Der internationale Wirtschaftsdruck soll die iranische Bevölkerung zur Rebellion gegen ihre Führung ermutigen, doch er erreicht das Gegenteil
von Birgit Cerha
„Der Iran spürt den Druck“, frohlocken israelische Politiker und Medien, die wichtigste treibende Kraft in dem von den USA geführten Kampf gegen das iranische Atomprogramm. Tatsächlich ächzt Irans Wirtschaft alarmierend unter den stetig verschärften internationalen Sanktionen. Insbesondere der jüngst von Washington beschlossene Boykott der iranischen Zentralbank, die alle Ölgeschäfte und damit rund 80 Prozent der staatlichen Einkünfte, abwickelt, zieht schmerzliche Folgen nach sich. Nervöse Iraner stürmten die Wechselstuben, um die Landeswährung los zu werden und sich durch den Kauf von Dollar abzusichern. Der Rial stürzte auf den tiefsten Wert gegenüber dem Dollar seit zwei Jahrzehnten. Diverse Maßnahmen, wie eine Infusion der Zentralbank von 200 Mio. Dollar in den Markt, Restriktionen bei Barabhebungen von Banken, ein Verbot an iranische Reisende, mehr als tausend Dollar auszuführen und schließlich die Verbannung privater Geldwechsler von den Straßen konnten bisher nicht die Währung stabilisieren. Der Kurssturz droht die Preise für Konsumgüter rasant in die Höhe zu treiben. Diese Entwicklung alarmiert das Regime derart, dass es tagelang Nachrichten im Internet oder über das Mobilnetz, die das Wort „Dollar“ enthielten, blockierte, damit sich die Panik in der Bevölkerung in Grenzen halte.
Kein Iraner glaubt längst den Selbstbeschwichtigungen der Amerikaner und Europäer, dass die von ihnen eingehobenen „intelligenten“ (d.h. gezielt das Regime treffenden) Sanktionen, das Volk schonen. Genau das Gegenteil ist der Fall, wie längst in anderen Ländern, insbesondere so lange im benachbarten Irak, vorexerziert.
In den vergangenen Monaten schnellten die Preise für Grundnahrungsmittel um mehr als 20 Prozent in die Höhe. Der Preisanstieg wird noch verschärft durch die im Dezember 2010 von der Regierung verfügten Kürzungen von Subventionen für Treibstoff. Gaspreise stiegen seither um das Siebenfache. Armen Familien greift die Regierung allerdings mit monatlicher Unterstützung von 40 Dollar unter die Arme. Offiziell liegt die Inflation bei 20 Prozent, nach Expertenschätzungen dürfte sie sich jedoch heute bereits der 50-Prozent-Grenze nähern. Und fast 15 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung finden keinen Job.
Vor allem treffen die Sanktionen Irans Mittelschicht, das Rückgrat der demokratischen Opposition, die 2009/10 erfolglos versucht hatte, das Regime zu Reformen zu drängen, heute – wiewohl brutal eingeschüchtert - die Hoffnung auf Liberalisierung immer noch nicht aufgegeben hat. Iranische Oppositionskreise sprechen gar von einem „Geschenk (Amerikas) an das Regime.
Es sind insbesondere die privaten Geschäftsleute und Kleinindustriellen, die zunehmend ihre Existenz verlieren. Hunderte Firmen mußten in den vergangenen Monaten schließen, weil sie die laufenden Kosten nicht mehr bezahlen oder Rohstoffe für die Herstellung ihrer Produkte nicht mehr importieren konnten. Die international vollends isolierten Banken stellen für Importe keine Akkreditive mehr aus. Immer weniger westliche Waren erreichen Iran. Sie werden teilweise durch billige Gebrauchsgüter aus China ersetzt. Doch die Regale in den Geschäften leeren sich zunehmend.
Bazar-Händler, einst das Rückgrat des islamischen Regimes, klagen über die schlechtesten Zeiten ihrer Erinnerung. Selbst während des achtjährigen Krieges gegen den Irak (1080 – 88) hätten sie bessere Geschäfte gemacht.
Verwirrung und Ärger über die westliche Strategie drücken zunehmend auf die Stimmung, insbesondere unter privaten Geschäftsleuten, die erboßt verfolgen, wie das Hauptziel der Sanktionen, die Revolutionsgarden trotz angeblich gezielter Sanktionen gegen zahlreicher Betriebe dieser stärksten iranischen Wirtschaftskraft, nicht nur nicht geschwächt, sondern durch diese Strafmaßnahmen sogar noch gestärkt werden. Dank ihres dichten Netzes an Strohfirmen schmerzen die Sanktionen nicht, während der in solchen Krisen florierende Schmuggel von den Garden dominiert wird und ihnen enorme zusätzliche Gewinne verschafft. Seit dem erzwungenen Abzug westlicher Ölkonzerne aus dem Iran übernahmen die Garden auch die Kontrolle über die Ölindustrie, die sie höchst ineffizient verwalten, sich aber damit neue Geldquellen öffneten – langfristig zum großen Schaden nationaler iranischer Interessen.
Ein hohes Mitglied des US-Geheimdienst erklärte jüngst gegenüber der „Washington Post“ , Ziel der Sanktionen sei es, die allgemeine Unzufriedenheit im Iran zu schüren, um damit das Regime zu untergraben. Später korrigierte der Agent in der Zeitung: die Sanktionen sollten „Hass und Unzufriedenheit in den Straßen schüren, um den iranischen Führern klar zu machen, dass sie ihre Politik (in der Frage des umstrittenen Atomprogramms) ändern müssen“. Doch in Wahrheit sehen viele Iraner keinen Zusammenhang zwischen dem Regime und dem Atomprogramm. Zu dem sie sich weitgehend stolz als Weg zu Fortschritt und Entwicklung bekennen. Und die Sanktionen empfinden sie schmerzlich als gegen sich – und nicht gegen das Regime gerichtet. Das – zynische – Ziel, Aufruhr zu schüren, verfehlt vollends seine Wirkung. Unzählige Beispiele, wie etwa im Irak Saddam Husseins, haben dies hinlänglich bewiesen. Und zudem, so meint das „National Iranian American Council“ in einer Aussendung: „Ohne einem entschlossenen Engagement für eine diplomatische Lösung unterscheidet sich der Weg der Sanktionen nicht von jenem des Krieges. „
Montag, 16. Januar 2012
Sanktionen: „Ein Geschenk an das Regime“
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