte das Regime erfüllt. Khatami, davon sind auch unabhängige Beobachter überzeugt, wollte nicht riskieren, dass Khamenei auch ihn – wie die anderen Führer der „Grünen Bewegung“, Moussawi und Karrubi, unter Hausarrest stellt und damit zur Bedeutungslosigkeit verdammt.
Freilich, auch die Konservativen sind gespalten – und zwar in nicht weniger als 13 Gruppen, einige für Ahmadinedschad und nach derzeitigem Stand möglicherweise die Mehrheit für Khamenei, doch keineswegs – wie vielfach berichtet – ein klarer Sieger. Wiewohl Khamenei strukturelle Vorteile besitzt, hat Ahmadinedschad hat noch einige Pfeile im Köcher. Es werden ihm gute Chancen eingeräumt, bei der Nachwahl im April seine Position zu stärken. Während eine Reihe prominenter Geistlicher sich durch Wahlboykott demonstrativ nicht hinter Khamenei stellte und einige andere einflußreiche Anhänger des „Geistlichen Führers“ ihr Mandat verloren, stellen nach derzeitigem Stand die „Unabhängigen“ mit 88 Sitzen die größte Gruppierung im neuen Parlament, während die weitgehend Khamenei treue „Einheitsfront“ 48 Mandate eroberte. Ahmadinedschad hat sich in den sieben Jahren seiner Amtszeit als kompromißloser Kämpfer erwiesen, der nicht einfach resigniert. Selbst Kritiker halten ihn für ein „taktisches Genie“, fähig immer wieder durch eine Mischung aus Populismus und Rafinesse Anhänger hinter sich zu scharen. Er könnte im neuen Parlament viele der Unabhängigen auf seine Seite ziehen.
Und schon bewies er erneut seine Entschlossenheit zum Kampf, indem er gegen den ausdrücklichen Willen des mächtigen „Wächterrates“ ein Komitee zur Überwachung der Verfassung gründete. Während das khamenei-treue Establishment seinen „heiligen“ Internetkrieg besonders auch gegen die Anhänger des Präsidenten richtet, wird sich Ahmadinedschad noch vor der ersten für Mai anberaumten Sitzung des neuen Parlaments in den Majlis wegen Amtsmißbrauch und Korruption verantworten müssen. Der Machtkampf geht in neuer Stärke weiter.
Freitag, 9. März 2012
Ahmadinedschad rüstet zu neuer Runde im Machtkampf
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