Donnerstag, 12. Januar 2012

Iran: Der „Schattenkrieg“ eskaliert

Von allen Seiten verschärft sich der Druck auf Teheran – Die Krise um das Atomprogramm droht außer Kontrolle zu geraten

von Birgit Cerha


Tag für Tag rücken die Spannungen zwischen der „Islamischen Republik“ auf der einen, den USA und ihren Verbündeten auf der anderen Seite dem Siedepunkt näher. Von allen Seiten steigert sich der Druck auf den Iran in dramatischer Weise: Vorbereitungen zu massiv verstärkten Sanktionen der USA und der EU laufen auf Hochtouren, während die Wirtschaft des „Gottesstaates“ schon jetzt zunehmend unter dem Embargo ächzt; die Bereitschaft von Irans wichtigem Handelspartner Japan, US-Drängen nachzugeben und sich aus der Abhängigkeit von iranischen Öllieferungen zu lösen, damit die Sanktionen Teheran in die Knie zwingen; die Planung großer amerikanisch-israelischer Manöver in der Nähe dem für die internationale Ölversorgung so wichtigen Flaschenhals im Persischen Golf, der Straße von Hormus, wo auch Teheran Kriegsspiele ankündigt und die USA davor warnt, einen Flugzeugträger in den Persischen Golf zurückzuführen; iranisches Todesurteil gegen einen amerikanisch-iranischen Doppelstaatsbürger wegen Spionage für die Supermacht und schließlich die erneute Ermordung eines iranischen Atomexperten. Der Tathergang – Explosion einer unter Auto des Opfers, Mostsafa Ahmadi Roshan, fixierten Magnetbombe – glich vorangegangenen Attentaten, denen in den vergangenen zwei Jahren drei führende für das iranische Atomprogramm arbeitende Experten zum Opfer gefallen waren.
Iran, aber auch unabhängige Experten halten diese Entwicklung für einen klaren Hinweis auf eine gefährliche Eskalation eines seit Jahren tobenden „Schattenkrieges“ gegen den Iran, der offenbar das Ziel verfolgt, durch Ausschaltung führender Atomfachleute das Nuklearprogramm zumindest vorerst zu verlangsamen, bis eine andere Strategie gefunden ist, die Teheran vom Bau von Atomwaffen abhalten kann. Längst ist die Serie der Sabotage- und Terrorakte zu dicht, um an Zufälligkeit zu glauben. Drei mysteriöse Explosionen – nahe einer wichtigen Atomanlage in Isfahan, in einem Militärstützpunkt, die den Architekten des iranischen Raketenprogramms und etwa 30 Revolutionsgardisten tötete, und in einer Raketenbase in Khorramabad, Irans nächstem Punkt zu Israel – waren im Vorjahr, sowie 2010 dem Computerwurm „Stuxnet“ gefolgt, der zahlreiche Zentrifugen, zentraler Teil des Atomprogramms lahmgelegt hatte; und schließlich Anfang Dezember die erzwungene Landung einer US-Drohne im Ost-Iran; nachdem Teheran die Verhaftung von zwölf angeblich für den US-Geheimdienst CIA arbeitenden Spionen bekannt gegeben hatte, rühmte sich sein libanesischer Verbündeter „Hisbollah“ im Dezember der Festnahme von 30 angeblichen CIA-Agenten im Libanon.

Wiewohl es keinerlei Beweise für die Drahtzieher dieses „Schattenkrieges“ gibt, stehen für Teheran die Täter längst fest: der „große“ und der „kleine Satan“ (USA und Israel). Washington dementiert jede Verwicklung energisch. Doch ein Bericht des US-TV-Senders ABC aus dem Jahr 2007 drängt sich in Erinnerung, in dem von einer „geheimen Genehmigung des Präsidenten zur Durchführung verdeckter ‚schwarzer‘ Operationen zur Destabilisierung des iranischen Regimes“ die Rede war. Der US-Kongress stellt dafür 300 Mio. Dollar bereit. Unter Präsident Obama wurde das Programm ausgeweitet.
Israel bestätigt eine führende Rolle in diesem „Schattenkrieg“ nicht, leugnet sie aber auch nicht und verhehlt nicht seine Freude über die internationales Recht gravierend verletzende Ermordung iranischer Atomexperten. Kryptisch bemerkte jüngst Israels Geheimdienstminister Dan Meridor: „Es gibt Länder, die Wirtschaftssanktionen einheben und es gibt andere Länder, die in anderer Weise mit der iranischen Atomgefahr umgehen.“ Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsdirektor, General Giora Eiland bemerkte gar im israelischen Armeesender: „Wenn sich so viele Dinge ereignen, dann gibt es wahrscheinlich eine Art von lenkender Hand dahinter, vielleicht ist es auch die Hand Gottes.“
Ein Bericht der französischen Zeitung „Le Figaro“, nach dem der israelische Geheimdienst Mossad verstärkt in irakisch-Kurdistan stationierte oppositionelle iranische Kurden der Guerillaorganisation „PJAK“ unterstützt und für Terroreinsätze im Iran trainiert, besitzt ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Längst ist es offenes Geheimnis, dass israelische Agenten seit Jahren im autonomen Kurdistan ihre strategischen Ziele gegen vor allem gegen den Iran verfolgen – eine heikle Entwicklung für die irakische Kurdenführung.

Während führende iranische Politiker ihre Entschlossenheit bekräftigen, sich auch durch Morde nicht von ihrem Atomprogramm abbringen zu lassen, stellt „Kayhan“, die dem „Geistlichen Führer“ Khamenei nahestehende Zeitung, die Frage, wieso Attentate auf führende Atomexperten in Teheran so leicht möglich seien, und warum denn der Iran nicht Vergeltung übe. Tatsächlich hat sich die Reaktion des Regimes auf all diese Attacken auf verbale Angriffe beschränkt. Doch der jüngste Mord könnte sich als der Tropfen erweisen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Meir Javedanfar, ein in Israel stationierter, im Iran geborener Analyst ist davon überzeugt, dass die Verschärfung des „Schattenkrieges“ und der Sanktionen die bisher zögernde Teheraner Führung zu einer Entscheidung drängen werde: „Vergeltung oder Kompromiß“. Doch wiewohl auch Khamenei erkennen wird, dass Vergeltung den Druck und die Gefahr eines Krieges mit unabsehbaren Folgen drastisch vergrößern wird, deutet bisher nichts darauf hin, dass der Iran zum Einlenken bereit sein könnte. Selbst der israelische Analyst Richard Silverstein ist davon überzeugt, dass dieser „Schattenkrieg“ den Iran nicht ernsthaft erschüttern oder von ihren Ziel abhalten werde. „Die Iraner sind keine Schwächlinge. Sie lassen sich nicht einschüchtern. Sie sind bereit für ihr Land zu sterben‘“ und haben dies in dem achtjährigen, vom Irak provozierten Krieg schmerzhaft mit einer Million Gefallenen bewiesen.

Der „Schattenkrieg“ soll – so meinen Verfechter dieser Strategie – den Iran ohne gigantische Verluste ziviler Menschenleben zur Aufgabe des Atomprogramms und vielleicht das Regime zum Sturz bringen. Er vernichtet aber die friedliche Option des Dialogs und der Suche nach Kompromiss.

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